Karasu: Jetzt ist die Zeit, sich an die Seite der Guerilla zu stellen

Angesichts der Chemiewaffenangriffe der türkischen Armee auf die Guerilla erklärt Mustafa Karasu: „Unser Volk muss in Europa die Hölle losbrechen lassen. Wenn die Guerilla zu diesem Zeitpunkt nicht unterstützt werden soll, wann denn dann?“

In einem Interview mit dem Fernsehsender Medya Haber TV hat das Exekutivratsmitglied der Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK), Mustafa Karasu, zum Hinterhalt der PDK in Xelîfan, bei dem fünf Guerillakämpfer:innen getötet wurden, und zu den Chemiewaffeneinsätzen der türkischen Armee Stellung bezogen. Karasu warnt, die Haltung der PDK ermutige die Türkei zur Besetzung Südkurdistans, und sagt: „Wie die PDK durch ihre Taten in die Geschichte eingeht, ist klar, aber sie reißt das kurdische Volk mit in den Abgrund.“

Wir dokumentieren das Interview mit Mustafa Karasu in Auszügen.

Das internationale Komplott gegen Abdullah Öcalan dauert nun bereits über 23 Jahre an. Was ist Ihrer Meinung nach notwendig, um es endgültig scheitern zu lassen?

Bevor ich mich zu diesem Thema äußere, möchte ich voller Respekt in Person von Halit Oral und Aynur Artan allen unseren Gefallenen gedenken. Die beiden sind unter der Parole „Ihr könnt unsere Sonne nicht verdunkeln“ gefallen. Wenn das Komplott zum größten Teil gescheitert ist, dann ist das den Gefallenen zu verdanken. Rêber Apo hatte erklärt, dass seine Haltung auf Imrali insbesondere auch dazu dienen soll, dem Gedenken und den Sehnsüchten dieser Gefallenen gerecht zu werden. Wenn wir als Bewegung bis heute derartig effektiv Widerstand geleistet haben, dann ist dies ein Resultat der Gefallenen des „Ihr könnt unsere Sonne nicht verdunkeln“-Widerstands. Zu dieser Zeit hatte unser Volk einen großen Widerstand an den Tag gelegt. In allen vier Teilen Kurdistans und in Europa wurde eine Barrikade um Rêber Apo errichtet. Von den ersten Tagen an zeigten uns diese Gefallenen, dass der Kampf gegen das Komplott groß sein würde und dass es keinen Erfolg haben würde. Auch heute befinden sich unsere Genoss:innen und unser Volk weiterhin in einem großen Widerstand gegen das Komplott.

23 harte Jahre sind seither vergangen. Sie waren erfüllt von großem Widerstand unseres Volkes und unserer Seite. Besonders der Kampf von Rêber Apo [Abdullah Öcalan] auf Imrali stärkte den Kampf des Volkes und gab ihm Inspiration und Schwung. Ohne den Widerstand von ihm würden unser Volk und unsere Bewegung heute nicht auf diesem Niveau kämpfen. In dieser Hinsicht ermöglichte uns seine Haltung, seine Analyse der patriarchalen Herrschaft, sein Bestehen auf der Linie der Frauenbefreiung, sein Verständnis der ökologischen Revolution, seine historische Einordnung aller Widerstandskämpfe der kurdischen Geschichte, einen großen Kampf in den vergangenen 23 Jahren zu führen. Ohne diesen Wandel, diese Haltung, diese ideologische Erneuerung wären wir nicht in der Lage gewesen, den Kampf so wie heute zu führen. Während in den 90er Jahren die sozialistischen Bewegungen an Stärke abnahmen und die kapitalistische Moderne ihre Herrschaft ausweitete, entwickelte Rêber Apo eine ideologische und theoretische Erneuerung.

