Warum bevorzugen IS-Mitglieder Verfahren in der Türkei?

Die HDP-Abgeordnete Sibel Yiğitalp fragt die türkische Regierung, warum Mitglieder des IS es bevorzugen, in der Türkei vor Gericht gestellt zu werden.

In einer schriftlichen Anfrage verlangte die HDP-Abgeordnete von Amed, Sibel Yiğitalp, vom türkischen Justizminister Abdulhamit Gül Aufklärung darüber, warum Mitglieder des Islamischen Staates Prozesse vor türkischen Gerichten bevorzugen.

Die Anfrage Yiğitalps lautet folgendermaßen:

"Neil Christopher Prakash, einer der meistgesuchten Verbrecher Australiens, der 2013 nach Syrien ging, um dem Islamischen Staat beizutreten, wurde am 24. Oktober 2016 in Kilis bei dem Versuch verhaftet, aus Syrien in die Türkei zu gelangen. Prakash, der sich derzeit im Gefängnis von Gaziantep befindet, ist eine Person, die in vielen Videos und Magazinen des IS erscheint. Während einer Anhörung zum Auslieferungsgesuch Australiens vor dem Strafgericht Kilis gab er per Videoschaltung aus dem Gefängnis von Kilis an, dass er in der Türkei angeklagt werden möchte.

"Weil sie aus der Haft entlassen werden"

Burhan Gök, einer der Täter des Anschlags auf die Kundgebung der HDP in Diyarbakır am 5. Juni 2015, bei dem fünf Menschen ums Leben kamen, wurde am 25. Juli 2017 aus der Haft entlassen.

Am 26. Oktober 2015 wurde bei einer Razzia im Stadtbezirk Kayapınar in Diyarbakır innerhalb der durchsuchten Wohnung Feuer auf Polizisten eröffnet. Bei dem Angriff kamen die Polizeibeamten Sadık Özcan und Gökhan Çakıcı sowie sieben IS-Mitglieder ums Leben. Vier weitere Polizisten wurden verletzt. Im anschließenden Strafverfahren wurden zwölf Beschuldigte am ersten Prozesstag, vier weitere an folgenden Prozesstagen aus der Haft entlassen.

Am 12. Januar 2016 wurde im Istanbuler Stadtteil Sultanahmet ein Anschlag verübt, bei dem 13 Menschen ums Leben kamen. Sechs Angeklagte in dem Verfahren wurden am 5. September 2016 aus der Haft entlassen, ein weiterer am 20. November 2016.

Am 19. März 2016 kamen bei einem Anschlag in Beyoğlu auf der „İstiklal Caddesi“ insgesamt vier Menschen ums Leben. Bei den Verstorbenen handelte es sich um einen iranischen und drei israelische Staatsbürger. Im folgenden Verfahren lautete die Strafmaßforderung sechs Mal lebenslänglich. Der Angeklagte Erkan Çapraz, der beschuldigt wurde, Funktionär des IS zu sein, wurde aus der Haft entlassen."

Die HDP-Abgeordnete Yiğitalp erwartet die Beantwortung folgender Fragen:

"Warum möchte Neil Christopher Prakash in der Türkei angeklagt werden?

Könnte es daran liegen, dass die Mehrheit der Angeklagten in IS-Verfahren aus der Haft entlassen wird?

Wie viele IS-Mitglieder haben als Untersuchungs- und Strafgefangene ausländischer Herkunft eine strafrechtliche Verfolgung in der Türkei beantragt?

Wie viele sogenannte IS-Mitglieder sind derzeit von der türkischen Justiz angeklagt? Wie viele von den derzeit angeklagten IS-Mitgliedern befinden sich in Haft, wie viele auf freiem Fuß?

Wie viele bereits verurteilte IS-Mitglieder befinden sich in türkischen Gefängnissen?

Wie viele Personen, die als IS-Mitglieder angeklagt waren, sind bisher freigesprochen und wie viele sind verurteilt worden?"