Muslim: Türkische Expansionspolitik bedroht die ganze Welt

Salih Muslim warnt vor den neo-osmanischen Träumen des türkischen Staates. Die türkische Expansionspolitik bedroht nicht nur die Kurden, sondern den Mittleren Osten und die ganze Welt, so der PYD-Politiker.

Der außenpolitische Sprecher der PYD, Salih Muslim, hat sich gegenüber ANF zu den Drohungen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan geäußert. Muslim verwies auf die Gespräche zwischen den USA und der Türkei und erklärte, es sei weiterhin unklar, was hinter den Kulissen verhandelt werde.

Die Drohungen Erdoğans bewertete Muslim als „Kriegserklärung an alle Kurden“. Der türkische Staat strebe eine Neuauflage der faschistischen jungtürkischen Bewegung an.

„Erdoğan hat alle Machtbefugnisse in der Türkei an sich gerissen und sich an die Umsetzung seiner neo-osmanischen Pläne gemacht. Mit der MHP, mit Ergenekon, der Hizbullah und allen Kriegsverbrechern aus den neunziger Jahren hat er ein Bündnis gebildet. Meiner Meinung nach handelt es sich dabei um eine Koalition, mit der die Strukturen der jungtürkischen Bewegung wieder ins Leben gerufen worden sind. Es handelt sich um eine Fortsetzung der Ittihadisten im Osmanischen Reich. Damals hat der Genozid an den Armeniern und den Suryoye stattgefunden, die Pontus-Griechen wurden aus Anatolien vertrieben. Die Kurden sind geblieben und jetzt soll auch an ihnen ein Genozid durch die neuen Jungtürken vollzogen werden. Der Krieg in Rojava, Süd- und Nordkurdistan ist ein Ergebnis dieser Politik“, so der PYD-Politiker.

Erdoğan ist eine Gefahr für alle Völker

„Die Kurdinnen und Kurden sind in großer Gefahr“, erklärte Muslim weiter. „Die jungtürkische Mentalität folgt der Logik, dass der beste Kurde ein toter Kurde ist. Den Kurden bleibt kein anderer Weg als der Widerstand. Kein Kurde kann davon ausgehen, dass ihm nichts passieren wird. Bei einem Genozid geht es nicht um Parteizugehörigkeit oder eine bestimmte Meinung.“

Erdoğan spreche sehr bewusst von „terroristischen Kurden“, sagte Muslim und verwies darauf, dass die Gefahr sich nicht auf die Kurden beschränke:

„Die Gefahr gilt für alle Völker. In Idlib zum Beispiel wird das arabische Volk unterdrückt, an anderen Orten sind wiederum andere Bevölkerungsgruppen betroffen. Das Hauptziel der neuen Ittihadisten ist die Umsetzung des Nationalpakts Misak-i Milli. Sie wollen weite Gebiete von Aleppo bis nach Mosul und Kerkûk erobern. Der Genozid und die Besatzung werden sich also nicht auf das kurdische Volk und Kurdistan beschränken, auch andere Völker werden an die Reihe kommen. Erdoğan hat kürzlich davon gesprochen, dass ein Gebiet von 20 Millionen Quadratkilometern auf 700.000 Quadratkilometer geschrumpft ist. Er träumt also immer noch von einem Herrschaftsgebiet, das sich über 20 Millionen Quadratkilometer erstreckt.“

Erdoğans neo-osmanische Träume

Die Türkei habe die ihr zugedachte Rolle in der Neuordnung des Mittleren Ostens aufgegeben und setze ihre eigenen Vorhaben um, erklärte der PYD-Politiker: „Bei der Neuordnung des Mittleren Ostens ist der Türkei eine bestimmte Rolle gegeben worden. Die Türkei hatte jedoch eigene Pläne und hat deshalb die ihr zugedachte Rolle verlassen. Für ihre neo-osmanischen Träume hat sie die Terroristen des IS, von al-Nusra und andere benutzt. Die heimlichen Pläne der Türkei sind aufgeflogen und jetzt wird versucht, die Türkei von diesem Plan abzubringen. Der türkische Staat hat auf den IS gesetzt, aber mit dem IS ist es bald vorbei. In Idlib benutzt die Türkei al-Nusra, sie benutzt uighurische und tschetschenische Dschihadisten, die sie in die Region gebracht hat. Dass die Türkei als Sponsor und Schutzpatron dieser Terroristen fungiert, ist weltweit bekannt. Die Kurdinnen und Kurden haben gegen den IS gekämpft und dadurch Einfluss auf internationaler Ebene bekommen. Danach hat sich die Türkei nur noch darauf konzentriert, dass die Kurden keinen Status bekommen. Wer auch immer etwas von der Türkei will, kann es bekommen, wenn bloß verhindert wird, dass den Kurden Rechte zugestanden werden. In Kerkûk wird deutlich, dass es der Türkei nicht nur um einen bestimmten Teil der Kurden geht, sondern dass sie alle Kurden loswerden will.“

Die Bomben der NATO

Zu der drohenden Besatzung Nordsyriens erklärte Muslim, dass unklar sei, was hinter den Kulissen zwischen der Türkei und den USA verhandelt wird: „Wir wissen es nicht. Wir wissen nur, dass sich die Völker der betroffenen Region auf nichts als ihre eigene Kraft verlassen. Was in Efrîn auf uns niedergeregnet ist, waren die Bomben der NATO. Die Türkei setzt auf verschiedene Stränge, um weitere Errungenschaften der Kurden zu verhindern. Sowohl über die NATO als auch über Russland macht sie eine pragmatische Politik. Innen- und außenpolitisch befindet sich das Land in einer Krise. Diese Krise soll über einen Krieg gedeckelt werden. Im Moment wartet die Türkei auf die Zustimmung für einen Angriff auf uns. Wir kennen den Stand der Verhandlungen nicht, aber wir vertrauen auf die Kraft, die Organisierung und den Widerstand unseres Volkes. Was soll man auch tun, wenn einem der Krieg erklärt wird und die Truppen vor der Tür stehen? Man kann nur Widerstand leisten, einen anderen Weg gibt es nicht. Deshalb verlassen wir uns auf niemanden, sondern stützen uns nur auf die eigene Stärke. Bei der Invasion in Efrîn haben alle geschwiegen. Sechzig Tage lang wurden NATO-Bomben auf uns abgeworfen, wir wurden mit NATO-Waffen angegriffen. Das war ein Verstoß gegen die Regeln der NATO und der Vereinten Nationen, aber niemand hat etwas dagegen unternommen.“

USA wollen weder die Kurden noch die Türkei verlieren

„Die USA wollen die Kurden nicht verlieren, aber auf der anderen Seite steht die Türkei. Die Türkei ist NATO-Mitglied und mit den USA verbündet. Die USA wollen also weder uns noch die Türkei verlieren. Von dieser Situation profitieren Erdoğan und seine Mannschaft. Für uns ist es kein Problem, es kann Beziehungen zu uns und gleichzeitig zur Türkei geben. Die Beziehung zur Türkei darf nur nicht zu unserem Schaden sein. Die Türkei sagt jedoch: Entweder ich oder die. Sie will die USA zu einer anderen Haltung zwingen. Die USA wollen die Türkei nicht verlieren, aber das gilt nicht für die AKP. Die AKP mit ihrer aktuellen Politik wollen sie nicht. Wir wissen nicht, wie es weiter gehen wird. Wir wissen nur, dass die Politik der Türkei nicht nur für die Kurden, sondern für den gesamten Mittleren Osten und die ganze Welt eine große Gefahr darstellt.“