Frankreich: Erdoğan-treuer Dschihadistenverein aufgelöst

Nach dem Mord am Geschichtslehrer Samuel Paty in Paris wurde der dschihadistische, pro-AKP-Verein BarakaCity von den französischen Behörden aufgelöst. Der Vereinsvorsitzende bittet die Türkei um Asyl.

Das französische Innenministerium hat den dschihadistischen Tarnverein BarakaCity aufgelöst. Das salafistische Projekt organisierte Dschihadisten unter dem Deckmantel der humanitären Hilfe. In dem Auflösungsbeschluss wird der Organisation eine Scharnierfunktion im dschihadistischen Spektrum attestiert und die „Vorbereitung terroristischer Aktionen“ zur Last gelegt.

BarakaCity – Netzwerk der Muslimbruderschaft

BarakaCity gehört zum Netzwerk der Muslimbruderschaft und verfügt über beste Verbindungen nach Ankara. Der Erdoğan-nahe Verein sammelte Geld für den Vater, der gegen den in Paris ermordeten Geschichtslehrer seiner Tochter mobilisiert hatte und derzeit in Haft sitzt. Darüber hinaus wurden 51 weitere islamistische Organisationen in Frankreich aufgelöst.

Idris Sihamedi, der Vorsitzende des Vereins, bat per Twitter beim türkischen Regimechef nach einer Hausdurchsuchung um „politisches Asyl“ für sich und sein Team. Der Verein könnte sein neues „internationales Zentrum“ in der Türkei aufbauen.

BarakaCity ist 2008 von der Muslimbruderschaft gegründet worden. Erdoğan stellt mittlerweile die absolute Frontfigur dieses islamistischen Netzwerks dar und nutzt diese Organisation, um seine neoosmanischen Ambitionen im Mittleren Osten, dem Maghreb und Ägypten umzusetzen. Die Muslimbruderschaft ist organisatorisch, ideologisch und politisch mittlerweile sehr eng mit dem Erdoğan-Regime verbunden.

Sihamedi rechtfertigt dschihadistische Anschläge

Idris Sihamed rechtfertigt immer wieder über die sozialen Netzwerke dschihadistische Anschläge und äußert seine Bewunderung für Erdoğan. Zu Beginn des Prozesses wegen des Massakers bei Charlie Ebdo erklärte er am 3. September auf seiner Facebookseite: „Niemand darf unseren Propheten angreifen. Allah möge Charlie verfluchen und ihre Gräber mit der Hitze der Sonne verbrennen.“

Dschihadistische Propaganda: „Lieben den Tod mehr als das Leben“

Eine Woche vorher, am 27. August, schrieb er: „Für einen Gläubigen ist es das schönste im Leben, als Märtyrer zu sterben. (…) Das ist es, was uns von ihnen unterscheidet. Wir lieben den Tod, so wie sie das Leben.“ Diese Worte stellen ein Zitat des Al-Qaida-Attentäters Mohamed Merah dar, der im März 2012 in Toulouse und Montauban sieben Menschen tötete und sechs weitere verletzte. Das Zitat wurde immer wieder vom „Islamischen Staat” (IS) in seiner Propaganda aufgegriffen.

Trojanisches Pferd der Türkei

Die Zusammenarbeit Sihamedis mit dem türkischen Staat ist ebenso wenig wie sein Dschihadismus ein Geheimnis. Auf Twitter präsentiert sich Sihamedi als glühender Erdoğan-Anhänger. Er teilt fleißig die türkische staatliche Nachrichtenagentur Anadolu, die ihn nach dem Vereinsverbot ausgiebig zu Wort kommen lässt. Am 5. Oktober erklärte er, er habe aus der Türkei Corona-Test-Kits erhalten. Er veröffentlichte Bilder von diesen. Am 10. Oktober teilte er über ein Treffen des Vereins mit, man sei bereit zum „Engagement für die türkische Gesellschaft“.

Zwei Mal wegen Drohungen gegen Journalisten festgenommen

Im Oktober war Sihamedi zweimal wegen verbaler Attacken auf Journalisten im Internet festgenommen und unter Meldeauflagen freigelassen worden. Die türkische Regierung war die einzige Staatsführung, die offiziell gegen seine Festnahme und die Durchsuchung seines Vereins protestierte. Erdoğan setzte BarakaCity deswegen auf die Tagesordnung und versuchte, die Ermittlungen gegen den Verein als Angriff auf alle Muslime darzustellen. Die Erdoğan-Unterstützer in Frankreich gingen sogar noch weiter und verglichen die Festnahme des Dschihadisten mit der Shoah.

Es gibt viele weitere Hinweise auf die engen Verbindungen von BarakaCity zum Erdoğan-Regime. Am 22. März 2020 veröffentlichte die von der AKP-kontrollierte staatliche Nachrichtenagentur Anadolu die Meldung: „Frankreich bittet Erdoğan um eine Million Masken“. Erst bei genauem Hinsehen wurde klar, dass nicht Frankreich, sondern BarakaCity um die Masken gebeten hatte.

Hilfe für Besatzer in Efrîn

Sihamedi schickte auch an die dschihadistischen Besatzer von Efrîn in Nordsyrien Hilfe. Im März 2020 verkündete er über Twitter, BarakaCity habe mittlerweile eine Dependance in Efrîn. Es ist nicht vorstellbar, dass die Einrichtung einer solchen ohne die Unterstützung des türkischen Staats in den besetzten Gebieten möglich gewesen wäre.

Büro in der Türkei wird von Salafisten geleitet

In der Auflösungserklärung des Innenministeriums wird auch das Türkei-Büro von BarakaCity angesprochen. Darin heißt es, das Büro werde von Mehmet Uzun, einem Unterstützer von Dschihadisten in Syrien, der in Dutzende Straftaten verwickelt ist, geleitet.

Am 4. Dezember steht Sihamedi wegen der Angriffe auf Journalisten in sozialen Netzwerken vor Gericht. Die Mitarbeiterin des Radios RMC, Zohra Bitan, hatte Klage wegen 120 Tweets, die Diffamierungen und Beleidigungen beinhalteten, eingereicht.

Werden auch türkische Rassistenvereine verboten?

In Frankreich gibt es ein weites Netzwerk türkischer rassistischer Vereine und türkischer Spionage. Darunter befindet sich eine AKP-Ablegerpartei, die zu Wahlen antritt, sowie Moscheen, Vereine und die Grauen Wölfe. Im Sommer marschierten teilweise vermummte türkische Rassisten in Lyon gegen eine proarmenische Demonstration auf.

Am 28. Oktober kam es in Decines in Lyon zu Hetzjagden auf Armenier. Türkische Rassisten zogen durch die Straßen, riefen Erdoğan-Parolen, „Allahu Ekber" und rassistische Parolen gegen Armenier*innen. Die Täter verübten mehreren Gewalttaten im Stadtzentrum und die Polizei musste gegen den Mob vorgehen.

Diese Strukturen des AKP/MHP-Regimes gehen auch aktiv gegen die Opposition gegen Erdoğan in Frankreich vor und betreiben dschihadistische Propaganda. Das betrifft nicht nur Frankreich, auch in Ländern wie Deutschland und Österreich wird kaum etwas gegen diese Netzwerke unternommen.