Antalya: Wir sind die HDP, wir sind überall!

In der Küstenmetropole Antalya haben tausende Menschen Kriege, Krisen und Missstände angeprangert und ein Zeichen gesetzt gegen die völlige Entrechtung der Gesellschaft in der Türkei. Eingeladen hatte die HDP unter dem Motto „Aufruf zur Demokratie“.

In der südtürkischen Küstenmetropole Antalya sind am Sonntag tausende Menschen zusammengekommen, um Kriege, Krisen und Missstände anzuprangern und ein Zeichen zu setzen gegen Armut, Arbeitslosigkeit, Korruption, Rassismus, Femizide, Umweltzerstörung und die völlige Entrechtung der Gesellschaft. Eingeladen hatte die HDP anlässlich ihrer Kampagne „Wir sind die HDP, wir sind überall“. Es galt, einen öffentlichen „Aufruf zur Demokratie“ zu formulieren und die Entschlossenheit der HDP zu demonstrieren, den Sumpf des korrupten Establishments trocken zu legen, fasste der Ko-Parteivorsitzende Mithat Sancar zusammen.

Die Kundgebung fand auf dem Stadtplatz im Bezirk Kepez statt, gekommen waren neben lokalen Politikerinnen und Politikern der HDP, Parlamentsabgeordneten und Parteiratsmitgliedern aus Ankara auch abgesetzte Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aus kurdischen Städten. Unterstützung erhielt das Treffen zudem von den Parteien EMEP, CHP und TIP sowie zivilgesellschaftlichen Organisationen wie HDK, IHD, KESK und Religionsverbänden.

Wir wollen Verteilungsgerechtigkeit und einen sozialen Ausgleich

„Wir sind entschlossen, den Völkern dieses Landes ein würdevolles Leben zu ermöglichen, das sie verdienen“, sagte Mithat Sancar zu Beginn einer Ansprache. Unter der AKP-Regierung und der Herrschaft von Recep Tayyip Erdoğan sei die Türkei immer mehr abgedriftet in ein diktatorisch regiertes Land; die Demokratie sei „suspendiert“ und die Rechtsstaatlichkeit abgeschafft worden. „Wo aber Demokratie und Recht fehlen, ist weder ein gerechtes Wirtschaften noch ein Leben in Würde möglich. Wir wollen die Verteilungsgerechtigkeit und einen sozialen Ausgleich.“

Sancar gab einen kurzen Umriss über die derzeitige Lage in der Türkei, wo die Armut grassiert und Inflation auf einen neuen Rekord zusteuert. Fast die Hälfte der Jüngeren sind arbeitslos, Megaprojekte zerstören die Umwelt und verbrauchen die Ressourcen. Die politische Elite wirtschaftet in die eigene Tasche, täglich kommt es zu Frauenmorden, immer öfter begehen Menschen wegen Hunger und Armut Suizid. Doch statt Lösungen für die bestehenden Krisen zu finden, verursacht die türkische Regierung neue und tiefere Probleme. „Das Regime ist unfähig, die Krisen zu lösen, da seine Politik der Ursprung der heutigen Misere und Quelle der Krisen ist. Es ist die Mentalität der AKP, Probleme zu schaffen”, sagte Sancar.

Lange konnte die AKP die arme Bevölkerung mit militaristischen oder religiösen Parolen gegen vermeintliche innere und äußere Feinde mobilisieren, die laut Erdoğan verantwortlich seien für den wirtschaftlichen Zusammenbruch im Land. Auch jetzt wird wieder die Kriegskarte gespielt, die Führung in Ankara droht mit einem weiteren Angriffskrieg gegen die Autonomiegebiete von Nord- und Ostsyrien. Die von der AKP verursachte institutionelle, wirtschaftliche und gesellschaftliche Zerrüttung zu beheben sei aber ein gemeinsam auszutragender Kampf aller Kräfte, die sich für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit einsetzten. Deshalb brauche es ein geschlossenes Eintreten aller demokratischen Kräfte gegen Faschismus, Unterdrückung und Despotismus. „Wir werden mit Sicherheit gewinnen, niemand soll das anzweifeln“, sagte Sancar.

Appell an Opposition: Kein weiteres Kriegsmandat

An die Oppositionsparteien im Parlament appellierte der HDP-Politiker, dem von Erdoğan eingeforderten Kriegsmandat die rote Karte zu zeigen. Der AKP-Chef will das Mandat für Auslandseinsätze im Irak und Syrien um zwei Jahre verlängern lassen. Am Dienstag wird im türkischen Parlament für einen entsprechenden Antrag des Präsidialamtes votiert. Stimmen die Abgeordneten für die Mandatsverlängerung, wäre Erdoğan damit berechtigt, bis 2023 über „Grenze, Ausmaß, Menge und den Zeitpunkt“ der Entsendung von türkischen Truppen in die beiden Nachbarländer zu entscheiden, „um militärische Operationen und Interventionen durchzuführen, falls nötig“.