Die Sehnsucht nach Efrîn

Die beiden Musiker Welat und Xelîl Xilo stammen aus Efrîn. Die Brüder drücken ihre Sehnsucht nach der Heimat, aus der sie vertrieben wurden, in ihren Liedern aus.

Kurdische Musiker in Şehba

Im nordsyrischen Kanton Efrîn-Şehba leben weit über 100.000 Binnenflüchtlinge aus Efrîn. Sie bleiben in der Region, denn sie sind entschlossen, nach der Befreiung von Efrîn aus türkischer Gewaltherrschaft wieder dorthin zurückzukehren, von wo sie von der Besatzungsarmee und ihren dschihadistischen Söldnern vertrieben worden waren. Zwei von ihnen sind die Welat Mihemed Xilo (34) und Xelîl Mihemed Xilo (40). Für sie sind die Bedingungen auf der Flucht besonders schwer, denn beide sind von Geburt an blind. Schon von klein auf beschäftigten sie sich mit Kunst und Kultur, insbesondere mit dem Gesang. Die beiden aus dem Dorf Kefer Sefrê in Efrîn-Cindirês stammenden Geschwister sind seit 2017 in der Kunst und Kulturbewegung TEV-ÇAND aktiv. Nach der Besetzung von Efrîn sind sie durch Clips wie „Dagirker“ („Besatzer“), „Tu Ji Dilê Min Nêzîktir e“ („Du bist meinem Herzen nah“) und „Ax Gûndê Min“ („Ach, mein Dorf“) berühmt geworden. Das Lied „Hawara Bira“ wird demnächst als Musikvideo veröffentlicht.
 

 

Mit kurdischer Musik aufgewachsen

Im ANF-Gespräch berichteten sie über ihre musikalische Entwicklung: „Da uns die Fähigkeit fehlte, mit den Augen zu sehen, bekamen Geräusche eine besondere Bedeutung für uns. Wir konnten nicht sehen, aber wir konnten hören. Wenn meine Mutter arbeitete, spielte sie uns Lieder vor. Wir sind mit Liedern aufgewachsen sind. Meine Mutter legte Kassetten von Bavê Selah und Cemil Horo ein, und wenn sie mit ihrer Arbeit fertig war, waren die Kassetten zu Ende. Wir sind mit den Stimmen von Bavê Selah und Cemil Horo aufgewachsen. Ich war damals etwa zehn Jahre alt und mein Bruder Xelîl war ungefähr 16."

Welat machte seinen Abschluss an der Fakultät für Bildende Künste in Aleppo und ermutigte seinen älteren Bruder Xelîl, sich ebenfalls der Kunst zu widmen. Welat erhielt eine musikalische Ausbildung, um seine Stimme richtig und effizient einzusetzen, und schloss sich 2017 zusammen mit Xelîl TEV-ÇAND an. Welat unterstrich, dass sich sein Interesse an der Musik mit der Unterstützung seiner Familie entwickelt habe: „Ich stand am 1. August 2014 zum ersten Mal auf der Bühne, und mein Bruder kam zwei Wochen später in die Gruppe. Beim ersten Mal auf einer Bühne machte ich mir Sorgen, ob ich es schaffen würde. Ich habe meine erste Auftritte erfolgreich absolviert. 2017 haben wir dann an den Aktivitäten von TEV-ÇAND teilgenommen.“

Das Auge unseres Herzens reicht aus“

In Efrîn-Şehba treten die beiden Brüder mit Koma Engîzek auf. Welat erzählte: „Dass wir nicht sehen können, hat keine Auswirkungen auf unser Leben. Das Auge unseres Herzens, unsere Gefühle reichen aus, um unser Leben zu führen. Wir mögen nicht sehen können, aber wir sind fähig, uns auf der Grundlage unserer Gefühle zu bewegen. Wir sehen kein Licht, wir leben in der Dunkelheit, aber wir können etwas schaffen. Wir können nicht sehen, aber wir schaffen Kunst. Es gibt nichts Ehrenvolleres und Glücklicheres, als unserem Volk zu dienen. Es genügt, wenn wir uns an kulturellen und künstlerischen Aktivitäten beteiligen. Wir leisten in wechselseitiger Solidarität mit der Gesellschaft unseren Beitrag.“

Die Besatzung erschwert das Leben“

Die Flucht für die Brüder aus Efrîn war schwer und das Überleben unter den Bedingungen des Exils sind nicht einfach. Aber dennoch gelang es den Brüdern, ihr künstlerisches Leben fortzusetzen. Welat Xîlo erinnerte an die Flucht und die erste Zeit: „Wir lebten ein glückliches Leben auf unserem Land. Wir waren an Efrîn gewöhnt und es war nicht leicht, sich von dem Ort zu trennen, an dem wir aufgewachsen waren. Wir konnten uns ohne Probleme bewegen. Für blinde Menschen ist es schwieriger, sich von den gewohnten Orten zu trennen. Wir wussten, wo und wie wir uns bewegen konnten, wir hatten unsere eigenen Markierungen. Unsere Bewegungsfreiheit war nicht eingeschränkt. Nach unserer Ankunft in Şehba konnten wir uns lange Zeit nicht eingewöhnen, denn es geht nichts über die eigene Heimat und das eigene Dorf. Wir leben immer in der Sehnsucht nach Efrîn, wir wissen, dass wir eines Tages dorthin zurückkehren werden, und wir leben mit dieser Hoffnung. So wie ein Mensch nicht ohne Brot und Wasser leben kann, kann er auch nicht ohne sein Land leben. Unsere Liebe zu unserem Land ist für uns zu einer Hoffnung und einem Lebensatem geworden.“

Wir werden die Luft von Efrîn wieder atmen“

Zu ihrer weiteren Entwicklung sagte Xelîl, dass er nur singe, während Welat unterstrich, dass er sich in Richtung Musikinstrumente weiterentwickeln wolle: „Ich spiele die Darbuka, aber ich interessiere mich auch für alle anderen Musikinstrumente. Einer meiner Träume ist es, mich auf die Orgel zu spezialisieren. Wie alle aus Efrîn warten auch wir darauf, auf unser Land zurückzukehren. Egal, was passiert, eines Tages werden wir die Luft von Efrîn wieder atmen und unser Leben dort fortsetzen, wo wir aufgehört haben.“