JXK/YXK: Universitätsleitung kooperiert mit türkischem Konsulat

Nach Angaben des AStA hat die Leitung der Frankfurter Goethe-Universität die Namen kurdischer Studierender angefordert, um sie an das türkische Konsulat weiterzugeben. Die Verbände JXK/YXK nehmen dazu Stellung.

Wie der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) öffentlich gemacht hat, hat die Leitung der Goethe-Universität in Frankreich die Offenlegung von Namen der Mitglieder des kurdischen Studierendenverbands YXK gefordert. Dies geschah laut AStA auf Anforderung des türkischen Generalkonsulats Frankfurt.

Die Studierendenverbände YXK und JXK haben zu diesem Vorfall Stellung bezogen und eigene Forderungen formuliert:

„Am 25. Oktober 2019 veranstalteten wir als JXK (Verband der Studierenden Frauen aus Kurdistan) und YXK (Verband der Studierenden aus Kurdistan) in Frankfurt einen Kennenlernabend. Diesen veranstalteten wir zu einer kritischen und schwierigen Zeit, in der der faschistische türkische Staat und seine dschihadistischen Banden in Rojava und ganz Kurdistan völkerrechtswidrig einmarschieren. Es finden Plünderungen, Vertreibungen, Verstümmelungen und Massaker an der Bevölkerung Rojavas/Nordsyriens statt. Auf der anderen Seite verfolgen wir die Entwicklungen in der Türkei seit vehementer Zeit, welche uns immer mehr in Sorge versetzt, da die politische Situation nicht nur an eine Diktatur erinnert, sondern de facto eine ist. Unter der faschistischen Führung der AKP/MHP, welche den islamisch-nationalistischen Block der Türkei bilden, wird Wissenschaft und Presse tagtäglich angegriffen und mundtot gemacht. Angesichts dessen können wir nicht mehr von unabhängigen Medien, geschweige denn von Pressefreiheit oder gar von freier Wissenschaft sprechen. Von hunderttausenden Bürger*innen auf freier und legitimer Basis gewählte Bürgermeister*innen in den kurdischen Regionen werden illegal abgesetzt, inhaftiert und durch Zwangsverwalter ersetzt. Dies geschieht, weil sich die abgesetzten Bürgermeister*innen für die Interessen und Bedürfnisse der kurdischen Bevölkerung und anderer Minderheiten einsetzen. Diese faschistische Politik gegenüber Kurd*innen, Armenier*innen, Assyrer*innen, Aramäer*innen und andersdenkenden Menschen hat in der Türkei eine lange, traurige und blutige Tradition.

In diesem Zusammenhang hat auch die Scheinheiligkeit, Trägheit und Doppelmoral internationaler staatlicher Akteure wie Deutschland, USA oder Russland eine Tradition. Eine Tradition, die darauf basiert, wenn es um die kurdische Frage geht, die drei Affen zu spielen und konstruktive Lösungen im Keim zu ersticken.

Aus diesem Grund ist es uns als kurdischen Studierenden wichtig, gerade in solchen Zeiten zusammenzuhalten, uns gegenseitig zu unterstützen und auf die politische Situation in Kurdistan aufmerksam zu machen. Als anzugehende Akademiker*innen aus Kurdistan sehen wir es als unsere Pflicht, die Öffentlichkeit darüber aufzuklären und zu sensibilisieren. Es ist nur menschlich und selbstverständlich, dass sich Menschen und Gruppen austauschen, sich kennenlernen und voneinander lernen. Das ist der Inbegriff der Universität und jeder Einschnitt bedeutet die Einschränkung der freien Meinungsäußerung bzw. Meinungsbildung, was somit gegen die Grundrechte der Menschen verstößt.

Unser Kennenlernabend am 25. Oktober 2019 diente genau dazu: Kurd*innen und alle Menschen, die sich für die Situation in Kurdistan interessieren, unseren Verband kennenlernen möchten, sollten auf diesem Wege soziale Kontakte knüpfen und sich mit uns über gesellschaftliche und kulturelle Themen austauschen können.

Nun mussten wir erfahren, dass Austausch, sozialer Kontakt und politische Selbstorganisierung an der Universität keine Selbstverständlichkeit für alle ist. Durch die Stellungnahme des AStA der Goethe-Universität mussten wir erfahren, dass die Universitätspräsidentin Birgitta Wolff zum wiederholten Mal versucht hat, die Namen der Veranstalter*innen unseres Kennenlernabends herauszufinden, um sie dann dem türkischen Generalkonsulat weiterzugeben. Wir verurteilen die Goethe-Universität und die Universitätspräsidentin Birgitta Wolff wegen der Zusammenarbeit mit dem türkischen Generalkonsulat auf das Schärfste! Dies ist ein Skandal, welchen wir nicht aufhören werden auf unsere Agenda zu setzen, bis die Goethe-Universität ihrerseits aufhört, Teil der Kriminalisierung und Verfolgung von Kurd*innen, Akademiker*innen und andersdenkenden Menschen zu sein, indem sie Informationen an das türkische Generalkonsulat übermittelt. Dies ist kein schlechter Krimi oder reine Satire, sondern ein wiederholter Einschüchterungsversuch seitens der Universitätsleitung und eine gezielte Stütze zur Kriminalisierung kurdischer Student*innen.

