YJC: Türkei muss wegen Şengal-Genozid vor internationales Gericht

Im Bericht der Untersuchungskommission des Yazidi Justice Committee wird gefordert, die Türkei vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Beteiligung am Genozid an den Ezid:innen anzuklagen.

Das Anfang 2020 gegründete Yazidi Justice Committee (YJC) untersucht seit März 2020 den IS-Genozid an der ezidischen Bevölkerung in der Şengal-Region, in Syrien und im Irak. Am Mittwoch wird der Bericht des Komitees öffentlich vorgestellt. Laut einem Vorbericht des Guardian fordert das Komitee, die türkische Regierung für ihre Komplizenrolle bei dem IS-Genozid vor dem Internationalen Gerichtshof anzuklagen.

Drei Jahre Recherchearbeit

Dem 278 Seiten starken Bericht ging eine drei Jahre dauernde Untersuchung voraus. Das Komitee arbeitete in 13 Ländern, um die Dimension und die Beteiligung an dem Verbrechen aufzuklären.

Staaten sind für Genozid mitverantwortlich

Die bahnbrechende Studie, die von einer Gruppe prominenter Menschenrechtsanwält:innen verfasst wurde, soll die Verantwortung der Staaten hervorheben, Völkermord auf ihrem Territorium zu verhindern, auch wenn dieser von einer dritten Partei wie dem Islamischen Staat (IS) verübt wird.

Die YJC-Anwält:innen unterstreichen, dass die Staaten nach internationalem Recht dafür verantwortlich sind, das Verbrechen des Genozids gemäß der Völkermordkonvention zu verhindern. Der britische Rechtsanwalt Geoffrey Nice, Vorsitzender des YJC, bezeichnet den Genozid an den Ezid:innen als „mit Wahnsinn angereichertes Böses“. Er unterstreicht aber auch, dass vorhandene Mechanismen den Genozid hätten verhindern können.

Türkei bildete die Täter aus

Während andere Staaten vor allem durch ihr Nichthandeln mitverantwortlich gemacht werden, urteilen die Jurist:innen im Fall der Türkei besonders deutlich. Der Ausschuss wirft der türkischen Regierung vor, an den Massakern durch den IS mitschuldig zu sein, da sie es versäumt habe, ihre Grenzen zu überwachen, um den freien Zustrom von IS-Dschihadisten, darunter auch zahlreiche türkische Staatsangehörige, in die Region zu verhindern.

Das Komitee stellte fest, dass türkische Verantwortliche ab April 2014 den Verkauf, die Verschleppung und die Versklavung von ezidischen Frauen und Kindern ignorierten und dabei halfen, dem IS nahestehende Männer für den Kampf gegen die Selbstverwaltung in Rojava auszubilden. Durch dieses Vorgehen wurde der IS weiter gestärkt. „Die türkischen Regierungsverantwortlichen verschlossen willentlich die Augen vor der Tatsache, dass diese Personen ihr Training nutzen würden, um verbotene Akte gegen die Ezid:innen zu begehen.“ Im Bericht heißt es, es gebe in diesem Zusammenhang ähnliche Hinweise auf manche Golfstaaten, Katar eingeschlossen, es liege jedoch kein ausreichendes Beweismaterial vor.

Staaten müssen zur Verantwortung gezogen werden

Die Sprecherin der Initiative, Helena Kennedy, erklärte in ihrem gemeinsam mit Lord Alton verfassten Vorwort des Berichts, dass der Völkermord an den Ezid:innen straffrei bleibe und der IS als nichtstaatlicher Akteur nach internationalem Recht nicht belangt werden könne. Staaten seien jedoch „aus einer Vielzahl von unmenschlichen Gründen ihrer Verantwortung, den Völkermord zu verhindern, nicht nachgekommen“. Wenn diese nicht zur Rechenschaft gezogen werden, schrieb sie, „dann klingt das Versprechen des ‚Nie wieder‘ hohl“.

Komitee zur juristischen Verfolgung des Genozids

Das Yazidi Justice Committee (YJC) wurde Anfang 2020 als Ad-hoc-Gremium der folgenden Organisationen gegründet: Accountability Unit; Women for Justice; International Bar Association's Human Rights Institute (IBAHRI), Bar Human Rights Committee of England and Wales und Geoffrey Nice Foundation.

Das Hauptziel des YJC war es, festzustellen, ob die mutmaßlichen Verstöße gegen das Völkerrecht im Zusammenhang mit Völkermord vor ein Gericht gebracht werden können, damit die Staaten, die für die Begehung oder Nichtverhinderung des möglichen Völkermords an den Ezid:innen rechtlich verantwortlich sind, zusätzlich zu den Einzeltätern zur Rechenschaft gezogen werden können.