Sancar: In Izmir sollte ein Massaker stattfinden

In der HDP-Zentrale in Izmir sollte heute eine Vorstandssitzung stattfinden. Der HDP-Vorsitzende Mithat Sancar geht davon aus, dass dort ein Massaker geplant war. Die bei dem Anschlag getötete HDP-Mitarbeiterin Deniz Poyraz wird am Freitag beerdigt.

Der HDP-Vorsitzende Mithat Sancar hat sich in Ankara zum Angriff auf die Parteizentrale in Izmir und dem Mord an der Mitarbeiterin Deniz Poyraz geäußert. Laut Sancar sollte heute in dem Gebäude eine Vorstandssitzung mit etwa vierzig Personen stattfinden. Die Versammlung war kurzfristig verschoben worden. „Es ging also nicht nur darum, irgendeine Person zu ermorden. Es sollte ein Massaker stattfinden“, erklärte der HDP-Vorsitzende.

Das habe auch eine anschließende Tatortbegehung von HDP-Mitgliedern gezeigt. Es seien nicht nur ein bis zwei gezielte Schüsse abgegeben worden, die Schäden in den Räumlichkeiten deuteten auf einen Dauerbeschuss hin, mit dem alle Anwesenden getötet werden sollten.

Sancar erklärte, dass es sich bei dem Anschlag gleichzeitig um eine gefährliche Provokation handele: „Wir sagen das seit Monaten: Die Regierung ernährt sich von Chaos und will die demokratische Opposition mit Drohungen und Erpressung zum Schweigen bringen. Die HDP soll mit allen Mitteln eingeschüchtert werden. Dieses Ziel wird mit dem Kobanê-Prozess und dem Verbotsverfahren gegen die HDP verfolgt. Diejenigen, die auf juristischem und politischem Weg nicht mit uns fertig werden, haben jetzt bewaffnete Mörder zum Einsatz gebracht.“

Der HDP-Vorsitzende erinnerte an die blutigen Anschläge zwischen den Wahlen im Juni und November 2015 in der Türkei: „Damals ging es um ähnliche Pläne. Unsere Parteizentralen wurden angegriffen, unsere Mitarbeiter ermordet, es wurden Bomben auf Plätze geworfen, Hunderte Menschen wurden bei Selbstmordanschlägen getötet, das Land ist im Blut versunken. Und jetzt hat die Regierung begriffen, dass sie aus dieser finsteren Serie aus Blut und Schmutz nicht herauskommt, und will Chaos anrichten.“

Für den Anschlag in Izmir und alle weiteren Entwicklungen sei die Regierung verantwortlich, weil sie jeden Tag Hassreden verbreite, die Polarisierung in der Gesellschaft vorantreibe und zu gewalttätigen Auseinandersetzungen aufhetze, so Mithat Sancar:

„Unser Parteigebäude in Izmir wird seit ungefähr anderthalb Jahren belagert. Es werden Provokateure aus verschiedenen Zusammenhängen vor das Gebäude geschickt. In der Umgebung befinden sich ständig unzählige Polizisten. Der Täter ist heute um 10.30 Uhr ganz offen mit einer Waffe in der Hand in das Gebäude gegangen. Hunderte Polizisten haben ihn ignoriert oder durchgelassen. Wir werden dafür mit juristischen Mitteln Rechenschaft einfordern und auf politischem Weg alle Provokationen scheitern lassen. Wir werden dafür sorgen, dass die Verantwortlichen dafür an der Wahlurne und auf allen Ebenen der demokratischen Politik zur Rechenschaft gezogen werden.“

Der Angriff richte sich auch nicht alleine gegen die HDP. Die Regierung befinde sich unter anderem wegen der von Sedat Peker angestoßenen Debatte um die Verwicklung mit der Mafia in einem schmutzigen Strudel, von dem sie durch gezielt herbeigeführte chaotische Zustände ablenken wolle, führte Sancar weiter aus: „Wir sind voller Schmerz und Wut, aber unsere Entschlossenheit, an demokratischer Politik festzuhalten, ist ebenso groß wie dieser Schmerz und die Wut. Der HDP ist bewusst, dass die Regierung sich über angezettelte Provokationen an der Macht halten will und ihr dafür alle Mittel recht sind. Dagegen werden wir weiter entschlossen politisch und juristisch kämpfen. Die HDP ist die größte Garantie für eine demokratische Zukunft und Frieden in diesem Land.“

Mithat Sancar rief zum Protest gegen den Mord an Deniz Poyraz und zur Solidarität mit der HDP auf: „Sich hinter die HDP zu stellen, bedeutet, die Urheber der Chaos-Pläne zu stoppen. Niemand hat das Recht und kann sich den Luxus leisten, dabei zu zögern und sich zurückzuhalten. Zurückhaltung und Furcht führen nur dazu, die Urheber geplanter Morde und Massaker zu ermutigen.“

Zu Deniz Poyraz teilte der HDP-Vorsitzende mit, dass die junge Frau aus Mêrdîn (tr. Mardin) stammte und aufgrund der Erkrankung ihrer Mutter in der HDP-Zentrale in Izmir ausgeholfen hat. Sie war HDP-Mitglied und befand sich zum Zeitpunkt des Angriffs rein zufällig alleine im Gebäude. Ihre Ermordung sei an Angriff auf die gesamte HDP.

Die HDP-Vorsitzende Pervin Buldan befindet sich bereits auf dem Weg nach Izmir, Mithat Sancar wird morgen zur Beerdigung von Deniz Poyraz dorthin fahren.