Rêber Apo brachte diese Erneuerung von Imrali aus auf ihren Höhepunkt und leitete so die größte geistige Revolution in der Menschheitsgeschichte ein. In dieser Hinsicht leistete er der Menschheit, den Frauen und den Kurd:innen einen sehr großen Dienst. Rêber Apo erklärte das 21. Jahrhundert zum Jahrhundert der Befreiung der Kurd:innen und der Frauen. Sein Verständnis der Frauenbefreiung und einer ökologischen Gesellschaft, findet heute Widerhall in der gesamten Menschheit. Auch das antistaatliche Konzept des demokratischen Konföderalismus, wird sich bald auf der Tagesordnung der Menschheit befinden. Die Völker werden mit einem neuen Verständnis von Selbstverwaltung in die Zukunft schreiten. Die Menschen wollen eine herrschaftsfreie Selbstverwaltung ohne Repression. Das ist es was es jetzt braucht.

Zeit für Freiheit“

Das Komplott ist im Großen und Ganzen gescheitert. Es sollte Rêber Apo neutralisieren und seine Wirkung aufheben. Aber seine Bedeutung wuchs. Die Mächte des internationalen Komplotts wollten die Verbundenheit des Volkes mit Rêber Apo schwächen, aber diese Verbundenheit ist ebenfalls gewachsen. Das gilt nicht nur für das kurdische Volk, sondern für alle Völker des Nahen und Mittleren Ostens und die Menschheit. In Zukunft werden die Frauen der Welt ihre Verbundenheit mit Rêber Apo herausstellen. Denn die Frauen haben ein Gewissen, sind gerecht und werden auf jeden Fall für ihn, der so viel zu ihrer Freiheit beigetragen hat, noch stärker eintreten. All dies hat große Kämpfe gegen das Komplott hervorgebracht. Heute sagen wir, es ist an der Zeit für die Freiheit von Rêber Apo. Weltweit treten Demokrat:innen, Intellektuelle und Schriftsteller:innen für seine Freiheit ein. Die aktuelle Bedeutung von Rêber Apo zeigt, dass das Komplott gescheitert ist. Die Kräfte hinter dem Komplott werden verflucht, und die Menschen treten voller Respekt und Liebe für Öcalan ein.

Rêber Apo hat seinen Platz in der Menschheitsgeschichte nicht nur als Führungsperson, sondern auch als Philosoph, als Weiser, eingenommen. Darauf sollten insbesondere die Kurd:innen stolz sein. Es ist an der Zeit, die Freiheit der Kurd:innen durch die Freiheit von Abdullah Öcalan zu erreichen. Wenn sie der Linie von Rêber Apo folgen, werden sich die Kurd:innen ohne Zweifel befreien. Es ist nicht möglich, die Freiheit der Kurd:innen durch enge, nationalistische Ansätze, welche nicht der Region entsprechen und die Welt nicht anerkennen, zu erreichen. Rêber Apo hat den Schlüssel zur Freiheit in die Hände der Kurd:innen gelegt. Die Roadmap von ihm wird, wenn sie als Grundlage herangezogen wird, die Probleme der Kurd:innen in allen vier Teilen Kurdistans lösen. In diesem Sinne rufe ich unser ganzes Volk, die Frauen und die Jugend auf, sich im 24. Jahr des Komplotts noch massiver unter der Parole „Zeit für Freiheit“ zu erheben, und das 24. Jahr des Komplotts zum Jahr der Freiheit von Rêber Apo zu machen.

EU und USA müssen Stellung beziehen“

Am 9 Oktober jährte sich die türkische Besetzung von Girê Spî und Serêkaniyê zum dritten Mal. Was muss in dieser Hinsicht geschehen? Wie bewerten Sie Joe Bidens Erklärung, die Angriffe der Türkei auf Nord- und Ostsyrien würden die Region und den Kampf gegen den „Islamischen Staat“ (IS) gefährden?

