Finanzierung von SETA aufgedeckt

Aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion geht hervor, dass der Thinktank SETA aus den höchsten Rängen des Erdoğan-Regimes finanziert wird.

In der letzten Zeit geriet die „Stiftung für politische wirtschaftliche und gesellschaftlich Forschung“ (SETA) aus Ankara in den Fokus öffentlicher Kritik. Hintergrund ist ein von SETA veröffentlichter Bericht unter dem Titel „Der verlängerte Arm internationaler Medienorganisationen in der Türkei“, in dem ausländische Journalist*innen, die sich der türkischen Regierungspartei AKP und dem türkischen Staatschef Erdoğan gegenüber kritisch geäußert hatten, gelistet wurden. Die Tagesschau stellte hierzu fest, es gehe offensichtlich darum, „türkische Mitarbeiter internationaler Medienhäuser, wie BBC, Deutsche Welle, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung oder Voice of America an den Pranger zu stellen“.

666 Seiten starker Bericht über vermeintliche PKK-Strukturen in Deutschland

Dass SETA auch in Europa aktiv ist, zeigt der im März 2019 veröffentlichte 666 Seiten umfassende Bericht „Die Struktur der PKK in Europa“. In dem Bericht werden europäische Politiker, Menschenrechtsaktivisten, Wissenschaftler, Künstler und Publikationen namentlich als PKK-Unterstützer gebrandmarkt. Teilweise erfolgt die Charakterisierung der Publikationen und Personen direkt in Verbindung mit Vorwürfen wie „Mitgliedschaft“ oder „Propaganda für eine Terrororganisation“. Hier deutet alles darauf hin, dass der Thinktank bereits die Vorfeldermittlungen für den türkischen Geheimdienst bzw. das Regime anstrengt.

Verbindungen zur CDU/CSU-Fraktion

Seit zwei Jahren verfügt SETA über eine Vertretung in Berlin. Der Büroleiter Zafer Meşe ist kein Unbekannter. Nach Recherchen von Deutsche Welle arbeitete er zuvor acht Jahre lang als wissenschaftlicher Mitarbeiter für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion mit einem Fokus auf außen- und sicherheitspolitische Themen.

Kleine Anfrage zu den Machenschaften von SETA

Die innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Ulla Jelpke, initiierte eine Kleine Anfrage zu den Machenschaften des AKP-nahen Thinktanks. Dabei gab sich die Bundesregierung extrem zugeknöpft und verweigerte den Abgeordneten Auskunft über das Gefährdungspotential und etwaige Ermittlungen gegen die Stiftung.

Verbindung zwischen SETA und der türkischen AKP-Regierung

Die SETA-Stiftung verfügt nach Angaben der Bundesregierung über einen Hauptsitz in Ankara und Büros in Istanbul, Brüssel, Washington D.C., Kairo und seit 2017 auch in Berlin. Sie gelte als regierungsnah und wird maßgeblich von der Familie Albayrak finanziert. Die Familie Albayrak ist direkt mit der Familie Erdoğan verbunden. So ist Berat Albayrak Erdoğans Schwiegersohn und Finanzminister. Sein Vater, Sadik Albayrak, gehört seit langem zu Erdoğans engstem Zirkel. Gleichzeitig steht der Bruder von Berat Albayrak, Serhat Albayrak, SETA wie auch der Sabah-Mediengruppe, die für ihre Hetze gegen die Opposition berüchtigt ist, vor. Es gibt auch direkte personelle Verbindungen zwischen SETA und der türkischen Regierung. Regierungssprecher Fahrettin Altun sowie Erdoğan-Berater Ibrahim Kalin waren vorher für SETA tätig. In Deutschland sind in der Vergangenheit immer wieder Kontakte zwischen dem deutschen AKP-Ableger UETD bzw. UID und SETA festgestellt worden. Auch wenn die Bundesregierung davon keine Kenntnis haben möchte, kann man bei SETA von einem Komplex aus Regierung, Geheimdienst, Medienlandschaft und Erdoğan-Familie sprechen.

