EU-Parlament fordert sofortige Freilassung von Demirtaş

Das EU-Parlament hat von der Türkei die „sofortige und bedingungslose“ Freilassung des HDP-Politikers Selahattin Demirtaş gefordert. Andernfalls sei auch die Glaubwürdigkeit derzeitiger Bemühungen Ankaras um verbesserte Beziehungen zur EU fraglich.

Das EU-Parlament in Brüssel hat von der Türkei die „sofortige und bedingungslose“ Freilassung des kurdischen HDP-Politikers Selahattin Demirtaş gefordert. Im Einklang mit einem bestätigten Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) müssten alle Anklagepunkte gegen den 47-Jährigen sowie gegen die frühere Ko-Spitze Figen Yüksekdağ und die anderen inhaftierten HDP-Mitglieder fallengelassen werden, heißt es in einer am Donnerstag mit großer Mehrheit angenommenen Entschließung. Andernfalls sei auch die Glaubwürdigkeit derzeitiger Bemühungen Ankaras um verbesserte Beziehungen zur EU fraglich.

Der EGMR hatte die seit über vier Jahren andauernde Inhaftierung des früheren Ko-Vorsitzenden der Demokratischen Partei der Völker (HDP) bereits 2018 als rechtswidrig eingestuft. Im Dezember 2020 bestätigte die Große Kammer des Straßburger Gerichts dies, forderte erneut die Freilassung von Demirtaş und warf Ankara „mehrere Verstöße“ gegen die Europäische Menschenrechtskonvention vor.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte dem EGMR daraufhin „Scheinheiligkeit” vorgeworfen und das Urteil im Fall Demirtaş als „politisch“ motiviert bezeichnet. Dem HDP-Politiker drohen im Hauptverfahren unter sogenannten Terrorvorwürfen bis zu 142 Jahre Gefängnis – obwohl im Juni selbst das türkische Verfassungsgericht seine Inhaftierung als rechtswidrig eingestuft hatte. Die Anklage baut auf 31 Ermittlungsberichten auf, die dem türkischen Parlament während seiner Zeit als Abgeordneter zur Aufhebung der Immunität vorgelegt worden waren. Im „Kobanê-Verfahren” wird Demirtaş unter anderem 37-facher Mord im Zusammenhang mit den Kobanê-Protesten vor im Herbst 2014 vorgeworfen. Im selben Verfahren sind auch Figen Yüksekdağ sowie 106 weitere Politikerinnen und Politiker angeklagt.

Neben wachsender Kritik an der Lage der Menschenrechte in dem EU-Beitrittsland sind die Beziehungen zwischen Brüssel und Ankara auch wegen eine Reihe von Konflikten – Syrien, Libyen, Gas-Streit im östlichen Mittelmeer – stark angespannt. Zuletzt startete Ankara eine Charme-Offensive und näherte sich Europa an. Am Donnerstag begann der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu in Brüssel zweitägige Gespräche über eine Verbesserung der Beziehungen.

Das EU-Parlament nehme die von Präsident Erdogan zum Ausdruck gebrachte Absicht der Türkei zur Kenntnis, „eine neue Seite in ihren Beziehungen zur EU aufzuschlagen“, heißt es dazu in der Entschließung. „Die Achtung und Anwendung der Urteile des EGMR (wäre) ein wichtiger Schritt, um die Glaubwürdigkeit solcher Aussagen durch Tatsachen zu bestätigen.“

Auch die EU sei für einen Neuanfang offen, erklärten die Abgeordneten weiter. Voraussetzung für „bessere und vertiefte Beziehungen“ seien aber „spürbare Verbesserungen bei der Achtung der demokratischen Grundsätze, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte in der Türkei“. In der Zwischenzeit könne eine Anwendung des neuen Sanktionsrahmens der EU wegen „schwerer Menschenrechtsverletzungen, wie sie in der Türkei vorkommen,“ in Betracht gezogen werden.