YPG-Kommandant Sipan Hemo: Efrîn wird das Finale sein

Der YPG-Oberkommandierende Sipan Hemo hat sich gegenüber ANF zu den türkischen Besatzungsversuchen von Efrîn und Minbic geäußert.

Im ANF-Interview erklärte der YPG-Kommandant Sipan Hemo: „So wie YPG/YPJ die Region vom IS befreit haben, scheint es unser Schicksal zu sein, die Gegend auch von der Erdoğan-Plage befreien zu müssen.“

Die YPG werde die Errungenschaften der Völker Rojavas und Syriens weiterhin schützen und habe entsprechende Vorbereitungen getroffen, so Hemo weiter. „Als YPG werden wir entsprechend unserer Verteidigungsstrategie auf jeden Angriff auf Efrîn oder jeden anderen Ort in Rojava reagieren, unabhängig ob die Bedrohung durch Erdoğan oder eine andere Stelle erfolgt. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.“

Von Rojava sind niemals Angriffe ausgegangen

In Kürze werde sich zeigen, welche Haltung Russland, die USA und der Iran zu einem türkischen Besatzungsversuch annehmen werden, erklärte Hemo weiter. Die Drohungen des türkischen Staatspräsidenten Erdoğan kommentierte der YPG-Kommandant folgendermaßen: „Innerhalb des seit sechs Jahren in Rojava-Kurdistan andauernden Kampfes sind unsere Kräfte niemals über die festgelegten Ziele hinausgegangen. Wir haben schon immer offen erklärt, dass wir die Errungenschaften des kurdischen Volkes in Rojava verteidigen werden. Dementsprechend haben wir Rojava gegen Angriffe verteidigt. Im Kampf gegen terroristische Kräfte haben große Heldentaten stattgefunden und es wurden historische Schritte gesetzt.“

Der türkische Staat greife Rojava seit sechs Jahren bei jeder Gelegenheit an, so Hemo weiter. Insofern seien die türkischen Drohungen nichts Neues: „Alle Angriffe, die auf unterschiedlichen Ebenen in den vergangenen sechs Jahren stattgefunden haben, verliefen erfolglos.“

Mit den früheren Angriffen auf Aleppo und Efrîn, die der türkische Staat über paramilitärische Gruppierungen ausgeführt habe, sei stets bezweckt worden, Konflikte zwischen der kurdischen Bevölkerung und anderen Bevölkerungsgruppen hervorzurufen. „Da dies misslungen ist, wurde direkt nach der Revolution vom 19. Juli mit der Hilfe von Cephet El Nusra ein Angriff auf unsere Kräfte in Serêkanî ausgeübt. Unsere Kräfte haben Widerstand geleistet und die Stadt von paramilitärischen Gruppen gesäubert.“

Hinter Erdoğans Drohungen steckt Hilflosigkeit

2014 habe der türkische Staat verschiedene Gruppierungen nach Syrien gebracht und den IS einen Großangriff auf Kobanê starten lassen, so Hemo. Alle türkischen Pläne seien jedoch zunichte gemacht worden. „Heute sind wir mit einer anderen Situation konfrontiert. Es hat sich herausgestellt, dass alle Intrigen und schmutzigen Machenschaften Erdoğans und des türkischen Geheimdienstes MIT zunichte gemacht werden konnten. Inzwischen ist allgemein bekannt, dass Erdoğan mit Terroristen zusammenarbeitet. Da der türkische Staat kein weiteres Szenario mehr anzubieten hat, setzt er jetzt auf eine offene Bedrohung Efrîns.“

Die Verteidigung Efrîns sei die Aufgabe der YPG und gleichzeitig ihr legitimes Recht, so Hemo weiter: „Diese Aufgabe werden wir erfüllen. Die schmutzigen Pläne Erdoğans werden ein weiteres Mal eine Niederlage erfahren. Wir werden dafür sorgen, dass die Völker Rojavas, Syriens und sogar der Türkei letztendlich von unserem Widerstand profitieren.“