Bidens Aussagen muss große Bedeutung beigemessen werden. Wenn er es mit diesen Worten ernst meint, dann müssen die USA eine entsprechende Politik entwickeln. Die Invasion von Serêkaniyê und Girê Spî am 9. Oktober 2019 war das Resultat eines Abkommens zwischen Erdoğan und Trump. Die Menschen im Nordosten Syriens sagen, dass der türkische Staat den Frieden durch die Invasion Syriens gestört habe und dass er nicht nur der Feind der Bevölkerung Syriens, sondern aller Völker des Nahen und Mittleren Ostens sei. Zu dieser Feststellung, die zuvor die Kurd:innen getroffen haben, kommt nun Biden selbst. Er sagt, die Invasionsangriffe des türkischen Staates hätten den Frieden gestört und Hindernisse im Kampf gegen den IS geschaffen. Die Selbstverwaltung von Rojava und das Volk dort haben all dies schon lange gesagt. Der türkische Staat marschierte in Rojava ein, begann die Demografie zu ändern und beging einen Genozid. Sind die UN, die USA und EU nicht eigentlich gegen Genozid? Sie haben wegen ihrer schmutzigen Interessen nicht die notwendige Haltung eingenommen. Hunderttausende Kurd:innen wurden nach der Invasion zu Flüchtlingen. Dagegen haben sie keine Stellung bezogen. Bidens jüngste Aussagen sind ein Eingeständnis, dass die damalige US-Politik falsch war und die Kurd:innen Recht hatten. Wenn so etwas der Präsident der Vereinigten Staaten sagt, dann würde eigentlich die Notwendigkeit für die USA daraus folgen, zu Handeln und den kurdischen Kampf gegen die Besatzung zu unterstützen, indem sie dafür sorgen, dass der türkische Staat von dort verschwindet. Die Türkei ist dort die Besatzungsmacht. Das kurdische Volk ist das Opfer. Dementsprechend sollten die Vereinigten Staaten und die EU Stellung beziehen.

Die AKP/MHP-Regierung muss gestoppt werden“

Der türkische Staat stört nicht nur den Frieden in Rojava. Er tut das überall, wo er hingeht. Schamlos erklärt er: „Wir sind nach Libyen gegangenen und haben die Balancen geändert.“ Das bedeutet nichts anderes, als dass die Türkei eingegriffen hat und so für den Tod von vielen Menschen verantwortlich ist. Dass was sie im Kaukasus gemacht haben, liegt in der Hand. Der türkische Staat hat Aserbaidschan auf Armenien gehetzt. Die AKP/MHP-Regierung muss in ihrer aggressiven Haltung gestoppt werden. Erdoğan stößt jeden Tag neue Drohungen aus. Er bietet den USA an, ihnen zu dienen, wenn sie seiner antikurdischen Genozidpolitik zustimmen, wenn sie das aber nicht täten, dann würde er sich eben jemand anderem andienen. Er trägt sich selbst zu Markte. Alles, was ihn interessiert, ist der Angriff auf das kurdische Volk. In dieser Hinsicht stellt die Türkei einen Fluch für die Völker des Nahen Ostens dar. Nur die Söldnerbanden sind Anhänger des türkischen Staates. Der MIT betrieb regelrechte Rekrutierungsbüros für den IS. Er schickte seine Agenten zum IS, um diesen zu kontrollieren. Der türkische Staat steht hinter den Massakern von Istanbul, Pirsûs (tr. Suruç) und Ankara. Dieses Regime muss gestoppt werden.

Man muss sich organisieren und die Besatzer rauswerfen“

Das ist es, was in Bezug auf den 9. Oktober getan werden muss. Biden hat es selbst gesagt. Der Kampf der Kurd:innen gegen die Besatzer ist legitim. Also muss man sich organisieren und die Besatzer hinauswerfen. Russland, die USA und die EU müssen diesen Kampf unterstützen. Die Menschen in Rojava leisten seit mehr als einem Jahr Widerstand und betonen, es sei an der Zeit, die Besatzung zu beenden. In diesem Sinne sollte der Kampf weiter gesteigert werden. Die Menschen in Rojava mögen mit Hunger und Durst leben können, aber niemals können sie ohne Widerstand bleiben. Manchmal hören wir, es mangele an dieser oder an jener Stelle. In einer Revolution, in einem Krieg, kann es natürlich Mängel geben. Sind wir denn frei? Der türkische Staat und die PDK belagern die Region und haben Teile besetzt. Die Politik des Regimes ist klar. Kann es in einer solchen Umgebung ein einfaches Leben geben? Freiheit kann in Kurdistan nicht ohne Schwierigkeiten erreicht werden, eine Heimat kann nicht einfach so beansprucht werden. Es herrscht immer noch Krieg.

