Kampfflugzeuge gegen ein Flüchtlingslager

Nach den Invasionsdrohungen gegen Nord- und Ostsyrien wurden das-Flüchtlingslager Mexmûr und Şengal in Südkurdistan mit Kampfflugzeugen angegriffen.

Die türkische Luftwaffe hat gestern Nacht einen Angriff gegen das Flüchtlingslager Mexmûr geflogen. Vier Frauen wurden dabei getötet: Eine Mutter, ihre Tochter und ihr Enkelkind, darüber hinaus eine Besucherin der Familie.

Bisher habe ich kaum ein anderes Beispiel eines Luftangriffs auf ein Flüchtlingslager finden können. 1982 verübte Israel gemeinsam mit verbündeten Milizen die Massaker von Sabra und Schatila. Abgesehen davon gibt es kein Beispiel vom Einsatz von Kampfflugzeugen gegen Flüchtlingslager.

Der türkische Staat hat seit vergangenem Jahr zweimal das Flüchtlingslager Mexmûr mit Kampfflugzeugen angegriffen. Bei beiden Angriffen starben Zivilist*innen und Mitglieder der Selbstverteidigungseinheiten von Mexmûr.

Das Mexmûr-Camp befindet sich seit 1998 unter UN-Kontrolle. Die Bewohner*innen des Camps kommen aus Nordkurdistan, aus Colemêrg (Hakkari), Şirnex (Şırnak) und Wan. Sie kamen aus dem Dörfern Hilal, Mijin, Gundik Remo, Spindarok, Gundikê Melê, Nirevh und einigen Dörfern in Cizîr (Cizre). Sie haben sich ein neues Leben in dem Lager aufgebaut. Die Bevölkerung von Mexmûr besteht aus Menschen, die sich geweigert haben, als Dorfschützer für den türkischen Staats tätig zu werden. Ihre Dörfer wurden niedergebrannt und zerstört. Jede Familie hat mindestens einen Toten durch den türkischen Staat zu beklagen. Daher wurde Mexmûr von der Türkei nicht willkürlich als Angriffsziel ausgewählt.

Warum schweigen die UN, die internationalen Mächte und die USA?

Es gab bisher keine internationale Reaktion auf den Angriff gegen das seit zwanzig Jahren unter UN-Kontrolle stehende Camp. Das Schweigen zu dem Angriff, obwohl es sich doch um ein Camp unter UN-Kontrolle handelt, macht die Bewohnerinnen und Bewohner noch wütender. Die UN sind verantwortlich für das Camp und es wäre ihre Verpflichtung, Haltung gegen diesen Angriff zu beziehen. Neben den UN müssen sich auch die irakische Zentralregierung und die südkurdische Regionalregierung positionieren. Ihr Schweigen wird von der Bevölkerung als Komplizenschaft mit den Angreifern ausgelegt.

Die Bevölkerung ist wütend

Die Menschen im Camp reagieren wütend auf diese Haltung und sagen: „Wenn ihr dem nicht zugestimmt habt, warum sagt ihr dann nichts? Dass ihr den Angriff nicht verurteilt, weckt bei uns den Verdacht, dass ihr ihn erlaubt habt. Wir sind vor der Unterdrückung, der Grausamkeit und der Folter des türkischen Staats geflohen. Der türkische Staat hat unsere Dörfer, unsere Häuser niedergebrannt und unseren Besitz an sich genommen. Dazu habt ihr nichts gesagt, und jetzt wollt ihr auch zu unserer Ermordung schweigen?“

Die Worte der irakischen Delegation sind wie ein Geständnis

Etwa eine halbe Stunde nach dem Angriff besuchte eine Delegation der irakischen Hashd al-Shaabi das Camp. Die schiitische Miliz ist offiziell in die irakischen Streitkräfte integriert. Die Delegation begutachtete die Bombenschäden und erklärte, als sie feststellte, dass es sich bei den Todesopfern um Zivilistinnen handelt: „So eine Grausamkeit darf nicht geschehen.“ Zugleich kommentierte sie die Einschlagstelle mit den Worten: „Normalerweise hätte diese Stelle nicht bombardiert werden dürfen, sie hatten gesagt, dass sie einen Ort weiter weg treffen wollten.“ Dies zeigt deutlich, dass die irakische Armee von dem bevorstehenden Angriff des türkischen Staates gewusst hat.

