„Defend Kurdistan“ kritisiert Polizeiverhalten in Berlin

Am Wochenende wurde in Berlin gegen die Invasion in Südkurdistan protestiert. Die Polizei legte ein aggressives Verhalten an den Tag und provozierte durch Gewalt eine Eskalation. Die Initiatoren sprechen von antikurdischem Rassismus in der Behörde.

Mehrere tausend Kurdinnen und Kurden sowie Unterstützende sind am Sonnabend in Berlin gegen die kriegerische Aggression der Türkei in den kurdischen Gebieten Syriens und des Irak auf die Straße gegangen. Die Berliner Polizei trat in Teilen extrem aggressiv auf, griff gewaltsam in die Demonstration ein und provozierte eine Eskalation. Die Initiative „Defend Kurdistan“, die die Bündnisdemonstration kurdischer, antifaschistischer und linker Gruppen organisiert hatte, spricht in einem Statement von einer politisch motivierten Repression bei der Berliner Polizei und antikurdischem Rassismus.

Nachdem zunächst mehrere Hundertschaften der Polizei die Protestveranstaltung seitlich spalierlaufend begleiteten, seien dutzende Einsatzkräfte direkt in die Mitte der Demonstration gegangen, heißt es in der Erklärung. Zwischen den Teilnehmenden laufend, sei es gleich mehrfach zu körperlichen Übergriffen durch die Beamt:innen gekommen. Auch gab es „verbale Provokationen von türkischstämmigen Polizisten, die sich gezielt gegen kurdische Aktivist:innen im Jugendblock richteten". Mehrere Betroffene hätten im Nachhinein von „persönlichen Beleidigungen durch die Einsatzkräfte“ berichtet. Sogar eine 13-Jährige sei von einem Polizisten zu Boden gestoßen worden.

Ergänzend berichteten zwei Medienschaffende, die als solche auch klar erkennbar gewesen sind, dass die Polizei gezielt nach Kameras gegriffen und auf diese geschlagen habe. „Bei der Abschlusskundgebung riskierte die Polizei dann eine Massenpanik, als die Einsatzkräfte mehrfach durch die Menge liefen und wahllos auf Menschen einschlugen. Hierbei kam es zu sechs uns bekannten Festnahmen, die überaus brutal stattfanden. Auf Personen, die bereits regungslos am Boden lagen, knieten teilweise drei Polizisten, einem anderen wurde beim Abführen fast die Nase gebrochen. Eine weitere Person wurde zunächst zu Boden gebracht, dann gefesselt und von drei Polizisten getreten und geschlagen. Neben diesen Fällen kam es auch an anderen Stellen zu exzessiver Polizeigewalt. Wir können von Glück sprechen, dass ‚nur‘ eine Person mit dem Krankenwagen ins Krankenhaus gebracht werden musste. Im Nachhinein wurde bekannt gegeben, dass bisher 18 Ermittlungsverfahren eingeleitet worden seien.“

Hintergründe der aggressiven Polizei-Taktik

Die Polizei Berlin begründete dieses Verhalten damit, dass ein Beamter bei einem Flaschenwurf leicht verletzt worden sei. Überwiegend jugendliche Teilnehmende hätten die Einsatzkräfte an einer Kreuzung Unter den Linden mit Schlägen und Tritten attackiert, dabei seien auch Fahnenstangen und Plakate eingesetzt worden. „Defend Kurdistan“ zufolge seien diese Vorwürfe sachlich nicht haltbar und schlicht erlogen. Hinter der Motivation der „aggressiven Polizei-Taktik“ vermutet die Initiative vor allem zwei Gründe:

„Erstens; parallel zu unserer Demonstration fand ein G7-Außenminister-Treffen in Berlin statt, bei dem auch der türkische Außenminister anwesend war. Wie in den Medien breit zu vernehmen war, ist der türkische Staat verstimmt, da Schweden und Finnland in die NATO aufgenommen werden sollen. Anscheinend soll im Gegenzug dafür legitimiert werden, dass sie den Angriff auf Südkurdistan nun auf Nord- und Ostsyrien (Rojava) ausweiten. Die Gewalt auf unserer Demonstration stellte somit ein Zeichen des ‚guten Willens‘ von Seiten des deutschen Staates an den türkischen Außenminister dar.

Zweitens; hat die PKK am 11. Mai bekannt gegeben, dass sie gegen ihre Illegalisierung in Deutschland vorgehen wird. Auch das dürfte bei der türkischen Regierung für Unmut gesorgt haben. Dies könnte ein weiterer Anlass sein, die Türkei zu beschwichtigen und zu zeigen, dass man weiterhin radikal gegen ‚die Kurden‘ kämpfe. Es soll auch ein Bild in der deutschen Gesellschaft vermittelt werden, dass ,die Kurden' weiterhin gefährlich seien.“

Weitere Hinweise für die politische Motivation der Repression habe der viel zitierte Polizeisprecher Martin Halweg gegeben. „Nichts“ habe er zum Anlass und die Hintergründe der Demonstration gegenüber der Presse sagen können. Auch den Namen der Demonstration „Defend Kurdistan“ habe Halweg augenscheinlich zu kompliziert empfunden, sodass er einfach eigene Inhalte erfand. „Das Verschweigen der Inhalte der Demonstration verstehen wir als politische Positionierung der Polizei, die sich hier abermals zum Gehilfen Erdoğans macht. Der Pressesprecher deutete im selben Interview an, dass es keinen Angriffskrieg des türkischen Staates gebe, es handle sich vielmehr um einen ethnischen Konflikt. Da keine weiteren Informationen genannt werden, impliziert dies auch, dass in diesem Konflikt die Schuld gleich verteilt sei.“

Antikurdischer Rassismus

Weiter erklärt die Initiative: „Vieles von dem, was wir am 14. Mai erlebt haben, lässt sich auch unter dem Stichwort antikurdischer Rassismus zusammenfassen. Die gezielten Kontrollen kurdischer Menschen, das Totschweigen von Inhalten, die Weigerung, die Türkei als Aggressor anzuerkennen und zu benennen, sowie die gezielte Repression gegen die kurdische Gesellschaft auch hier stellen die staatlich getragene Diskriminierung einer Ethnie dar. Gezielt greift der Staat in den Momenten an, in denen sich der Kampf der kurdischen Gesellschaft mit dem von anderen Völkern solidarisiert, wie wir es am 14. Mai gesehen haben. Es waren viele Internationalist:innen, palästinensische, armenische, baskische, türkische und arabische Freund:innen vor Ort.“

Forderungen von Defend Kurdistan

„Zum Abschluss unseres Statements möchten wir unsere Forderungen in Bezug auf die Polizeigewalt festhalten. Denn durch die Fokussierung auf die Polizeigewalt darf unser ursprüngliches Anliegen nicht aus den Augen verloren werden:

Die Doppelmoral, den russischen Angriffskrieg aufs schärfste zu verurteilen und gleichzeitig den Angriffskrieg der Türkei zu unterstützen, muss aufhören!

Wir fordern einen Stopp aller Waffenlieferungen in die Türkei und einen Abbruch der diplomatischen Beziehungen zum türkischen Staat unter Erdoğan.“