Türkeibericht der Bundesregierung: „Grundrechte ausgehebelt“

In einem vertraulichen Länderbericht des Auswärtigen Amts beschreibt die Bundesregierung die Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit als „weitgehend ausgehebelt“, während sie die Flüchtlingspolitik des Erdoğan-Regimes lobt.

In einem an die Presse durchgesickerten internen Länderbericht der Bundesregierung zur Türkei wird die Aushebelung der Meinungsfreiheit und die politische Justiz klar benannt. In dem Bericht heißt es: „Die türkische Verfassung garantiert Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Meinungs- und Pressefreiheit. In der Praxis sind die Rechte aber weitgehend ausgehebelt.“ Damit stellt die Bundesregierung das Offensichtliche fest und fährt fort, die türkischen Print- und TV-Medien seien „nahezu vollständig gleichgeschaltet“.

Die Länderberichte der Bundesregierung werden als Verschlusssache gehandhabt, da die Bundesregierung hier ohne diplomatische Rücksichtnahme die Situation in den betreffenden Staaten als Leitfaden für Behörden, wie das Bundesamt für Migration, darzustellen versucht. Das Dokument stammt vom 24. August und ist damit weitgehend aktuell. Im vergangenen Jahr lag die bereinigte Schutzquote für Asylantragsteller*innen, also die Schutzquote unter Abzug formaler Entscheidungen bei etwa 50 Prozent.

Gülen- und PKK-Anhänger werden im Ausland ausgespäht“

In dem Bericht ist auch die Rede von Agentennetzwerken des AKP/MHP-Regimes: „Es kann davon ausgegangen werden, dass türkische Stellen Regierungsgegner, darunter insbesondere (auch vermeintliche) PKK- und Gülen-Anhänger, im Ausland ausspähen, ebenso wie sie Tätigkeiten von in Deutschland registrierten Vereinen beobachten.“

Kritik in kurdisch geprägten Gebieten wird als Terror verfolgt“

Die türkische Regierung setze bei der Verfolgung von Kritiker*innen auf Terrorvorwürfe, weiß auch der Bericht zu benennen. Dazu heißt es: „Öffentliche Kritik am Vorgehen der türkischen Sicherheitskräfte in den kurdisch geprägten Gebieten der Südosttürkei“ könne den Tatbestand der Terrorpropaganda erfüllen.

Justiz in weiten Teilen „dysfunktional“

Die Bundesregierung bezeichnet die türkische Justiz als „in weiten Teilen dysfunktional“ und „in Teilen“ auch politisch beeinflusst. So wurden „einzelne Richter nach kontroversen Entscheidungen suspendiert oder (straf-)versetzt, woraufhin andere Richter gegen die gleichen Angeklagten zum politisch opportunen Ergebnis kamen“, schreibt die Bundesregierung.

Migrationspolitische Scheuklappen

Während die Bundesregierung nur die Spitze des Eisbergs der Repression in der Türkei und Kurdistan beschreibt, beschönigt sie die katastrophale Lage der Schutzsuchenden deutlich. So gebe es zwar Berichte über Misshandlungen von Geflüchteten durch Sicherheitskräfte und über erzwungene Unterzeichnungen von Erklärungen zur freiwilligen Ausreise, es sei aber „nicht erkennbar, dass dies eine systematische Praxis darstellt. UNHCR evaluiert die Flüchtlingspolitik der Türkei auch im internationalen Vergleich tendenziell positiv.“

Pro-Asyl: Skandalös, einem solchen Unrechtsregime Schutzsuchende anzuvertrauen

Der Geschäftsführer der Organisation Pro-Asyl, Günther Burkhard, kritisierte diese Haltung gegenüber Deutsche Welle scharf: „Die Türkei ist eine Black Box, was den Umgang mit Schutzsuchenden angeht. Es ist skandalös, dass Deutschland und die EU solch einem Unrechtsregime Schutzsuchende anvertrauen. Die türkischen Behörden geben Geflüchteten kaum Möglichkeiten, sich registrieren zu lassen. Damit bleiben sei in der Illegalität und sind von Abschiebung permanent bedroht.“