Delegationsreise nach Armenien

Am 31. Oktober reist eine internationale Delegation nach Armenien, um sich über die Lage vor Ort und den Krieg in Arzach zu informieren. Mit dabei ist auch der Münchener Kommunikationswissenschaftler Kerem Schamberger.

Am Samstag reist eine internationale Delegation nach Armenien, um sich über die Lage vor Ort und den Krieg in Arzach (Bergkarabach) zu informieren. Die Delegation wird organisiert von der Armenischen Allgemeinen Wohltätigkeitsunion (AGBU). Das Programm der Delegationsreise sieht bis zum 4. November den Besuch von geflüchteten Familien und Gespräche mit armenischen Politiker*innen sowie Vertreter*innen der völkerrechtlich nicht anerkannten Republik Arzach vor. Wenn es die Sicherheitslage zulässt, soll auch eine Fahrt ins Grenzgebiet stattfinden. Es werden Menschen aus ganz Europa (Österreich, Belgien, Zypern, Dänemark, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Italien, Niederlande, Spanien, Schweiz, Ukraine) und Russland dabei sein, darunter Journalist*innen, Armenier*innen der Diaspora und europäische Politiker*innen.

Aus Deutschland haben sich unter anderem der Kommunikationswissenschaftler Kerem Schamberger und der Journalist Jan Jessen der Delegation angeschlossen. Zu seiner Motivation für die Reise erklärt Schamberger: „Es ist wichtig, sich dabei nicht vom Nationalismus, der in Kriegszeiten auf jeder Seite Hochkonjunktur hat, anstecken zu lassen, sondern eine linke Position zu vertreten, die auf einen sofortigen (wirksamen) Waffenstillstand und politische Verhandlungen setzt.“ Vorbild könnten die sogenannten Madrid-Prinzipien von 2007 sein, „die eine friedliche Lösung des Konflikts durch Rückgabe einiger armenisch besetzter Gebiete an Aserbaidschan und ein autonomes Nagorny Karabach mit einem Korridor nach Armenien im Norden des Latschin-Korridors vorgesehen hatten.“, so der Münchener Kommunikationswissenschaftler. Auch die türkische Regierung habe bis 2009 einen ähnlichen Standpunkt vertreten, wie der armenischstämmige HDP-Abgeordnete Garo Paylan hervorhebt. Paylan wird für seine auf Ausgleich und Frieden setzende Position von türkisch-nationalistischer Seite massiv angegriffen und muss derzeit um sein Leben fürchten.

„Eine Diskussion der von Abdullah Öcalan geprägten Ideen des Demokratischer Konföderalismus, der eine Organisation gesellschaftlichen Zusammenlebens jenseits nationalstaatlicher Grenzen vorschlägt, bei der jede kulturelle, religiöse oder sonstige Gemeinschaft ihr Recht auf ein gemeinsames Leben in Vielfalt realisieren kann, könnte für eine nachhaltige Konfliktlösung ebenfalls sinnvoll sein“, fügt Schamberger hinzu.

„Doch es wäre auch nicht richtig, sich in diesem Konflikt auf eine vermeintlich unparteiische Position zurückzuziehen. Der Aggressor ist Aserbaidschan beziehungsweise die Türkei. Man muss es ganz klar sagen: ohne die massive politische und militärische Rückendeckung seitens der Türkei, hätte Aserbaidschan diesen Krieg nicht begonnen. Die AKP hat in den letzten Jahren (neben Israel, siehe Drohnentechik) das Regime der Aliev-Dynastie, das seit 1993 an der Macht ist, unterstützt und massiv aufgerüstet.“ Auf diplomatischer Ebene spreche Erdogan immer wieder von den „zwei Staaten, eine Nation“ und untermauere damit seinen neoosmanischen Anspruch, Vertreter aller Turkvölker in der Region zu sein. „Und nicht zuletzt schickt die Türkei derzeit mehrere tausend Dschihadisten aus Syrien nach Aserbaidschan, um dort gegen die Armenier*innen zu kämpfen und dort, laut eigener Aussage, die Aufgabe zu Ende zu bringen, die vor 100 Jahren begonnen wurde: Ein direkter Bezug auf den türkischen Völkermord vor 105 Jahren, der auf internationaler Ebene zu keinerlei Empörung geführt hat“, so Kerem Schamberger.