Ezidische Frau in Delmenhorst ermordet

„Dieser Feminizid verdeutlicht einmal mehr, dass es noch dringender geworden ist, den sozialen Kampf gegen Gewalt an Frauen zu verstärken”, erklären UTAMARA und SMJE nach dem Mord an der Delmenhorster Ezidin Seda Ibrahim. Der Täter ist ihr Ehemann.

Ein Mann hat am vorletzten Sonntagabend (3. Oktober) in einer Gaststätte in Delmenhorst einen anderen Mann mit einem Messer erstochen und in einem Wohnhaus eine Frau verletzt. Nachdem die 27-jährige Mutter von drei Kindern zunächst nicht mehr in Lebensgefahr schwebte, ist sie zwei Tage später in einem Krankenhaus verstorben. Bei der Toten handelt es sich um die Ezidin Seda Ibrahim. Ihr Mörder soll ihr Ehemann sein, der 34-jährige Barzan Haji. Er wurde noch in der Nacht nach der Tat in Bremen-Gröpelingen festgenommen und in Untersuchungshaft genommen. Auch ein mutmaßlicher Gehilfe wurde verhaftet.

Die Frauenbegegnungsstätte UTAMARA im rheinland-pfälzischen Kasbach-Ohlenberg und der Dachverband des Ezidischen Frauenrats (SMJE) in Löhne sind entsetzt über den Femizid an Seda Ibrahim. „Wir sind mit der Tatsache konfrontiert, dass die Gewalt gegen Frauen und die Massaker an Frauen von Tag zu Tag zunehmen. Das Rechtssystem schützt Frauen nicht, im Gegenteil; es legitimiert Gewalt gegen Frauen durch die Anwendung des soziokulturell verankerten patriarchalen Rechts in Staat und Gesellschaft. Die reaktionäre, von Männern dominierte Mentalität, durch die sie sich erlauben, Frauen aller Art Böses anzutun, hat zum Verlust einer weiteren Frau in unserer Gesellschaft geführt. Diese Morde geschehen überall und auf unterschiedliche Art und Weise - unabhängig davon, woher Familie, Ehepartner, Bruder oder Vater kommen”, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme.

Kurz nach den Messerattacken teilte Barzan Haji ein Video auf seinem Facebook-Account, in dem er seine misogyne Mentalität verdeutlicht; er bereue nichts und sagt, dass seine Ehre gereinigt sei. „Dieser Feminizid verdeutlicht einmal mehr, dass es noch dringender geworden ist, den sozialen Kampf gegen Gewalt an Frauen zu verstärken”, unterstreichen UTAMARA und SMJE. Auch kritisieren sie, dass der Femizid an Seda Ibrahim in den Medien und Polizeimeldungen unter anderem durch die Begriffe „Bluttat“ und „Beziehungstat“ verharmlost wird. „Das Bekennervideo auf Facebook findet keinerlei Erwähnung in den Nachrichten, im Gegensatz zur Tatsache, dass Barzan H. zunächst für haftunfähig befunden wurde. Eine Haftunfähigkeitsbescheinigung ermöglicht solchen Tätern, sich der Verantwortung ihrer Handlungen zu entziehen. Und sie verdeutlichen, dass es möglich ist, in Deutschland Frauen mit Vorsatz zu töten und sich anschließend dem Strafverfolgungsprozess zu entziehen”, erklären die Frauenorganisationen.

Es sei wichtig, nicht zu schweigen und Gewalt gegen Frauen und Massaker an Frauen zu verurteilen; egal woher sie kommen, egal welche Identität und Überzeugungen sie haben, fordern UTAMARA und SMJE. „Die sexistische Sichtweise, die Femizide an Frauen noch immer als häusliches Problem sieht, erschwert den Überlebenskampf der Frauen zusätzlich und macht patriarchale Gewalt an Frauen zu einer Alltäglichkeit. Wir sind der Überzeugung, dass eine geschlechtergerechte Gesellschaft möglich ist und Diskriminierung aufgrund von Geschlecht beendet werden muss. Voraussetzung dafür sind demokratische Beziehungen, in denen die Frau als Individuum frei ist, gleiches gilt für den Mann.”  

Weiter heißt es: „Um eine freie Gesellschaft zu erreichen und mit den Problemen, mit denen wir auf dem Weg dahin konfrontiert sind, fertig zu werden, muss eine starke Solidarität entstehen, die wächst und sich teilt und weitere gemeinsame Kämpfe möglich macht. Dann werden wir erfolgreich sein und als Frauen die Welt zu einem lebenswerteren Ort machen.   

Als Frauenbegegnungsstätte UTAMARA e.V. und Dachverband des Ezidischen Frauenrates e.V. werden wir unsere seit Jahren andauernden Bemühungen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen weiter ausbauen, damit keine einzige weitere Frau ermordet wird. Wir empfinden Schmerz und verurteilen alle Morde an Frauen.

Wir sagen: Lassen Sie uns als Gesellschaft eine Haltung einnehmen und kämpfen, um Feminizide zu stoppen und unmöglich zu machen!”

Titelfoto: Mahnwache am Landgericht Göttingen im Gedenken an Besma A. |  Medienkollektiv Links unten Göttingen