Wir haben das demokratische Recht, uns politisch auszudrücken und zu betätigen. Wir haben das Recht, unser Wissen mit anderen Menschen und Studierenden zu teilen. Wir haben das Recht, unsere Kultur auszuleben. Wir haben das Recht, unsere Sprache zu erlernen und anderen die Möglichkeit zu geben, Zugang zu ihrer eigenen Muttersprache bzw. der kurdischen Sprache zu bekommen. Wir haben das Recht auf kritische Meinungsäußerung, politische Partizipation und Organisierung. Wir würden diese Rechte gerne unversehrt und frei wahrnehmen, wie alle anderen Mitglieder und Hochschulgruppen der Goethe-Universität.

Durch solche rassistischen Verfolgungslisten macht sich die Universitätsleitung zum verlängerten Arm Erdogans und greift unsere Würde und Rechte an. Das ist nicht ihr Aufgaben- und Verantwortungsbereich! Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, dass die Universitätsleitung sich für die Rechte und Unversehrtheit ihrer Studierenden einsetzt, egal welcher Herkunft oder Glaubensgemeinschaft sie angehören. Wir wünschen uns, dass unsere Universität mit Menschen, Gruppen und Initiativen kooperiert, die für Demokratie, Geschlechterbefreiung, Ökologie und Frieden einstehen. Partnerschaften mit dem türkischen Generalkonsulat oder AKP-nahen Partneruniversitäten sind für eine sich als demokratisch begreifende Universität ein Skandal. Diese Institutionen stehen für undemokratische, militaristische, kolonialistische Positionen. (https://nopartnershipwithturkishfascismffm.art.blog/) Diese Partnerschaften müssen beendet werden. Absurde Verfolgung und Kriminalisierung müssen aufhören.

Wir fragen daher: Warum wird unsere Öffentlichkeitsarbeit zu den Kriegsverbrechen der Türkei gegen kurdische und andere Minderheiten, unsere Arbeit zur Aufrechterhaltung unserer Kultur, unsere Anstrengung für ein friedliches und demokratisches Miteinander kriminalisiert?

Wir wünschen uns eine Universität, in der wir demokratisch, friedlich und frei lernen, studieren und leben können. Das autoritäre und totalitäre Verhalten der Universitätspräsidentin gefährdet uns als Studierende. Viele unserer Mitglieder und Freund*innen können wegen ihres Engagements für die Rechte von Kurd*innen und ihrer demokratischen und antifaschistischen Haltung nicht mehr in die Türkei einreisen, da sie befürchten, bereits auf den Listen des türkischen Geheimdienstes gelandet zu sein. Vielen droht bei Einreise Gewalt und Verhaftung. Zudem gefährden solche Namenslisten unsere in der Türkei lebenden Familien und Freund*innen, da wir Sippenhaft befürchten müssen.

Die Wissenschaftler des Friedens in der Türkei sprachen sich 2016 gegen die Unterdrückung und Verfolgung, den Krieg und die Massaker des türkischen Staates gegen die kurdische Bevölkerung im Südosten der Türkei aus. Sie wollten nicht Teil der Verbrechen sein. Wir bitten die Universitätsleitung aufzuhören, die kurdischen Studierenden an der Goethe-Universität im Namen des türkischen Generalkonsulats zu verfolgen. Das sind skandalöse, aber vermeidbare Akte der Unterdrückung. Wir hoffen, dass die Universitätsleitung unsere Rechte auf demokratische Organisierung, kulturelles Leben und freien Wissensaustausch ernst nimmt und schützen wird. Wir hoffen, dass die Universitätsleitung ihren Pflichten, ein friedliches und humanes Klima für alle Studierenden zu schaffen, nachkommen wird.

Wir fordern daher:

- Schluss mit der Verfolgung von kurdischen und anderen Studierenden im Namen des türkischen Generalkonsulats!

- Schluss mit der Anfertigung von rassistischen Namenslisten!

- Schluss mit Partnerschaften mit (türkischen) undemokratischen und autoritären Institutionen!

- Ein friedliches, demokratisches und freies Lernumfeld!“