Drohender Stimmenverlust für HDP durch Wahlurnenverlegung

Aus Furcht vor einer Niederlage bei den vorgezogenen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen am 24. Juni in der Türkei greift das AKP/MHP-Regime zu dubiosen Methoden.

In den nordkurdischen Provinzen Şirnex (Şırnak) und Colemêrg (Hakkari) sollen auf Antrag der Gouverneursämter diverse Wahllokale zusammengeschlossen werden. In beiden Provinzen ist der Stimmenanteil für die Demokratische Partei der Völker (HDP) traditionell überdurchschnittlich hoch. In Colemêrg wurde die Zusammenlegung von 134 Wahlurnen aus verschiedenen Dörfern und Stadtvierteln auf 38 Dörfer beantragt. Ähnlich sieht es Şirnex aus.

Sancar: Stimmen in kurdischen Provinzen sind in Gefahr

Der HDP-Abgeordnete Mithat Sincar ist in Ankara mit Sadi Güven, dem Vorsitzenden des Hohen Wahlausschusses (YSK), zu einem Gespräch über diese Problematik zusammengetroffen. Im Anschluss an das Gespräch erklärte er, dass in 18 kurdischen Provinzen die Zusammenlegung von Wahllokalen beantragt worden sei. Die geplanten Maßnahmen betreffen nach Angaben Sancars 270.000 Wählerinnen und Wähler. „Der YSK berät seit gestern über die Anträge. Es sieht so aus, dass einige schon beschlossene Sache sind“, so der HDP-Abgeordnete.

„Bei den Präsidentschaftswahlen können selbst 0,1 Prozent das Ergebnis beeinflussen. Ein sehr geringer Stimmenanteil kann entscheidend bei der Frage sein, wer der nächste Staatspräsident wird. Ein anderes Problem ist die Wahlhürde von zehn Prozent. 270.000 Stimmen sind für die HDP von großem Gewicht. Wenn den Wählern der Weg ins Wahllokal zu weit ist oder sie dort eingeschüchtert werden, damit sie ihre Stimme nicht der HDP geben, bedeutet dies einen schweren Eingriff in die Wahlergebnisse. Es heißt, dass die Entfernung zu den Wahllokalen höchstens fünf Kilometer beträgt, aber wer die Gegend kennt, weiß, was fünf Kilometer dort bedeuten können.“

„Kann die Türkei die Sicherheit in ihren Dörfern nicht gewährleisten?“

Die Begründung für die Zusammenlegung der Wahllokale sei „die Sicherheit“, so Sancar. „Da fragen wir natürlich, ob die Türkei nicht in der Lage ist, die Sicherheit in ihren Dörfern zu gewährleisten. Neunzig Prozent der betroffenen Wahlurnen sollten wieder an denselben Orten wie bei den Wahlen vom 1. November aufgestellt werden. Am 1. November fanden ausgedehnte Militäroperationen und heftige Gefechte statt. Insofern ist die Begründung nicht überzeugend.“

Sancar erinnerte weiter an die unversiegelten Stimmen, die bei dem Referendum am 16. April aufgetaucht seien: „Wie beim Referendum werden auch bei den Wahlen am 24. Juni Verdachtsmomente auftreten. Die Verantwortung dafür trägt der Wahlausschuss. Der YSK ist damit beauftragt, die Rechte der Wählerschaft zu schützen. Wenn das passive und das aktive Wahlrecht nicht frei ausgeübt werden kann, ist eine grundlegende Voraussetzung der Demokratie zerstört.“