Licê: „Warum bringt ihr sie lebend, warum tötet ihr sie nicht?“

Ein in Licê durch Hubschrauberbeschuss verletzter Zivilist Mehmet Hüseyin Mercan berichtet, dass die Soldaten, die ihn zum Militärstützpunkt brachten, vom Kommandanten angeschrien wurden: „Warum bringt ihr sie lebend?“

Seit vergangenen Dienstag findet im nordkurdischen Landkreis Licê (Provinz Amed/Diyarbakir) eine Militäroperation statt. Betroffen sind die Dörfer Merdinya, Koçeran, Denglava, Tûtê (Yaprak) und Banaderan (Sığınak). Letzteres Dorf ist vor drei Tagen von der türkischen Armee umstellt worden. Im Zuge der luftunterstützten Operation wurde aus Hubschraubern auf Dorfbewohner geschossen, die bei der Feldarbeit waren. Der Zivilist Mehmet Hüseyin Mercan wurde bei dem Beschuss verletzt. Drei Verwandte, die ihn in Krankenhaus bringen wollten, wurden festgenommen. Die Soldaten brachten Mercan ins Dicle-Krankenhaus. Nach der Behandlung im Universitätsklinikum wurde er auf eine Militärbasis zu seinen festgenommenen Angehörigen transportiert.

Aus Hubschraubern beschossen

Der Augenzeuge Hacı Mehmet Kapan (70) berichtet, dass sie am 9. Juli auf dem Feld bei der Ernte waren, als vier Hubschrauber im Tiefflug anflogen. Sie wurden von Panik ergriffen und versuchten im Zickzack laufend zu entkommen. In diesem Moment eröffneten die Soldaten im Hubschrauber das Feuer und sein Schwiegersohn Mehmet Hüseyin Mercan (45) wurde schwer verletzt. Als er, sein Sohn Mehmet Ali Kapan (37) und sein Enkel Kadri Mercan (22) versuchten, den Verletzten ins Krankenhaus zu bringen, wurden sie von Soldaten festgenommen. Kapan berichtet, dass sie bei der Festnahme auf den Boden gelegt wurden, von den Soldaten als „Terroristen“ bezeichnet und mit dem Tod bedroht worden seien. Sie mussten etwa eine halbe Stunde auf dem Boden liegen, dann wurden sie auf einen Gipfel gebracht und von dort per Hubschrauber auf eine Militärbasis geflogen. Als sie dort eintrafen, schrie der Kommandant die Soldaten an: „Warum bringt ihr sie mir lebend und tötet sie nicht?“ Nach zwölf Stunden Verhör und 119 Seiten aufgenommenen Protokoll wurden sie als angebliche „PKK-Mitglieder“ zum Gericht gebracht. Die Staatsanwaltschaft beantragte keinen Haftbefehl und ließ die Dorfbewohner wieder laufen.

Soldaten legen Feldbrände und hindern Feuerwehr am Löschen

Feyzi Yalçın, Einwohner der Siedlung Mele, berichtet, dass die Soldaten Felder in Brand setzen. Als er die Feuerwehr anrief, wurde ihm erklärt: „Wir wissen um die Brände, aber die Jandarma erlaubt uns nicht ins Gelände zu fahren und den Brand zu löschen.“ Daraufhin versuchte die Dorfbevölkerung die Brände mit eigenen Mitteln zu löschen. „Wir haben versucht die Brände aus eigener Kraft zu löschen. Wir haben mit dem Traktor Gräben gezogen, um die Feuerwalze zu stoppen. Daraufhin schossen die Soldaten in unsere Richtung mit Leuchtspur und entzündeten um uns herum das Feuer. Einige von uns zogen sich daraufhin zurück. Dann gingen 20 bis 30 Soldaten in die Weizenfelder. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie sie mit dem Feuerzeug Brände legte. Dann kamen zwei Hubschrauber. Sie kreisten über uns und nahmen die Soldaten auf“, erklärte er. Bei der Operation wurden bisher insgesamt 1000 Hektar Land, 500 davon bepflanzt, niedergebrannt.