Katalonien erkennt Autonomieverwaltung von Nord- und Ostsyrien an

Die autonome Region Katalonien hat die Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien offiziell anerkannt. Das Parlament würdigte im Besonderen „das Potenzial des demokratischen Konföderalismus” als Lösung für Koexistenz im Nahen Osten.

Die autonome Region Katalonien hat die Autonomieverwaltung von Nord- und Ostsyrien offiziell anerkannt. Für eine entsprechende Resolution stimmten am Mittwoch 80 Abgeordnete, weitere 49 Mitglieder des katalanischen Parlaments – allesamt Abgeordnete der Mitte-Rechts-Parteien PP, Cs und VOX – waren dagegen. Damit erkennt erstmals ein Parlament die Selbstverwaltung beziehungsweise Rojava als „politisches Subjekt“ an – ein Novum und ein diplomatischer Durchbruch.

Eingebracht worden war der Resolutionsentwurf, der von den Regierungsparteien Escuerra Republicana und Junt Per Catalunya, der die Regierung tolerierenden Partei CUP und dem oppositionellen linken Bündnis Junt per Catalunya unter dem Titel „Kataloniens Engagement für den Wiederaufbau Kurdistans“ verfasst wurde, bereits am 19. Juli, dem Jahrestag der Rojava-Revolution. Darin wird insbesondere auf das Zusammenleben der unterschiedlichen ethnischen und weltanschaulichen Identitäten im basisdemokratischen Modell des demokratischen Konföderalismus hingewiesen. Dieses „friedliche, integrative und demokratische Modell“ habe „auf Grundlage von Kommunalismus, Feminismus und sozialer Ökologie das Potenzial, Koexistenz im Nahen und Mittleren Osten zu schaffen”, hob die Kammer vor der Abstimmung nochmals hervor. Die linke Politikerin Susana Segovia Sánchez sagte nach der Abstimmung: „Rojava ist eine Frauenrevolution, die das Patriarchat bekämpft und Frauen in den Mittelpunkt stellt. Die Kurd:innen sagen, dass ihre einzigen Freund:innen die Berge seien, aber von nun an wird auch das katalanische Volk zu ihren Freund:innen zählen.”

Mit der Anerkennung der Autonomieverwaltung schreibt das katalanische Parlament auch den Aufbau institutioneller und zivilgesellschaftlicher Verbindungen zwischen Katalonien und Nord- und Ostsyrien fest. Institutionen, NGOs sowie Bürgerinnen und Bürgerinnen werden aufgerufen, ein „Netzwerk der Solidarität“ zu fördern, um sich „geschwisterlich am Wiederaufbau der Region“ zu beteiligen. Vorgeschlagen wird zudem eine Initiative ähnlich wie ein Solidaritätsnetzwerk mit Bosnien in den neunziger Jahren für materiellen Wiederaufbau, die dauerhafte oder vorübergehende Aufnahme von Flüchtlingen, Städtepartnerschaften und bürgerschaftlichem Engagement. Dieser Punkt wurde von fast allen Fraktionen befürwortet: die rechtsextreme Vox lehnte ab, Cs und PP enthielten sich der Stimme.

Bevor der Entwurf im Plenum diskutiert wurde , empfing die Präsidentin des Parlaments, Laura Borràs , die kurdische Journalistin und Übersetzerin Amina Hussein.

Das Projekt Rojava

Am 19. Juli 2012 begann in Kobanê die Revolution von Rojava (Westkurdistan/Nordsyrien). Unter der Initiative des Volksrats Westkurdistan (MGRK) entmachtete die Bevölkerung das syrische Baath-Regime. Seitdem wird in Rojava die Demokratische Autonomie – eine nicht-staatliche Selbstverwaltung durch basisdemokratische Räte – praktiziert. Frauenorganisierung, Quotenregelungen und Ko-Vorsitze aus Frauen und Männern stellen in allen Institutionen die Gleichberechtigung der Geschlechter her und lösen patriarchale Strukturen auf. In der Selbstverwaltung sind alle Ethnien und Religionen gleichberechtigt. Mit dem Aufbau von Kooperativen wird ein gebrauchswertorientiertes, antikapitalistisches Wirtschaftsmodell angestrebt.