Kriegsverbrechen: HPG veröffentlichen Namen von Gefallenen

Der HPG-Kommandant Nurî Yekta und die YJA-Star-Kämpferin Amara Amed sind im Juni im Widerstand gegen die türkische Invasion in Metîna gefallen. Die türkische Armee setzte verbotene Kampfmittel ein, um ihren Widerstand zu brechen.

Die Guerillakämpfer:innen Nurî Yekta und Amara Amed sind im Juni am Girê Hekarî in Südkurdistan gefallen. Das teilt das Pressezentrum der Volksverteidigungskräfte (HPG) mit und weist auf die systematischen Kriegsverbrechen der Türkei durch den Einsatz international geächteter Kampfmittel hin:

„Der türkische Kolonialstaat zielt auf einen Völkermord ab und hat am 14. April 2022 eine Invasion in den Regionen Zap, Avaşîn und Metîna gestartet, gegen die die Freiheitsguerilla Kurdistans mit apoistischer Willensstärke eine großartige Widerstandsfront errichtet hat. Die türkische Armee hat trotz der ihr zur Verfügung stehenden technischen militärischen Mittel und des Einsatzes von bezahlten Soldaten, Banden, Konterkräften und Spezialeinheiten sowie der Unterstützung von ausländischen Mächten und kurdischen Verrätern den Widerstand der Guerilla am Girê Hekarî nicht brechen können. Eine Handvoll mutiger Guerillakämpfer:innen hat gezeigt, wie eine riesige Armee, die alle Möglichkeiten für diesen Krieg mobilisiert, nur durch Überzeugung, Bewusstsein und Willensstärke gestoppt werden kann. Selbstverständlich war es nicht einfach, diesen Widerstand zu erschaffen. Er konnte nur durch einen gigantischen Arbeitseinsatz, Schweiß, große Geduld, den Glauben an die Freiheit, die Verbundenheit mit Rêber Apo [Abdullah Öcalan], den Gefallenen und unserem Volk auf der Grundlage der apoistischen Ideologie verwirklicht werden.

Die türkischen Besatzungstruppen agieren fern jeglicher menschlichen Ethik und des Kriegsrechts und haben nach massiven Verlusten im Widerstandsgebiet Girê Hekarî verbotene taktische Nuklearbomben und chemische Waffen eingesetzt, um den Widerstand der Guerilla Kurdistans zu brechen. Obwohl die Kriegsverbrechen der türkischen Armee etliche Male dokumentiert und der Weltöffentlichkeit präsentiert wurden, gibt es keine starke Reaktion darauf und der Gebrauch von Chemiewaffen hat eine systematische Form angenommen.“

Der Widerstand am Girê Hekarî sei von Kommandant Nurî Yekta angeführt worden, dieser sei zusammen mit der Kämpferin Amara Amed durch einen Angriff mit einer „nach internationalem Recht verbotenen taktischen Nuklearbombe“ gefallen, so die HPG: „Wir sprechen den wertvollen patriotischen Familien unserer Gefallenen und dem gesamten Volk Kurdistans unser Mitgefühl aus und werden das Gedenken an unsere Weggefährt:innen, die opferbereit für ein freies Leben von Rêber Apo und des kurdischen Volkes mit eigener Identität im eigenen Land kämpfen, gegen die Besatzung standhalten und dafür gefallen sind, lebendig halten. Wir werden die Kriegsverbrechen immer und überall anprangern und der ganzen Welt das blutige Antlitz des auf einen Völkermord abzielenden türkischen Staats zeigen. Und wir werden unsere Gefallenen rächen.“

Zur Identität der Gefallenen machen die HPG folgende Angaben:

                                   

Codename: Nurî Yekta
Vor- und Nachname: Cevat Etarek
Geburtsort: Mahabad
Namen von Mutter und Vater: Zeynep – Muhammed
Todestag und -ort: 15. Juni 2022 / Metîna

 

Codename: Amara Amed
Vor- und Nachname: Ayşe Toprak
Geburtsort: Êlih
Namen von Mutter und Vater: Fatma – Mehmet
Todestag und -ort: 3. Juni 2022 / Metîna

 

Nurî Yekta

 

Nurî Yekta ist in Nexede bei Mahabad in Rojhilat (Ostkurdistan) geboren. Sein Geburtsort hat eine kosmopolitische Bevölkerungsstruktur mit hohem politischen Bewusstsein, aus Nexede sind viele führende kurdische Widerstandskämpfer:innen hervorgegangen. Nurî Yekta wuchs auf in einer Familie, die von der Liebe zum eigenen Land und den kurdischen Aufständen geprägt war. Obwohl es der Familie wirtschaftlich gut ging, strebte er ein auf der eigenen Arbeit und sozialistischen Vorstellungen beruhendes Leben an. Er ging zehn Jahre zur Schule und studierte zwei Jahre Literatur.

