Historischem Sonnentempel droht der Zerfall

Ein Sonnentempel in Hezex, der vermutlich schon den Medern als Kultzentrum galt, droht zu verschwinden. An den Wänden im inneren Teil sind noch Reste des Symbols von Šamaš, dem Sonnengott in der akkadischen und babylonischen Mythologie, zu erkennen.

Die nordkurdische Kreisstadt Hezex (türk. Idil) in der Provinz Şirnex (Şırnak) sorgt sich um die Zukunft der Überreste eines historischen Sonnentempels. Die Ruine in einem Wohngebiet inmitten des Aramäischen Viertels droht zu zerfallen. Das Bauwerk ist archäologisch wenig erforscht, es wird allerdings davon ausgegangen, dass es sich um einen dem Sonnengott Šamaš (Schamasch) geweihten Tempel handelt. Šamaš war in der akkadischen und babylonischen Mythologie der Sonnengott, Gott der Gerechtigkeit und des Wahrsagens. Er entsprach dem sumerischen Gott Utu, doch ähnlich wie bei dem Gott Ninurta gibt es Hinweise darauf, dass es sich ursprünglich um eine weibliche Gottheit handelte. Nach Jimmy Jack McBee Roberts wurde erst beim Zusammentreffen mit der sumerischen Kultur am Anfang der Akkadzeit und der Gleichsetzung von Šamaš mit Utu aus der weiblichen Sonne ein männlicher Gott.

Tempel schon Kultzentrum der Meder

Kurdischen Quellen zufolge galt der Sonnentempel in Hezex sowohl den Medern als auch den Völkern der Guti, Assyrer, Akkader und Perser als Kultzentrum. Das Dach im nördlichen Teil des Tempels ist teilweise eingestürzt, die Mauern des Bauwerks stehen noch. An den Wänden im inneren Teil sind noch Reste des Symbols von Šamaš, eine Sonnenscheibe mit wellenförmigen Strahlen, zu erkennen. Durch eine kleine Öffnung bahnt sich die Sonne einen Weg in den Tempel. Rechts von der Stelle, wo die Sonnenstrahlen auf den Boden treffen, befindet sich ein Altar, auf dem als Gabe an die Sonnengötter vorgesehene Tiere geopfert wurden.

Sonnentempel im Aramäischen Viertel in Hezex

Begründer des Sonnenkults: Zarathustra

Der Sonnenkult hatte bei den alten Kulturen im Zweistromland einen hohen Stellenwert, Göttinnen und Götter der Sonne galten als Spender*innen des Lichts. In Tempeln versammelten sich die verschiedenen Kulturen und Gemeinschaften, um die Jahreszeiten zu bestimmen, die Sonne anzubeten und ihre spirituelle Kraft zu erhalten. Als Begründer des Sonnenkults gilt Zarathustra (kurd. Zerdeşt). Er lehrte im zweiten oder ersten Jahrtausend v. Chr. in Avestisch und verhalf dem nach ihm benannten Zoroastrismus zum späteren Durchbruch als persisch-medische Religion, weshalb er beispielsweise auch „Religionsstifter“ genannt wird. Der zarathustrische Sonnenkult besteht bis heute bei den Parsen, Eziden und Aleviten fort.

Symbol von Šamaš

Die Bewohnerinnen und Bewohner von Hezex sind besorgt darüber, dass ihr Sonnentempel schon bald verschwinden könnte. Sollte die Gleichgültigkeit der Behörden, die bisher keine Restaurierungsarbeiten eingeleitet haben, anhalten, kann der Verlust der kulturellen Stätte nicht aufgehalten werden.