„Verbote migrantischer Organisationen sind ein bedenklicher Weg”

Der Münchner Rechtsanwalt Mathes Breuer findet es bedenklich, dass die Kriminalisierung von Befreiungsbewegungen in Deutschland nicht beendet wird und immer mehr migrantische Organisationen verboten werden.

Der Münchner Rechtsanwalt Mathes Breuer hat sich in einem Interview mit dem „Volksrat der Aramäer aus Europa” zur Fahnenhysterie in deutschen Strafverfolgungsbehörden geäußert. Insbesonders die Justiz Bayerns hat ein offensichtliches Problem mit Symboliken, das sich nicht nur im Zusammenhang mit Aktivist*innen, die sich solidarisch mit dem kurdischen Freiheitskampf zeigen, bemerkbar macht. Auch Angehörige der aramäischen Minderheit, die sich in Deutschland für die Rechte der christlichen Volksgruppe in der Türkei einsetzen, finden sich immer häufiger vor Gericht wieder. In Augsburg laufen derzeit gleich mehrere Ermittlungsverfahren gegen Mitglieder der „Volksbewegung Revolutionäre Suryoye”.

„Das ganze ging los aufgrund einer Demonstration am 1. Mai 2018 in Augsburg. Der konkrete Anlass war wohl nur ein übermotivierter Staatsschutzbeamter in Augsburg, der eine Fahne der Kommunistischen Aramäer Mesopotamiens für eine Fahne der türkischen kommunistischen DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) hält. Die DHKP-C ist in Deutschland verboten. Man kann allerdings dieses Verfahren nicht von den anderen Verfahren trennen, in denen migrantische Kommunist*innen und Linke verfolgt werden. So wurde in den letzten Jahren auch die Verfolgung kurdischer Symbole immer mehr ausgebaut und der Prozess gegen türkische Kommunist*innen, denen eine Mitgliedschaft in der TKP/ML (Kommunistische Partei der Türkei/Marxistisch-Leninistisch) vorgeworfen wird, jährt sich bald zum vierten Mal. Anders ist der Aufwand, den die Polizei und Staatsanwaltschaft auch in diesem Verfahren betrieben haben, nicht zu erklären”, erklärt Breuer. Insgesamt gibt es etwa ein halbes Dutzend Angeklagter, die der Rechtswalt vertritt. Ihnen allen wird vorgeworfen, Symbole der DHKP-C gezeigt zu haben und damit gegen das Vereinsgesetz verstoßen zu haben.

Zwar sei die Verfolgung politischer Oppositioneller in Deutschland sicherlich nicht zu vergleichen mit einer Situation wie etwa in der Türkei, so der Jurist. Trotzdem erscheine es willkürlich und nur von politischen Interessen abhängig, welche Fahnen und Symbole verboten werden und welche nicht. „Innerhalb Deutschlands ist sicherlich Bayern das Bundesland, in dem die Kriminalisierung von ausländischen Freiheitsbewegungen am meisten ausgeprägt ist.”

Nach mehreren Strafbefehlen in Augsburg wegen angeblich verbotener Symbolik, die gar keine darstellte, wurde die Kriminalisierung aramäischer Aktivist*innen in Bayern noch einen Schritt ausgeweitet. Eine 38-Jährige erhielt im Februar wegen der Veröffentlichung von Beiträgen in Online-Netzwerken zur Lage in Nordsyrien nach der türkisch-dschihadistischen Invasion einen Strafbefehl in Höhe von 3.600 Euro. Der Vorwurf: Verstoß gegen das Vereinsgesetz. Zahlt sie nicht, drohen ersatzweise 90 Tage Gefängnis. Die Aktivistin hat Einspruch eingelegt, das Urteil steht noch aus.

Mathes Breuer erwartet insbesondere von der Augsburger Justiz, dass der Fall auf „rechtsstaatliche Art” aufgeklärt wird. Außerdem fordert der Rechtsanwalt, dass die Kriminalisierung von Befreiungsbewegungen ein Ende finden muss. Denn: „Immer mehr Verbote migrantischer Organisationen und ihrer Symbole sind ein bedenklicher Weg.”