Das Volk muss sich am Krieg beteiligen“

Insofern muss das kurdische Volk die Schwierigkeiten in Rojava ertragen, die ganze Bevölkerung muss am Krieg teilnehmen. Manchmal hören wir: „Es lebe der Widerstand der YPG, es lebe der QSD-Widerstand.“ Okay, lasst die YPG, YPJ und QSD kämpfen, aber mit ihnen allein ist der Krieg nicht zu machen. Die Völker, die ihre Freiheit noch nicht errungen haben, müssen zusammen mit den militärischen Einheiten, ihren Söhnen und Töchtern kämpfen. Das ist das Notwendige, das geschehen muss. Wir sind davon überzeugt, dass die Bevölkerung von Rojava patriotisch eingestellt ist. Sie ist ebenso der Freiheit wie auch Rêber Apo verbunden. Sie hat ohnehin bereits Zehntausende Gefallene zu verzeichnen. Im Andenken an die Gefallenen sollte sich ohnehin jeder auf den Krieg vorbereiten und gegen die türkische Besatzung kämpfen.

Die PDK verhält sich einfach niederträchtig“

Der türkische Staat wird massiv von der südkurdischen PDK unterstützt. Die legt Hinterhalte und blockiert die Guerillagebiete. Zuletzt gab es das Xelîfan-Massaker. Wie bewerten sie dieses Vorgehen? Was sollte die Bevölkerung tun?

In einer Sendung vor drei Woche habe ich den Namen nicht benannt. Aber es wurde berichtet was für ein Revolutionär Şoreş Mardin (einer der Xelîfan-Gefallenen) war. Er hatte gesagt, dass er losgezogen war, um gegen den türkischen Staat zu kämpfen, aber in einem Hinterhalt der PDK gefallen war. Er hatte sich 1996 dem Kampf angeschlossen, kämpfte in Dersim, Botan, Zagros und wurde in Rojava verwundet. Dann ging er weit weg ins Ausland zur Behandlung. Aber noch bevor er genesen war, kehrte er angesichts der Angriffe des türkischen Staats zurück und zog als Versehrter in den Kampf, um Kurdistan vor der Invasion zu retten. So jemand wurde getötet. Bei den anderen Freund:innen handelte es sich ebenfalls um Kämpfer:innen. Die Komplizin des türkischen Staates, die PDK, hat sie getötet, um den türkischen Staat zu entlasten. Wie kann man das rechtfertigen? Sie sagen: „Was hat denn die PKK hier zu suchen.“ Was hat denn der türkische Staat hier verloren. Was hat der Feind der Kurden, der MIT, in Kurdistan verloren? Morgen wird die Türkei in Südkurdistan einmarschieren und die Turkmenen als Vorwand benutzen. Ihre Haltung im Referendum, ihre Haltung in der Kêrkuk-Frage ist sehr klar. Die PDK verhält sich einfach niederträchtig.

Die PDK bezeichnete die Türkei als „sehr demokratisch“. Die Europäer, die USA und Israel, alle auf der Welt bezeichnen die Türkei als Diktatur und alle wissen, dass der türkische Staat ein Besatzerstaat ist, der einen Genozid an den Kurd:innen verübt. Aber ein PDKler stellt sich hin und zeichnet ein Bild von der Türkei als demokratisches Land und Freundin der Kurden. Das AKP/MHP-Regime stützt sich auf solche Aussagen und verübt einen Genozid und besetzt Rojava.