Jelpke: SETA bösartige Denunziationsorganisation des Erdoğan-Regimes

Die innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Ulla Jelpke erklärt hierzu gegenüber DW: „SETA ist keine harmlose wissenschaftliche Institution sondern eine bösartige Lobby- und Denunziationsorganisation des Erdoğan-Regimes. Sie stellt vermeintliche und reale Regimekritiker im Ausland an den Pranger und gibt diese zum Abschuss frei für türkisch-nationalistische Agenten, Trolle und Schläger. Dieser Organisation mit engsten Verbindungen in die Spitzen des AKP-Staates gehört das Handwerk gelegt.“

Geheimhaltungspolitik der Bundesregierung stinkt zum Himmel

Die Bundesregierung äußerte sich praktisch gar nicht zu Beobachtungen oder Ermittlungen gegen SETA in Deutschland. Diese Angaben seien so geheim, dass sie den Abgeordneten nicht einmal geheim mitgeteilt werden könnten. Jelpke nannte dies einen „Skandal“, die Öffentlichkeit und insbesondere die Betroffenen hätten ein Recht darauf zu erfahren, wie gefährlich diese Organisation ist. So gibt die Bundesregierung auch keine Auskunft darüber, ob sie sich mit der Anzahl deutscher Staatsbürger, die in den SETA-Berichten denunziert wurden, beschäftigt hat. Sie deutet aber vorsichtig an, dass SETA ein Fall für den Verfassungsschutz sein könnte. Alles weitere sei aber zu geheim, um darüber zu berichten. Die Frage nach der potentiellen Gefährdung der durch SETA denunzierten Personen beantwortet die Bundesregierung überhaupt nicht. Jelpke dazu weiter: „Die Verdunkelungspolitik der Bundesregierung bezüglich wichtiger Informationen über diesen gefährlichen Thinktank ist ein Unding. Hier werden hunderte Menschen denunziert und zum Abschuss freigegeben und die Bundesregierung ist weder bereit, über Gefährdungspotential noch über etwaige Ermittlungen gegen diesen Quasigeheimdienst Auskunft zu geben. Nicht einmal Abgeordnete bekommen Zugang zu diesen Informationen. Das stinkt doch danach, dass hier wieder einmal das Erdoğan-Regime geschützt werden soll.“

Bundesregierung nimmt Schutzverantwortung für Bürger nicht ernst

Die dänische Regierung zog ernsthafte Konsequenzen aus dem SETA-Bericht zu angeblichen PKK-Strukturen in Europa. Der dänische Geheimdienst PET rief alle etwa 100 Personen aus Dänemark, die im SETA-Bericht „Die Struktur der PKK in Europa“ erwähnt wurden, einzeln an und warnte diese. Außerdem rief der dänische Außenminister Jeppe Kofod den türkischen Außenminister in der Sache an. Vor diesem Hintergrund fragte Ulla Jelpke über die Kenntnisse der Bundesregierung über den Umgang der dänischen Regierung bezüglich der SETA-Stiftung. Hier antwortete die Bundesregierung, sie äußere sich zum Inhalt vertraulicher Gespräche dritter grundsätzlich nicht. Jelpke dazu gegenüber ANF: „In Dänemark hat die dortige Regierung 100 Personen, die in SETA-Berichten genannt wurden, deswegen gewarnt. Es mussten sogar 35 Namen auf Druck der Regierung wieder entfernt werden. Dagegen hat die Bundesregierung bisher offensichtlich keinerlei Maßnahmen zum Schutze der betroffenen deutschen Bürger ergriffen und ist nicht einmal bereit, sich zur dänischen Praxis zu äußern. Das ist mit der Schutzverantwortung der Bundesregierung gegenüber ihren Bürgern nicht vereinbar.“ Auch auf die Frage nach Kontaktaufnahme der Bundesregierung mit türkischen Behörden oder türkischen Staatsvertretern bezüglich der SETA-Berichte, antwortete die Bundesregierung nicht.

Bundesregierung nimmt keine Stellung zu Denunziationen durch SETA

Die Antwort der Bundesregierung auf die Frage, ob sie die Auffassung der Fragestellerinnen teile, wonach SETA zur Einschüchterung von Oppositionelle diene, beantwortet die Bundesregierung mit Verweis auf die nicht-beantwortete Frage. Das ist mehr als skandalös, da hier nicht nach Gesprächen, sondern nach der Rolle von SETA gefragt war. Jelpke dazu: „Die Bundesregierung ist weder bereit, klar zu benennen, ob sie gegenüber dem türkischen Staat das Vorgehen der Stiftung thematisiert hat, noch ist sie in der Lage, die Funktion dieser Stiftung als Instrument der Einschüchterung beim Namen zu nennen. Das ist eine Blamage.“