Mögliche Szenarien für die Wahlen in der Türkei

Was passiert, wenn Erdoğan die Türkei-Wahl nicht gewinnt? Und was passiert, wenn er sie gewinnt?

In der Türkei und in Nordkurdistan finden heute vorgezogene Parlaments-und Präsidentschaftswahlen statt. Es ist das erste Mal in der Geschichte der türkischen Republik, dass beide Wahlen am selben Tag stattfinden. Für die Zukunft des Landes sind die Entscheidungen von großer Bedeutung. Auf der einen Seite stehen Faschismus, Unsicherheit und Chaos, auf der anderen Seite Demokratie und Hoffnung auf Frieden.

Für heute sind fünf Szenarien denkbar:

Erdoğans Triumph: Sollte Erdoğan die Präsidentschaftswahl in der ersten Runde gewinnen und die Mehrheit im Parlament erhalten, wäre der Wandel der Türkei in ein Ein-Mann-Regime besiegelt. In diesem Fall wird er von den erweiterten Befugnissen unter dem Präsidialsystem profitieren, das bei dem umstrittenen Verfassungsreferendum im April 2017 mit knapper Mehrheit gebilligt worden war und nach der Wahl voll in Kraft tritt. Somit wird Erdoğan das Land in eine noch dunklere Zeit führen.  

Erdoğan muss in eine Stichwahl: Möglich ist auch, dass Erdoğan in der ersten Runde die absolute Mehrheit verfehlt. In diesem Fall muss er am 8. Juli in die Stichwahl. Sollte es in so einem Fall dem/der Zweitplatzierten gelingen, die gesamte Opposition hinter sich zu versammeln, wird es eng werden für Erdoğan. Umfragen haben gezeigt, dass dieses Szenario bevorzugt wird.

Pyrrhussieg: Ein Pyrrhussieg ist ein halber Sieg. In diesem Fall wird Erdoğan im Amt bestätigt werden, seine Partei AKP jedoch die absolute Mehrheit im Parlament verlieren. Dies wäre ein harter Schlag für Erdoğan, da er dann beim Haushalt etwa mit der Opposition kooperieren muss. Zwar kann Erdoğan per Dekret ohne Zustimmung des Parlaments regieren, das Parlament hat in dem Fall allerdings die Macht, Gesetze zu erlassen, die diese Dekrete wieder ungültig machen. In diesem Fall sind Neuwahlen wahrscheinlich.

Die Opposition gewinnt: Sollte dieser Fall eintreten, wird Erdoğan die Präsidentschaftswahlen und die AKP die Mehrheit im Parlament verlieren. Dieses Ergebnis würde bedeuten, dass die Wunschvorstellung der Opposition Realität wird. Andererseits birgt es auch große Gefahren: Erdoğan wird einen tiefgreifenden Kurswechsel in der Türkei nicht hinnehmen und eine neue, chaotische Ära einleiten.

Manipulierte Wahl: Dies ist das Szenario, das die Opposition am meisten beunruhigt und leider immer mehr an Bedeutung gewinnt. Bereits der Wahlkampf konnte nicht in einem fairen und transparenten Umfeld durchgeführt werden. Die großen Medienanstalten, Staatsbedienstete, der Sicherheitsapparat und die Justiz haben Partei für Erdoğan und seine AKP ergriffen. Vor allem in den kurdischen Städten, die das Schicksal der Wahlen bestimmen werden, waren die Vorbereitungen für Wahlbetrug bereits früh im Gange. Die bis jetzt offensichtlichste Betrugsvorbereitung stellte die Verlegung der Wahlurnen und Zusammenlegung der Wahllokale dar. Aus diesem Grund ist das Szenario einer manipulierten Wahl möglich. Sollte es sich bewahrheiten, erwartet die Türkei erneut Unsicherheit und Chaos.