Die PDK hat aus Südkurdistan eine Diktatur gemacht“

Tatsächlich sagt die PDK: „Die Türkei ist so demokratisch, dass sie sogar der Demokratischen Partei der Völker (HDP) Geld gibt.“ Dreister geht es einfach nicht. Tausende Politiker:innen wurden festgenommen, gewählte Bürgermeister:innen, Abgeordnete, Stadtratsmitglieder wurden inhaftiert. Es gibt nur noch 20–30 Abgeordnete der HDP im Parlament. Ihre Existenz benutzen sie, um sie der Welt vorzuführen. Die PDK führt mittlerweile den Spezialkrieg der Türkei. Auf diese Weise versuchen sie, den Genozid an den Kurd:innen zu verbergen. Wenn sie schon den Kampf des kurdischen Volkes nicht unterstützt, dann soll sie doch wenigstens nicht den Genozid legitimieren. Was ist das für ein Kurdentum? Ohne den 50-jährigen Kampf der PKK gäbe es heute keine PDK oder irgendwelche Errungenschaften in Südkurdistan. Aber sie loben den türkischen Staat und greifen die PKK an. Wer soll der PDK denn glauben? Die PDK hat aus Südkurdistan eine Diktatur gemacht.

Die Mörder von Xelîfan standen unter direktem Befehl der PDK“

Obwohl es für die Geschehnisse in Xelîfan einen Zeugen gibt, wurde noch immer keine Erklärung abgegeben. Der Freund (Haki Zîlan), der sich retten konnte, stammt aus der Jugendbewegung. An ihm sollten sich alle jungen Menschen ein Beispiel nehmen. Er lief 16 Tage hungrig, durstig, ohne Schuhe und findet seine Genoss:innen. Er ist ein Zeuge des Verbrechens. Die Angreifer legten den Freund:innen einen Hinterhalt und eröffneten ohne jede Vorwarnung das Feuer. So etwas macht nur der Feind. Der türkische Staat geht so vor. Wir haben auch noch andere direkte Informationen. Einige der sogenannten Roj-Peschmerga haben ihre Familien in Rojava vor dem Angriff in Xelîfan angerufen und ihnen gesagt: „Nach Xelîfan sind PKKler gekommen, jetzt gehen wir gegen sie vor.“ Es ist klar, dass die Mörder unserer Freund:innen direkt unter dem Befehl der PDK agieren, nicht unter dem der Regionalregierung. Die Söldner der Roj-Peschmerga sind eine Privatarmee der PDK. Sie sind nichts weiter als Verbrecher. Sie Peschmerga zu nennen, ist eine Beleidigung für alle diejenigen, die in der Vergangenheit als Peschmerga gekämpft haben. So wie die Türkei Jugendliche im Irak und Syrien zu Söldnern ausgebildet und auf die Welt losgelassen hat, hat dies auch die PDK getan. Was sind die Roj-Peschmerga für eine Kraft? Wer bezahlt sie? Sie werden nicht aus dem Regierungshaushalt bezahlt, eine solche Entscheidung gibt es nicht. Die Roj-Peschmerga werden vom Geld des Volkes bezahlt. Dann gehen sie nach Şengal und bezeichnen die Kinder des ezidischen Volkes als „ausländische Macht“.

Es ist klar, auf welche Weise die PDK in die Geschichte eingehen wird. Sie wird sich selbst ein Ende bereiten. Aber die PDK ist bereit, das kurdische Volk mit in den Abgrund zu reißen. Es ist unglaublich, dass es eine so engstirnige Kraft gibt, welche das Vorgehen des türkischen Staates nicht begreift und so massiv Propaganda für einen kurdenfeindlichen Staat macht. Wegen Helepçe (Halabdscha) sind Chemiewaffeneinsätze ein sensibles Thema in Südkurdistan. Die USA benutzten Chemiewaffen als Grund, um gegen Saddam vorzugehen. Gegen die kurdische Jugend, gegen die Guerilla, werden Chemiewaffen eingesetzt, aber die PDK schweigt dazu. Das zeigt die Realität der PDK.

Alle müssen Rechenschaft von der PDK einfordern“

Dagegen sollten kurdische Demokrat:innen, Künstler:innen und Intellektuelle Stellung beziehen. Dieses Schweigen und Zuschauen geht gar nicht. Wenn heute die kurdischen Demokraten, Künstler und Intellektuellen dabei zusehen, was die PDK der PKK antut, wird die PDK dasselbe morgen mit einer anderen Kraft tun. Insofern laden wir alle ein, Verantwortung zu übernehmen. Die PDK muss sich für die Gefallenen von Xelîfan verantworten.

