Gökay Akbulut: Wir sind uns einig, das PKK-Verbot muss aufgehoben werden

Die migrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Gökay Akbulut, hat eine kämpferische erste Legislaturperiode im Bundestag bestritten und wird am 26. September wieder kandidieren. Gegenüber ANF äußerte sie sich zu ihren Erfahrungen und Perspektiven.

Die Mannheimer Politikerin Gökay Akbulut wird am 26. September erneut bei der Wahl für den Bundestag antreten. Als migrationspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE hat sie bereits eine kämpferische erste Legislaturperiode bestritten und sich gegen Rassismus, Ausgrenzung und Abschottungspolitik eingesetzt und für ein Ende der Unterstützung des türkischen Faschismus durch die Bundesregierung und die Aufhebung des PKK-Verbots engagiert. Auch die Auseinandersetzung mit Racial Profiling durch die Polizei und andere Formen der Diskriminierung gehören zu Akbuluts Arbeitsschwerpunkten. Im ANF-Gespräch äußert sich die Abgeordnete zu ihren Erfahrungen in der letzten Legislatur und den Perspektiven für die kommende. Die Tochter einer migrantischen Arbeiterfamilie fordert die kurdische Community zur Wahl der Linken auf und erklärt: „Ich bin davon überzeugt, dass wir die richtige Wahl sind für alle Kurdinnen und Kurden in Deutschland, da nur wir uns entschieden gegen Repressionen gegen Kurden, kurdische Vereine und Initiativen in Deutschland einsetzen.“

Kampf für ein freies Leben ohne Diskriminierung und Rassismus

Könntest du dich und deine zentralen Anliegen einmal vorstellen?

Ich bin seit 2017 migrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, davor war ich Stadträtin im Gemeinderat in Mannheim und habe lange im Bildungsbereich gearbeitet. Die Deutschkurse für Kinder und Jugendliche, die noch nicht lange in Deutschland leben, liegen mir sehr am Herzen. Denn für eine gute Zukunft und echte Chancen brauchen alle Menschen Zugang zu guter Bildung- und Gleichberechtigung. Ob eingewandert oder nicht, alle Menschen müssen hier frei vor Diskriminierung und Rassismus gut und sicher leben. Dafür kämpfe ich.

Wie sind deine Erfahrungen mit den vergangenen vier Jahren Bundestagsarbeit, als Kurdin und als linke Politikerin?

Als Kurdin bin ich in unserer Fraktion richtig, denn nur die Linke spricht im Parlament die kurdische Frage konsequent an und kritisiert die Bundesregierung für ihre schmutzigen Deals mit Erdogan, der Kurdinnen und Kurden in Lebensgefahr bringt.

Du bist in dieser Legislatur migrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion gewesen. Was waren deine Arbeitsschwerpunkte in diesem Kontext?

Ich habe in meiner ersten Legislaturperiode als migrationspolitische Sprecherin verschiedene Arbeitsschwerpunkte bearbeitet. Es ging natürlich viel um die europäische „Migrations- bzw. Abschottungspolitik“, das Hotspotkonzept, die furchtbare Situation der Menschen in den Camps in Moria und das bewusste Sterben-Lassen bzw. die ausbleibende europäische Seenotrettung im Mittelmeer. All das ist Teil globaler Migration und so hat es mich schon seit Beginn meiner Zeit etwa mit der Einbringung eines Antrags zum UN-Migrationspakt beschäftigt. Zahlreiche Themen der Frage von Teilhabe von Menschen, die nach Deutschland migriert sind, waren fester Bestandteil meiner Arbeit. Ich habe mich für ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht, mehr Einbürgerungen und Einbürgerungserleichterungen sowie für die Ausweitung des Wahlrechts für alle eingesetzt. Außerdem kämpfe ich für ein Partizipationsgesetz auf Bundesebene sowie die Reformierung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), weil die Repräsentation der Menschen, die eine Migrationsgeschichte in Deutschland haben, nicht annähernd ausreichend abgedeckt ist. Daraus ergibt es sich, dass ich mich natürlich viel mit Diskriminierung und Rassismus beschäftigt habe. Gegen Racial Profiling und für eine Studie, die dies in der Polizei erforscht. Es gibt zahlreiche weitere Themen, die meine Aufmerksamkeit benötigen

Parlamentarisch Druck auf die Türkei aufbauen

Du arbeitest auch viel zur kurdischen Frage. Was waren die Hindernisse und die Erfolge, die du in diesem Zusammenhang in den letzten vier Jahren erlebt hast?

