Ezidische Verbände: Efrîn ist nicht gefallen!

Ezidische Verbände fordern einen sofortigen Stopp der völkerrechtswidrigen Angriffe des türkischen Militärs im nordsyrischen Kanton Efrîn.

Die ezidischen Organisationen NAV-YÊK (Zentralverband der Êzîdischen Vereine e.V.), SMJÊ (Dachverband des Ezidischen Frauenrats e.V ), HCÊ (Bündnis der Êzîdischen Jugend) und NCÊ (Êzîdisches Zentrum für Kunst & Kultur) fordern ein Ende der Besatzung des nordsyrischen Kantons Efrîn. Für die Durchsetzung einer Flugverbotszone und die Umsetzung der UN-Resolution zu einer Waffenruhe in Syrien sei internationale Solidarität gefordert, heißt es in einer heute veröffentlichten Stellungnahme.

Weiter heißt es in der Erklärung:

„Der Widerstandskampf der kurdischen Kämpfer ist in eine andere Phase übergegangen. Die ersten 60 Tage haben zur Sicherheit der Menschen gedient, erst jetzt werden die kurdischen Widerstandseinheiten die Terror-Organisation, allen voran Erdoğan und seine AKP, IS, Cephet El-Nusra bekämpfen. Der türkische Staat mit seinen verbündeten Terrorbanden wie Jihadis, Cepet El-Nusra, al-Qaida, IS etc. führt seit dem 20. Januar 2018 einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Bevölkerung in Efrîn, dem kurdischen Kanton in Nordsyrien. Die YPG/YPJ sind diejenigen, die seit diesem Angriffskrieg Widerstand leisten und die zivile Bevölkerung vor den Terrorbanden schützen.

Efrîn ist eine der wenigen Regionen, die bislang von dem Bürgerkrieg in Syrien verschont geblieben war. Tausende von Flüchtlingen aus dem ganzen Land haben dort Zuflucht vor dem Terror und Bomben der Terrorbanden gefunden. Eine der wichtigsten Gründe, warum Efrîn bisher so sicher war, ist die Tatsache, dass die Widerstandseinheiten der YPG/YPJ diesen Kanton zu einer Sicherheitszone ausgeweitet hatten. Der Einmarsch der Türkei bringt nun eine neue Welle von Gewalt und Zerstörung mit sich. Die Besatzer, also die türkischen Truppen und die Terrorbanden der so genannten FSA (Freie Syrische Armee), machen aus dem friedlichen Kanton eine Kriegszone mit verheerenden Folgen. Die Bevölkerung von Efrîn, insbesondere religiöse Minderheiten wie Eziden und Christen, sind einem weiteren Genozid ausgesetzt. Deutsche Politiker wie die Bundeskanzlerin Angela Merkel und Thomas Oppermann (SPD) dankten den kurdischen Widerstandseinheiten für ihren tapferen Einsatz im Kampf gegen den IS. Denn sie waren es, die mit ihrem Leben die Eziden am 3. August 2014 vor dem Genozid durch den IS schützten. Sie haben sich den Terrormilizen mutig entgegengestellt und sind die wichtigsten Bündnispartner der USA und der Westmächte im Kampf gegen den Terror im Nahen und Mittleren Osten.

Nun sind deutsche Panzer, Gewehre, Haubitzen gegen diese Bündnispartner, gegen diese Helden der Menschlichkeit im Einsatz!

Beim Angriffskrieg der Türkei gegen die Kurden in Nordsyrien sind weit mehr deutsche Waffen und Technologien im Einsatz als bislang bekannt. Ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg eines NATO-Partners mit deutscher Unterstützung?! Die Bundesregierung hält an Rüstungsexporten in die Türkei grundsätzlich fest. Und das, obwohl die Türkei bei ihrer Offensive von Milizen unterstützt wird, unter denen sich auch islamistische und dschihadistische Söldner wie der IS und Ahrar al-Sham, befinden. Ahrar al-Sham, ein Gruppierung, die der Generalbundesanwalt als terroristische Vereinigung eingestuft hat, kämpft an der Seite des NATO-Partners Türkei mit deutschen Waffen.