Sind chemische Waffen legal, wenn sie gegen Kurd:innen eingesetzt werden?“

Der türkische Staat setzt Chemiewaffen gegen die Guerilla ein. Die HPG haben berichtet, dass fünf Kämpfer:innen in Werxelê durch Giftgas getötet wurden. Die internationalen Mächte schweigen dazu. Was bedeutet das Ihrer Meinung nach?

Der türkische Staat setzt seit Monaten Chemiewaffen ein. Insbesondere den Guerillakämpfer:innen in den Kriegstunneln kann er nichts anhaben. Als auch die Flugzeuge wirkungslos waren, griff der türkische Staat zu Chemiewaffen. Seit Monaten wird darauf hingewiesen, aber niemand unternimmt etwas, so als ob der türkische Staat das Recht hätte, chemische Waffen einzusetzen. Es ist ein Kriegsverbrechen. Sind diese Waffen aber legal, wenn es um die PKK und Kurden geht? Die UN, die EU, die Staaten, die den Einsatz chemischer Waffen verboten haben, müssen das erklären. Das ist verabscheuungswürdig. Der türkische Staat wird so morgen nicht nur gegen die Kurd:innen vorgehen. Der Staat hat bereits zugegeben, was er damals beim Dersim-Massaker getan hat. Es wurde gesagt: „Wir haben Menschen wie Ratten in Höhlen vergiftet.“ Die Weltgemeinschaft muss darauf reagieren. Sonst verliert sie jede Glaubwürdigkeit. Es ist, als ob der türkische Staat von allen Gesetzen und internationalen Vereinbarungen ausgenommen ist. Er fiel in Efrîn ein und massakrierte Hunderte von Zivilist:innen, aber niemand wurde zur Rechenschaft gezogen. Drohnen haben Hunderte von Zivilist:innen getötet, niemand wurde zur Rechenschaft gezogen. Es gibt internationale Gesetze über den Einsatz von Drohnen. Sie tragen immer das Risiko, Zivilist:innen zu töten, und das tut der türkische Staat.

Wie soll die Guerilla gegen Giftgas kämpfen?“

Auch die kurdische Öffentlichkeit muss sich mobilisieren. Ja, die Guerilla kämpft, aber wie soll sie gegen Giftgas, gegen chemische Waffen kämpfen? Die Atombombe wurde auf Japan abgeworfen, was ist passiert? Die Japaner mussten kapitulieren. Der türkische Staat will dasselbe mit der Guerilla tun; er will die Guerilla mit chemischen Waffen vernichten. Das türkische Militär hat ohnehin nicht die Entschlossenheit, der Guerilla die Stirn die Stirn zu bieten und zu kämpfen. Es gibt keinen Kampf von Angesicht zu Angesicht. Wenn sie mit der Guerilla mit gleichen Waffen vorgehen würden, dann könnten die türkischen Soldaten nicht einen Tag gegen sie aushalten. Sie würden alle fliehen. Denn unsere Guerilla kämpft voller Opferbereitschaft. Sie kämpfen seit fast sechs Monaten ohne Unterbrechung gegen die türkische Armee. Der türkische Staat ist gegenüber der Guerilla hilflos und greift daher zu chemischen Waffen. Der Einsatz chemischer Waffen ist ein Indiz der Niederlage. Alle, die chemische Waffen einsetzten, sind besiegt worden.

Unsere Bevölkerung in Europa muss die Hölle losbrechen lassen“

Die Guerilla leistet Widerstand, und wird dies auch weiterhin tun. Aber der Feind verfügt über Chemiewaffen. Die Guerilla muss in dieser Hinsicht Unterstützung erhalten, und es muss eine Mobilisierung gegen die Benutzung chemischer Waffen geben. Unser Volk, insbesondere die Jugend, müssen in Europa die Hölle losbrechen lassen. Wenn die Guerilla zu diesem Zeitpunkt nicht unterstützt werden soll, wann denn dann? Das gesamte kurdische Volk muss sich gegen dieses Verbrechen stellen. So wie damals zu Helebce Haltung bezogen haben, muss jetzt das gegen die Chemiewaffenangriffe gegen die Guerilla geschehen.