Mit unserer Fraktion bewirken wir, dass Anliegen der Kurdinnen und Kurden parlamentarisch und medial thematisiert werden. Das ist sehr wichtig, denn dadurch wird indirekt z.B. gegenüber der Türkei Druck ausgeübt und alle Aktivisten, die sich ebenfalls zur kurdischen Frage engagieren, werden unterstützt.

Besonders erleichtert war ich, als die Abschottung auf Imrali zumindest kurzzeitig unterbrochen und der Hungerstreik daraufhin beendet wurde. Wir haben uns mit parlamentarischen Initiativen und fraktionsübergreifenden Erklärungen dafür eingesetzt, und wenn das auch nur einen Bruchteil dazu beigetragen hat, ist das ein Erfolg für uns alle.

Hindernisse gibt es leider ständig, wichtig ist, unermüdlich weiter daran zu bohren, bis die Hindernisse bröckeln. Hindernisse erleben wir z. B. wenn wir auf die völkerrechtswidrigen Angriffskriege der Türkei die Bundesregierung befragen. Die Bundesregierung versucht dabei einen Spagat zwischen Unterstützung ihres NATO-Partners und Achtung des Völkerrechts. Das Ergebnis sind ein gewohntes Wegducken und wage Äußerungen zu den völkerrechtswidrigen Angriffen ihres NATO-Partners. Dabei ignoriert sie die Gutachten ihres eigenen Wissenschaftlichen Dienstes, die die Taten beim Namen nennen, und zudem macht sie sich immer mehr die Sprechart der türkischen Nationalisten zu eigen, indem sie in letzter Zeit häufiger den Spiieß Richtung PKK umdreht, obwohl diese Opfer und nicht Täter ist. Wir jedoch wissen, wer in der Sache Recht hat, und werden weiter die dicken Bretter bohren.

Wie stehst du zum PKK-Verbot und teilt die Linke im Allgemeinen diese Auffassung?

Bei der LINKEN sind wir uns einig: das PKK-Verbot muss aufgehoben werden! Das Verbot ist eindeutig politisch motiviert. Gerne richte ich dazu den Blick in Richtung der Urteile von belgischen Gerichten, die die PKK auf rechtlicher Basis und nicht mit der Scheuklappe des NATO-Partners betrachten.

Schreckliche Kollaboration der PDK wird das kurdische Volk nie vergessen

Wie siehst du die Lage in Südkurdistan, insbesondere auch die Kollaboration der PDK mit dem türkischen Faschismus und die deutsche Ausrüstung der PDK mit Waffen und Ausbildung?

Diese schreckliche Kollaboration wird das kurdische Volk niemals vergessen. Ich erwarte von der Bevölkerung in Südkurdistan, dass sie mit dieser Politik in naher Zukunft abrechnen wird. Dies wird in die Geschichtsbücher eingehen, wofür sich die Verantwortlichen für den Rest ihres Lebens schämen müssen. Die PDK hat sich von den türkischen Faschisten entweder ganz übel reinlegen lassen oder sie hat sich verkauft. Dabei war es die türkische Regierung, die das Unabhängigkeitsreferendum in Südkurdistan und das Ergebnis davon aufs Schärfste bekämpft hat. Die PDK macht aktuell den größten Fehler in Ihrer Geschichte.

Deutsche Waffen führten damals wie heute zu vielen Toten, Verletzten, Leid und Schmerz weltweit. DIE LINKE setzt sich dafür ein, dass Waffen- und Rüstungsexporte verboten werden. Umsetzen können wir das nur mit einer sehr starken LINKEN.

Morddrohungen türkischer Faschisten sind ein Ansporn

Du wurdest mehrfach für dein Engagement bedroht, was ist passiert? Wie gehst du damit um?

Die türkischen Faschisten, die auch regelmäßig Morddrohungen gegen HDP-Politiker:innen richten, haben es auch auf mich abgesehen. Davon lasse ich mich aber nicht einschüchtern. Das ist eher ein Ansporn für mich, noch aktiver meine Politik fortzuführen.

In der Linken gibt es die Debatte um Regierungsbeteiligung und R2G. Wie stehst du dazu, insbesondere vor dem Hintergrund der Voraussetzung, die Haltung der Linken gegenüber der NATO zu ändern?