Die Bedeutung des Angriffs auf Şengal

Gleichzeitig zum Angriff auf Mexmûr wurde auch Şengal angegriffen. Der Angriff fand am Vorabend des Êzî-Festes statt. Die Menschen waren mit den Vorbereitungen der Feierlichkeiten beschäftigt, als die Bomben einschlugen. Der Angriff zeigt erneut den Hass des Erdoğan-Regimes auf die Ezid*innen und deutet darauf hin, dass die Türkei das vollenden will, was der IS nicht geschafft hat.

Die ersten Orte, gegen die sich der IS nach der Übernahme von Mosul richtete, waren Mexmûr und Şengal. Es ist weltweit bekannt, dass beide Orte vor dem IS von der kurdischen Guerilla verteidigt worden sind. Die beiden Ziele zeigen, dass Erdoğan die Angriffe angeordnet hat, um für den Widerstand gegen den IS Rache zu nehmen.

Die Verantwortung der USA und der internationalen Koalition

Die Angriffe auf Mexmûr und Şengal sind vollkommen unter der Verantwortung der internationalen Koalition geschehen. Der Luftraum im Irak befindet sich seit 2003 unter der Kontrolle der USA und der internationalen Koalition. Ohne das Wissen der USA und der internationalen Koalition kann kein Angriff im irakischen Luftraum stattfinden. Der türkische Staat bombardiert seit 2007 mit Hilfe der Aufnahmen US-amerikanischer Heron-Drohnen die Berge Südkurdistans. Bis heute wurden bei den Angriffen Dutzende Menschen getötet. In den vergangenen zwei Jahren hat es immer mehr Angriffe in der Umgebung von Dörfern, Städten und Siedlungen sowie auf Şengal und Mexmûr gegeben. Keiner dieser Angriffe wurde ohne das Wissen der USA und der internationalen Koalition durchgeführt. Eines dieser Massaker war der Angriff auf den Karaçox in Rojava und auf Şengal, später wurde der ezidische Vertreter Zekî Şengalî auf dem Şengal getötet, als er von einer Gedenkveranstaltung zum IS-Massaker in Koço zurückkehrte. Die Verantwortlichen der USA erklärten zu diesen Angriffen der Türkei, sie hätten davon zwar gewusst, aber keine Informationen zu Ziel und Zeitpunkt gehabt. Diese Erklärungen der USA stellen eine vollständige Verdrehung der Tatsachen dar. So können die Flugzeuge der Türkei gar keine Angriffe fliegen, ohne den Ort und die Zeit den USA und der internationalen Koalition mitzuteilen. Es ist nicht einmal möglich, in den irakischen Luftraum einzufliegen, ohne die USA und die internationale Koalition über Zeitpunkt und Ziel zu informieren.

Demnach können die Angriffe gestern auf Mexmûr und Şengal nicht ohne Einwilligung der USA geschehen sein und es ist sicher nicht falsch anzunehmen, dass die USA, wenn vielleicht auch nicht offen, an der Planung beteiligt waren. Diese Entscheidung ist nicht unabhängig von der Fahndungsentscheidung der USA gegen drei Führungskader der kurdischen Freiheitsbewegung zu betrachten. Es handelt sich um einen Teil der Entscheidung. Mit diesen Angriffen sollen alle Kreise, die sich mit Öcalan, der Bewegung und dem Kampf verbunden fühlen, eingeschüchtert und von der Bewegung getrennt werden.

Die Türkei wird ihr Ziel nicht erreichen

Der Plan der Türkei und der USA greift jedoch nicht. Das hat die Reaktion der Menschen von Mexmûr deutlich gezeigt. Direkt nach den Angriffen strömte die Bevölkerung auf die Plätze, rief Parolen und zeigte ihre Wut. Sie setzte ein deutliches Zeichen, dass diese Pläne nicht aufgehen können. Statt sich zu entfernen, fühlen sie sich noch stärker mit der kurdischen Freiheitsbewegung verbunden. Auch in vielen europäischen Ländern gingen die Menschen auf die Straßen, um gegen diese Massaker zu protestieren, ihre Verbundenheit mit der kurdischen Freiheitsbewegung und ihrer Führung zu zeigen. Auch hier wurde bewiesen, dass die USA und die Türkei ihre Ziele niemals erreichen können.