„Kurdistan und kurdische Sprache sind Grundrecht“

Mehmet Arak, Mitglied der Kommission für kurdische Sprache der Anwaltskammer in Amed, betont, die Benutzung des Begriffes Kurdistan und der kurdischen Sprache sei Ausdruck einer Realität und ein Teil des Grundrechts auf Meinungsfreiheit.

Mehmet Arak ist Mitglied der Kommission für kurdische Sprache der Anwaltskammer in Amed (tr. Diyarbakır). Es sei unmöglich, die Realität Kurdistans und der kurdischen Sprache zu zerstören, „denn es gibt einen Kampf, die kurdische Kultur, die Sprache und alle ihre Werte zu schützen, und ein Volk, das sich der Unterdrückung nicht unterwirft“, betont er.


Seine Äußerungen spielen auf die Kriminalisierung des Begriffs „Kurdistan“ und der kurdischen Sprache an. Zuletzt war der Händler Cemil Taşkesen aus Sêrt wegen seiner Äußerung „Hier ist Kurdistan“ gegenüber der Vorsitzenden der IYI-Partei Meral Akşener festgenommen worden. Außerdem wurde der Lehrbeauftrage Hifzullah Kutum wegen des kurdischen Posts Şoreşa Îlonê hemû Kurdan pîroz be. Bijî Kurdistan! (Ich gratuliere allen Kurd:innen zur September-Revolution. Es lebe Kurdistan!) vom Direktor der Fırat-Universität entlassen und anschließend wegen „Propaganda für eine Terrororganisation“ inhaftiert. Erst auf Widerspruch seiner Anwält:innen wurde er nach einer Woche wieder entlassen.

Die Erwähnung von „Kurdistan“ rief sogar den türkischen Verteidigungsminister Hulusi Akar (AKP) auf den Plan, der erklärte: „Einen Ort, der Kurdistan heißt, gibt es nicht.“

Der Begriff ‚Kurdistan‘ kann kein Straftatbestand sein“

Im ANF-Gespräch äußert sich der Anwalt Mehmet Arak zur Unterdrückung der kurdischen Sprache und des Begriffs Kurdistan. Er sieht dieses Vorgehen in der Tradition der seit Gründung der türkischen Republik bestehenden Politik der Verleugnung. Die Realität könne aber nicht verleugnet werden, erklärt Arak, „denn es gibt einen Kampf, der das Leben der kurdischen Sprache garantiert. Wir betrachten diesen Kampf, die kurdische Kultur, die Sprache und alle ihre Werte zu verteidigen als natürlichen Reflex gegenüber der Politik der Verleugnung und Vernichtung. Es gibt ein Volk, das sich nicht der Tyrannei unterwirft. Denn wann wurde damit begonnen, es als ein Verbrechen zu betrachten, eine Region als Kurdistan zu definieren? In Artikel 26 der Verfassung und in ähnlichen Gesetzestextes sind solche Äußerungen als Teil der Meinungsfreiheit definiert. ‚Jeder hat das Recht, seine Gedanken und Meinungen individuell oder kollektiv durch Worte, Schriften, Bilder oder andere Mittel auszudrücken und zu verbreiten‘, heißt es im Gesetz.“

Sie können die Realität nicht verändern“

Arak betont, dass diese Problematik als Frage von Recht und Wahrheit betrachtet werden müsse: „So sehr solche Äußerungen nach dem Gesetz auch unter das Recht auf Meinungsfreiheit fallen, ist doch zu betonen, dass es sich auch um eine Beschreibung der Realität handelt. Selbst wenn sie (die türkischen Behörden) über die Gesetze hinweggehen, die Menschen inhaftieren oder festnehmen, können sie doch nicht die Realität ändern. Ein Satz wie ‚Hier ist Kurdistan‘ stellt auf keinen Fall einen Straftatbestand dar, es handelt sich um die Ausübung eines der grundlegendsten Rechte. Es ist rechtswidrig, dass diese Menschen verhaftet werden. Nach internationalen Übereinkommen ist sogar das eigentliche Verbrechen hier die Einschränkung der Meinungsfreiheit und das strafrechtliche Verfolgen der Ausübung dieses Grundrechts. Obwohl der Staat solche rechtswidrigen Entscheidungen trifft, um seine nationalistischen und rassistischen Anhänger zufriedenzustellen, kann er die Wahrheit der Existenz Kurdistans und der kurdischen Sprache nicht beseitigen.“

Kurdisch muss Amtssprache werden“

Arak fordert den Gebrauch der kurdischen Sprache in Behörden und Institutionen und führt aus: „Heute wird in allen Institutionen und Organisationen des Staates nur noch Türkisch gesprochen. Wenn jemand kein Türkisch kann, dann kann es sehr schwer sein, eine Lösung für Probleme zu finden. Der Grund, warum die kurdische Sprache in der Öffentlichkeit nicht weit verbreitet ist, liegt in der Häufigkeit der Angriffe. Infolgedessen ist die kurdische Sprache regelrecht in die Häuser eingesperrt. Nicht nur das, sondern auch das Fernsehen und ähnliche Massenmedien sind auf Türkisch. Die Menschen verlieren ihre Sensibilität für die Sprache auch zu Hause. Deshalb muss Kurdisch Amts- und Bildungssprache werden.“

Die Arbeit der Sprachkommission allein reicht nicht aus“

Arak schließt mit den Worten: „Als Kommission der Anwaltskammer Amed für kurdische Sprache haben wir natürlich daran gearbeitet, die kurdische Sprache zu entwickeln und ihre Legitimität auf juristischer Ebene zu wahren. Aber am Ende sind wir ein Berufsverband und eine Rechtsinstitution. Wir können nicht allein dafür kämpfen, dass Kurdisch Amtssprache wird und einen Platz in Institutionen und Organisationen findet. Die politischen Parteien, NGOs und Initiativen, ja alle müssen sich an dieser Arbeit beteiligen. Es muss Kampagnen und ähnliche strategische Arbeiten geben, welche die Öffentlichkeit erreichen. Wir versuchen, unseren Teil dazu beizutragen, aber das allein reicht nicht aus. Ich glaube, dass die Bemühungen eine Struktur aufzubauen, welche für die Legitimität der kurdischen Sprache eintritt und für diese kämpft, von Erfolg gekrönt sein werden.“