Meine Haltung zur NATO ist klar und lässt sich auch nicht durch eine Regierungsbeteiligung ändern. Das von uns geforderte Bekenntnis ist eine wahltaktische Falle. Stattdessen sollten die ein Bekenntnis abgeben zu guten Löhnen, der grundsätzlichen Hinnahme der Mehrstaatigkeit, Erweiterung des Wahlrechts auf alle, einer klaren Kante gegenüber völkerrechtswidrigen Angriffen der Türkei und einem Stopp der Repressionen gegenüber Kurdinnen und Kurden in Deutschland. Eine Regierungsbeteiligung kann ich mir nur vorstellen, wenn wir es sicherstellen können, dass viele wichtige linke Forderungen umgesetzt werden, die wir in der Opposition unmöglich umsetzen könnten.

Besteht deiner Meinung nach Gefahr, dass die Linke eine ähnliche Linie der Aufgabe der eigenen Überzeugungen wie die Grünen beschreitet?

Nein, in einer Koalition muss man nicht immer einer Meinung sein. Es kann höchstens sein, dass hoch strittige Themen nicht behandelt werden. Unser Ziel muss es sein, Schritt für Schritt immer mehr linke Forderungen umzusetzen, mit der Zeit auch die strittigen Themen. Mit der Zeit gibt es auch einen Lernfortschritt bei den anderen Parteien, so werden nach dem Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr die Stimmen lauter, die Auslandseinsätze generell in Frage stellen.

Nur eine Regierungsbeteiligung wird Türkei-Politik Deutschlands grundsätzlich ändern

Wie siehst du die Rolle Deutschlands im Kontext der kurdischen Frage und wird sich nach den Wahlen deiner Meinung nach etwas ändern?

Deutschland kann auf jeden Fall stark darauf Einfluss nehmen. Das hängt davon ab, ob die LINKE Teil der Koalition wird oder nicht. Ich glaube, dass sich erst etwas ändern wird, wenn wir an der Regierung beteiligt sind, und dafür braucht es ein gutes Ergebnis für die LINKE bei der Bundestagswahl.

Wie bewertest du die Lage in Afghanistan und was sollte jetzt dringend getan werden? Insbesondere was die Aufnahme von Schutzsuchenden betrifft?

Die 20 Jahre falsche Afghanistanpolitik haben zu dieser Lage geführt. Man kann nicht Menschenrechte und Demokratie durch militärische Gewalt erzwingen. Wir fordern eine sofortige Einrichtung einer Luftbrücke, um akut gefährdete Menschen und ihre Familien nach Deutschland zu holen. Schutz- und Aufnahmeprogramme für alle Afghan:innen, die von den Taliban verfolgt werden, sind dringend nötig. Die direkte Aufnahme der Menschen aus Afghanistan durch die bereitstehenden Länder und Kommunen in Deutschland soll ermöglicht werden. Sichere Fluchtwege müssen für alle Menschen, die das Land verlassen wollen, errichtet werden. Selbstverständlich sollten ein sofortiger Abschiebestopp und Bleiberecht für Afghan:innen in Deutschland sein. Und wie ich mehrfach betont habe, müssen bürokratische Hürden wie der Nachweis der Deutschkenntnisse für Familienzusammenführungen aus Afghanistan in dieser extremen Notlage ausgesetzt werden.

Für soziale Gerechtigkeit, gegen Rassismus und Repression

Könntest du abschließend nochmal zusammenfassen, warum man deiner Meinung nach dich und die Linke wählen sollte?

Uns liegt die soziale Gerechtigkeit am Herzen, und zwar fair für alle und nachhaltig. Wir haben immer dafür plädiert, Hartz IV abzuschaffen, den Mindestlohn zu erhöhen und eine ausreichende Mindestrente einzuführen, damit bei den Menschen im Alltag spürbare und echte Verbesserungen eintreten. Die Spaltung in arm und reich darf nicht weiter fortschreiten, darum brauchen wir konkrete Maßnahmen, die nur wir auch wirklich anbieten. Außerdem haben wir uns in krisenhaften Zeiten als einzige immer gegen Asylrechtsverschärfungen ausgesprochen und dagegen gestimmt. Unsere Solidarität mit Schutzsuchenden ist und bleibt unteilbar.

Ich bin davon überzeugt, dass wir die richtige Wahl sind für alle Kurdinnen und Kurden in Deutschland, da nur wir uns entschieden gegen Repressionen gegen Kurden, kurdische Vereine und Initiativen in Deutschland einsetzen.