Seit den letzten Besuchen des türkischen Außenministers Çavuşoğlu und des türkischen Ministerpräsidenten Yildirim in Deutschland wurden weitere schmutzige und unmoralische Deals ausgehandelt. Neue Waffenlieferungsgeschäfte wurden getätigt. Im Gegenzug wurde der in der Türkei als Geisel gehaltene deutsche Journalist Deniz Yücel noch über Nacht freigelassen. Ein weiterer Deal bzw. eine Forderung der türkischen Regierung ist das Verbot von kurdischen Vereinigungen und kurdischen Demonstrationen in Deutschland. Mit allen Mitteln werden seit Wochen kurdische Veranstaltungen, Institutionen, Vereine und Persönlichkeiten durch deutsche Behörden verboten und inhaftiert. Anstatt die Kurdinnen und Kurden in Deutschland mit allen Mitteln kriminalisieren zu wollen, was sowieso undenkbar ist, sollte die Bundesregierung umgehend den Deal mit dem Erdoğan-Regime beenden. Wir können uns daher dem Aufruf von Nadya Murad - Sonderbotschafterin für die Würde der Überlebenden von Menschenhandel der Vereinigten Nationen (UNODC) - anschließen, sofort zu handeln.

Kein zweites Şengal in Efrîn!

Die Kriegslust des türkischen Präsidenten scheint nach der Einnahme der kurdischen Stadt Efrîn in Syrien kein Ende nehmen zu wollen. Am Montag erklärte Erdoğan vor Pressevertretern in Ankara, man werde die in Efrîn begonnene Offensive in Syrien fortführen, und signalisierte auch einen militärischen Einmarsch in die nordirakische Region Şengal. Die Menschen in Efrîn/Rojava und Şengal wollen ein friedliches, multiethnisches, gleichberechtigtes Leben in ihren Jahrtausenden alten Siedlungsgebieten führen. Und wieder einmal sind Eziden in ihrer Geschichte Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit und der Ausrottung ausgesetzt. Laut den aktuellsten Berichten wurden 17 ezidische Frauen von den Terrorbanden in Efrîn entführt. Der Genozid/Feminizid vom 3. August 2014 an den Ezid*innen wird in Efrîn fortgeführt.

Wir rufen daher alle demokratischen Menschen, Institutionen und politischen Entscheidungsträger*innen dazu auf, uns darin zu unterstützen, unsere Selbstorganisierung fortzuführen und gegen die Angriffe der AKP in Efrîn, im gesamten Kurdistan, Şengal, Nordirak, Rojava und überall anders zu verteidigen. Wir rufen unsere Gesellschaft und die internationale Gemeinschaft dazu auf, ihre Stimme zu erheben und auf den Straßen zu protestieren. Efrîn braucht unsere Solidarität mehr denn je. Lasst uns gemeinsam gegen den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der Türkei und seiner Terrorbanden Widerstand leisten. Wir fordern den UN-Sicherheitsrat, die Bundesregierung und die NATO auf, einzugreifen und die türkische Invasion in Efrîn zu stoppen.

Weitere Forderungen:

• Wir fordern den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen auf, sich entschlossen für die Resolution 2401 einzusetzen und das türkische Regime für seine Aktionen in der Region Efrîn in Syrien zu verurteilen.

• Wir fordern die internationale Gemeinschaft nachdrücklich auf, den vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen beschlossenen Waffenstillstand durchzusetzen sowie die Bereitstellung von humanitärer und medizinischer Hilfe für Zivilisten sicherzustellen, die sowohl in Efrîn als auch in Ghouta dringend benötigt werden.

• Wir betonen die dringende Notwendigkeit der Einrichtung einer Flugverbotszone über der Region Efrîn, um das Leben von Zivilisten, als auch Wohngebiete, die zivile Infrastruktur und bedeutende Monumente und kulturelle Artefakte zu erhalten. Wir laden die internationale Gemeinschaft ein, die Durchsetzung dieser Flugverbotszone mit Friedenstruppen oder Beobachterdelegationen zu unterstützen.

Wir werden uns  weiterhin frauenbefreit, multiethnisch, multireligiös und basisdemokratisch organisieren. Hoch leben die Selbstverwaltungsstrukturen in Efrîn, Rojava und Şengal!“