„Wir sind seit langem vorbereitet“

Auf die Frage, inwieweit die YPG auf einen türkischen Besatzungsversuch vorbereitet seien, antwortete Hemo: „Wir sind seit langem auf alles vorbereitet. Das weiß auch die Bevölkerung Efrîns. Ebenso haben wir vollstes Vertrauen in die Bevölkerung, dass sie starken Widerstand leisten wird, um den Kanton zu schützen.“

Zur Frage, ob der türkische Staat die Zustimmung Russlands oder der USA für einen Angriff auf Efrîn bekommen habe, erklärte der YPG-Kommandant: „Uns liegen keine offiziellen Informationen vor. Wagt der türkische Staat jedoch tatsächlich einen Angriff auf Efrîn, tragen alle die Verantwortung dafür. Ohne Zustimmung des Iran, Russlands, Syriens und sogar der USA kann die Türkei einen solchen Angriff nicht durchführen, weil das internationale Recht es nicht zulässt. Daher müssten diese Staaten einen Angriff zumindest tolerieren. Wenn sie sich nicht eindeutig dagegen stellen, tragen sie alle aus kurdischer Sicht die Verantwortung dafür.“

Stillschweigen angesichts der Drohungen Erdoğans verweise darauf, dass es ein antikurdisches Konzept gebe, in dem der Türkei die Aufgabe übertragen worden sei, die Kurden anzugreifen. „Bisher haben wir noch keine ernsthaften Reaktionen auf Erdoğans offene Drohungen verzeichnen können. Sollte der Angriff tatsächlich stattfinden, würde es bedeuten, dass die involvierten Staaten Erdoğan unterstützen. Sie mögen dabei ihre eigenen Interessen verfolgen, aber wir werden es nicht hinnehmen, dass die Menschen Rojavas zum Gegenstand schmutziger Verhandlungen gemacht werden.“

Seit einer Woche sei die Lage in Efrîn sehr angespannt, erläuterte Hemo weiter. Es komme immer wieder zu Angriffen, auf die bisher kein anderer Staat reagiert habe. „Selbst Syrien hat keine Stellungnahme dazu abgegeben, obwohl es sich aus Sicht des Regimes um das eigene Territorium handelt. Auch Russland hat keine offizielle Erklärung abgegeben. Wir werden diese Haltung weiter beobachten. Sollte weiterhin keine Reaktion erfolgen, müssen wir davon ausgehen, dass diese Staaten auf der angreifenden Seite stehen.“

Aufruf an die syrische Bevölkerung

Es sei an der Zeit, auch den Menschen aus Syrien einige Sachverhalte offen zu sagen, so Hemo: „Die Revolution Syriens hat 2011 mit dem Ziel begonnen, die Bevölkerung zu befreien. Wir haben uns damals eindeutig dazu verhalten und uns auf die Seite der Volksaufstände gestellt. Leider wurde dieser revolutionäre Aufbruch, der hehre Ziele verfolgte, von Erdoğan und anderen für ihre schmutzigen Pläne missbraucht.“ Den Völkern Syriens sei zunächst Hoffnung gemacht worden. Anschließend sei versucht worden, sie für eigene Interessen zu benutzen. „Die Revolution Syriens wurde in den Dienst islamistischer Gruppierungen wie Cephet El Nusra und IS gestellt. Dadurch hat sich die weltweite Unterstützung verringert.“

Erdoğan eine Plage für die gesamte Region

Zum Schluss erklärte Sipan Hemo, aus einem möglichen Angriff auf Efrîn werde ein großer Krieg hervorgehen, der einem Finale gleichkomme: „Diese Finale wird sich auf Rojava, auf das gesamte kurdische Volk in allen Teilen Kurdistans und ebenso auf alle Völker des Mittleren Ostens auswirken. Der Staatspräsident des türkischen Staates hat offenkundig psychische Probleme und ist zu einer Plage für die gesamte Region geworden. Es scheint unser Schicksal zu sein, dass wir die Region auch von dieser Plage befreien müssen.“