 

Die international organisierte Verschleppung Abdullah Öcalans in die Türkei am 15. Februar 1999 stellte für Nurî Yekta einen Wendepunkt dar. Er wollte sich dem bewaffneten Kampf der PKK anschließen, war jedoch noch zu jung dafür. Daher arbeitete er bis 2001 in verschiedenen Bereichen der Befreiungsbewegung, bevor er in die Berge ging und eine Grundausbildung absolvierte. Danach war er eine Weile mit Genossen aus der Parteileitung zusammen, die ihm wichtige Grundlagen für sein revolutionäres Leben vermittelten. Er arbeitete in der revolutionären Jugendbewegung und nahm als Delegierter an der ersten Sitzung von Kongra-Gel teil. Nach Soranî und Persisch lernte er auch Kurmancî und Türkisch.

Danach ging Nurî Yekta nach Rojava, um junge Menschen für den revolutionären Kampf zu organisieren. 2004 nahm er in führender Position am Aufstand von Qamişlo teil. Im November 2004 wurde er vom syrischen Regime verhaftet und schwer gefoltert. Monatelang wurde er sowohl vom syrischen als auch vom türkischen Staat verhört und sagte trotz brutaler Folter kein Wort. Als nach siebeneinhalb Jahren Gefängnis 2011 der „Arabische Frühling“ ausbrach, wurde ihm vom syrischen Regime eine Amnestie in Aussicht gestellt. Darauf antwortete er: „Ich bin niemand, der amnestiert werden muss, ich habe nur meine revolutionäre Aufgabe erfüllt.“ Daraufhin wurde er an Iran ausgeliefert und dort verhaftet. Nach weiteren anderthalb Jahren Haft gelang ihm die Flucht aus dem Gefängnis und er ging zurück in die Berge Kurdistans, wo er verschiedene Arbeiten übernahm und eine Weiterbildung an der zentralen Parteischule „Mazlum Doğan“ machte.

Auf eigenen Vorschlag ging er danach nach Aleppo, um gegen die islamistische Bedrohung zu kämpfen. Im syrischen Kerker hatte er Arabisch gelernt und in Aleppo arbeitete er daran, die Bevölkerung und ihre Verteidigung zu organisieren. Er wurde im Kampf verletzt und kehrte nach seiner Genesung sofort zu seiner Aufgabe zurück. Dabei zeichnete er sich durch seinen Mut, seine taktische Kreativität und seine Koordinationsfähigkeit aus und wurde mit seinem Kampfgeist und seiner genossenschaftlichen Aufrichtigkeit zu einem für die Menschen in Aleppo und die Kämpfer:innen unvergesslichen Kommandanten.

Nachdem er seine Aufgabe in der Revolution von Rojava erfüllt hatte, ging Nurî Yekta wieder in die Berge, um gegen den türkischen Staat zu kämpfen. An der Haki-Karer-Akademie setzte er sich mit den Erfordernissen des modernen Guerillakampfes auseinander und gab seine Erfahrungen an andere weiter. Nach der Fortbildung wurde er in die Kommandantur der Region Metîna versetzt und arbeitete am Aufbau der Infrastruktur für die Verteidigung der Guerilla. Als die türkische Invasion in Metîna begann, plante und koordinierte er den Widerstand in der Region und führte am Girê Hekarî zusammen mit seinen Weggefährt:innen erfolgreiche Aktionen durch. Am 15. Juni 2022 kam er aufgrund eines Kriegsverbrechens der türkischen Armee ums Leben.

Amara Amed

 

Amara Amed ist in Êlih-Qûbîn (tr. Batman-Beşiri) geboren. Ihre Familie gehörte zum kurdischen Stamm der Reşkotî und stand der Befreiungsbewegung nahe. Amara Amed sympathisierte bereits als Kind mit der Guerilla und empfand großen Schmerz angesichts des Leids des kurdischen Volkes. Sie arbeitete für den Lebensunterhalt ihrer Familie und suchte gleichzeitig nach Möglichkeiten, den Befreiungskampf zu unterstützen. An Newroz 2017 schloss sie sich der Guerilla an und ging in die Berge, wo sie sich mit der Ideologie der PKK und vor allem mit der Frauenbefreiung auseinandersetzte. Sie nahm mit großem Enthusiasmus am freien Leben teil und lernte die Grundlagen des Guerillakampfes. 2019 nahm sie an einer militärischen Fortbildung teil und war danach in Gare in der Praxis. 2021 machte sie eine Ausbildung zur Scharfschützin und ging nach Metîna, wo sie in diesem Jahr als professionelle Kämpferin der YJA Star am Girê Hekarî mit großer Opferbereitschaft gegen die türkische Besatzung Widerstand leistete und dem Feind als Sniper schwere Verluste zufügte. Sie war die erste Kämpferin, die in dem Widerstandsgebiet durch den Einsatz verbotener Kampfmittel ums Leben kam.