Wahlen in Syrien: Keine Urnen in Autonomiegebieten

Am Sonntag sollen in Syrien Parlamentswahlen stattfinden. Urnen in den Autonomiegebieten werden allerdings nicht aufgestellt. Assad müsse zuerst die Bereitschaft entwickeln, mit allen Komponenten des Landes an einer Lösung des Konflikts zu arbeiten.

Über neun Jahre dauert der Konflikt in Syrien bereits an. In dieser Zeit sind Schätzungen zufolge mindestens 500.000 Menschen ums Leben gekommen. Über zwölf Millionen Syrerinnen und Syrer wurden in die Flucht getrieben. Eine Lösung der Krise ist nicht in Sicht, der Wirtschaft droht der Zusammenbruch, immer mehr Menschen hungern und die Corona-Pandemie breitet sich weiter aus. Dennoch finden am Sonntag Parlamentswahlen in dem von Stellvertreterkriegen gebeutelten Land statt. In den Autonomiegebieten im Norden und Osten von Syrien werden allerdings keine Wahllokale geöffnet haben. „Urnen in unseren Regionen aufzustellen ergibt gar keinen Sinn“, sagte Luqman Ehmê als Sprecher der Autonomieverwaltung am Samstag in Qamişlo. „Baschar al-Assad muss zuerst die Bereitschaft entwickeln, sich mit allen Komponenten des Landes an einen Tisch zu setzen, um einen Dialog für eine substanzielle Lösung des Konflikts zu führen. Ohne allen Identitäten Syriens ihre grundlegenden Freiheits- und Gleichheitsrechte zuzugestehen, haben solche einseitigen Entscheidungen wie die morgigen Parlamentswahlen keine Bedeutung für uns“, fügte Ehmê hinzu.

Eigentlich waren die syrischen Parlamentswahlen für April 2020 vorgesehen. Wegen der Corona-Krise wurden sie zunächst auf Ende Mai und schließlich auf den 19. Juli verschoben – dem Jahrestag der Revolution von Rojava. Es sind die dritten Wahlen für ein neues Parlament in Damaskus seit März 2011, als der Aufstand in Syrien begann.

Luqman Ehmê

„Die Völker Syriens haben seit Ausbruch der Krise großes Leid erfahren”, so Ehmê. Das Land befinde sich seitdem in einer schier unendlichen Spirale der Gewalt und Unterdrückung, für Lösungsinitiativen der Autonomieverwaltung halte Damaskus seine Türen aber fest verschlossen, kritisiert der Politiker. Stattdessen beharre das Regime auf einer militärischen Lösung und sei somit verantwortlich für die Vertiefung und das langfristige Fortdauern der Syrienkrise. „Da helfen auch keine Parlamentswahlen“, sagt Ehmê.

Parlamentswahlen entscheidend für Assad

Für die Zukunft des syrischen Regimes werden die Parlamentswahlen am morgigen Sonntag wohl von entscheidender Bedeutung sein. Die Abgeordneten werden über die neue Verfassung entscheiden, die 2021 in Genf vom sogenannten Verfassungskomitee erarbeitet werden soll, in dem Vertreter des Regimes, der durch die Türkei gestützten vermeintlichen „Opposition“ und zivilgesellschaftliche Organisationen vertreten sind – die Selbstverwaltung ist nicht Bestandteil. Auch sind es die Parlamentsabgeordnete, die Kandidaten für die Präsidentschaftswahl im Mai 2021 nominieren, zu der Assad nach 21 Jahren an der Macht erneut antreten will.