Bürgermeister verhaftet, Rathaus usurpiert

Der Bürgermeister des Istanbuler Stadtbezirks Esenyurt, Ahmet Özer (CHP), ist als angebliches Mitglied einer Terrororganisation verhaftet worden. Dem sechzigjährigen Kurden werden Verbindungen zur PKK vorgeworfen.

CHP-Politiker Ahmet Özer

Der am Mittwochmorgen festgenommene Bürgermeister des Istanbuler Stadtbezirks Esenyurt, Ahmet Özer (CHP), ist als angebliches Mitglied einer Terrororganisation verhaftet worden. Das Rathaus von Esenyurt wurde unter Zwangsverwaltung gestellt. Das türkische Innenministerium enthob Özer des Amtes und ernannte den stellvertretenden Gouverneur von Istanbul, Can Aksoy, zum Treuhänder.

Ahmet Özer stammt aus Wan (tr. Van) und wurde bei den Kommunalwahlen im März 2024 als Kandidat der CHP mit großer Mehrheit zum Bürgermeister gewählt. Dem sechzigjährigen Wissenschaftler und Politiker werden Verbindungen zur PKK vorgeworfen. Er selbst bestreitet die Anschuldigungen und sagte vor dem Ermittlungsrichter: „Ich bin seit sieben Monaten erfolgreich im Amt des Bürgermeisters, es wird eine politische Ausrichtung vorgenommen, der Wille des Volkes wird usurpiert.“ Er habe keinerlei Verbindung zu irgendeiner verbotenen Organisation, das Verfahren gegen ihn sei eindeutig politisch motiviert.

Die Istanbuler Generalstaatsanwaltschaft wirft dem Bürgermeister unter anderem vor, in den vergangenen zehn Jahren vierzehn Mal mit Remzi Kartal, dem Ko-Vorsitzenden von Kongra-Gel, gesprochen zu haben. Kartal stammt ebenfalls aus Wan und war früher Parlamentsabgeordneter, heute lebt er im Exil in Belgien, wo er 2017 Ziel eines Mordversuchs war. Özer erklärte vor Gericht, dass er und Kartal demselben Stamm angehören und er keinen Kontakt mehr zu ihm habe, seit dieser ins Ausland gegangen sei. Er habe allerdings seine in Wan lebende Familie anlässlich eines Trauerfalls besucht, das sei eine legale menschliche Handlung gewesen.

Ein weiterer Vorwurf ist die Ausrichtung eines Konzerts in Esenyurt, bei dem unter anderem die kurdische Musikerin Rojda aufgetreten ist. Bei dem Konzert sollen einzelne Personen Parolen für Abdullah Öcalan gerufen haben. Özer sagte, dass an der Veranstaltung Zehntausende Menschen teilgenommen haben und er nicht habe verfolgen können, wer was gerufen habe. „Ich weise sämtliche Anschuldigungen zurück“, betonte der CHP-Politiker.

Sowohl die CHP als auch die DEM-Partei protestieren seit gestern gegen die Verhaftung, in Istanbul werden heute weitere Protestaktionen erwartet. Ahmet Özer ist der zweite Bürgermeister in der Türkei, der seit den Kommunalwahlen am 31. März verhaftet wurde. Anfang Juni war der Ko-Bürgermeister von Colemêrg (Hakkari) vom Innenministerium abgesetzt und in einem politischen Prozess zu fast zwanzig Jahren Haft verurteilt worden.