Efrîn: 75 Entführungen in einem Monat

Täglich werden durchschnittlich mehr als zwei Menschen im türkisch besetzten Efrîn entführt. Innerhalb eines Monats wurden 75 Menschen verschleppt, 19.000 Bäume gefällt und 17.000 Olivenbäume beschlagnahmt.

Die Türkei hat Efrîn 2018 unter dem Vorwand der Errichtung eines „sicheren Gebiets“ besetzt. Während Efrîn vor der Besetzung ein sicherer Ort für die Bevölkerung sowie für Geflüchtete aus ganz Syrien war, herrscht seit der türkischen Besatzung der blanke Terror. Das zeigt auch die Bilanz der Menschenrechtsorganisation Efrîn für den Monat September. Demnach wurden vom türkischen Geheimdienst MIT und den protürkischen Söldnergruppen mindestens 75 Personen, unter ihnen drei Minderjährige, verschleppt. Das Schicksal vieler bleibt unbekannt. Bei den Tätern handelt es sich neben dem türkischen Geheimdienst um Söldnergruppen wie Furqat al-Hamzat, Liwa al-Mutassim, Faylaq al-Sham, den Al-Qaida-Ableger Hayat Tahrir al-Sham, die sogenannte Zivilpolizei, die Samerkand-Brigade und Jabhat al-Shamiya. Diese Gruppen rekrutieren sich aus ehemaligen IS-Mitgliedern, türkischen Rechtsextremisten und Dschihadisten und finanzieren sich über Entführungen und Lösegelderpressungen. In dem Gebiet um Bilbilê und Raco wurden im September zwölf Menschen verschleppt, in Şêrawa und Cindirês 17 Menschen, in Mabeta, Şiyê und Şera sowie in Efrîn selbst wurden 44 Menschen entführt.

Die Menschenrechtsorganisation Efrîn dokumentierte seit dem Beginn der Besetzung von Efrîn im März 2018 686 Morde an der Zivilbevölkerung und 8.455 Entführungen (Stand Dezember 2021). Etwa die Hälfte der Verschleppten ist bis heute verschwunden, ein anderer Teil wird weiterhin in Folterzentren gefangen gehalten. Immer wieder kommt es auch zu völkerrechtswidrigen Entführungen in die Türkei, wo die Betroffenen in Terrorverfahren zu langjährigen Haftstrafen verurteilt werden.

Zerstörung von Natur und Landwirtschaft

Nicht nur durch Entführungen finanzieren sich die Söldner, auch die landwirtschaftlichen Produkte und Holz werden von den Söldnern geraubt. So wurden bei Efrîn im September mindestens 19.000 Bäume gefällt. Gleichzeitig wurden Waldgebiete bei Mabeta und Cindirês in Brand gesteckt, um Rückzugsräume des Widerstands zu vernichten. Die Söldner raubten außerdem die Ernte von 17.000 Olivenbäumen in Efrîn-Cindirês.

Besatzungsterror dient demografischer Umgestaltung

Die Entführungen und der Terror gegen die Bevölkerung dienen nicht nur zum Zweck der Aufstandsbekämpfung und Bereicherung, sondern auch der Vertreibung und aktiven Umgestaltung der Demografie der Region. So richtet sich der Terror insbesondere gegen die kurdische Bevölkerung. Am 18. März 2018, vor der Besetzung von Efrîn, lag der Anteil der kurdischen Bevölkerung bei 95 Prozent, nach der Besetzung sank dieser Anteil auf 23 Prozent. Gleichzeitig werden AKP/MHP-loyale Siedler und Angehörige der Besatzungsmilizen angesiedelt.