Erdoğan erlässt Präsidialdekret für eigene TV-Sendung

Der türkische Präsident Erdoğan hat ein neues Dekret erlassen. Ab sofort werden seine Aktivitäten in einer 30-minütigen Fernsehsendung angekündigt. Die Sendung soll „İcraatın içinden“ heißen, was soviel bedeutet wie ‚Am Ort des Geschehens‘.

Mit seiner „Wiederwahl“ zum türkischen Staatspräsidenten ist auch das von Erdoğan angestrebte Präsidialsystem in Kraft getreten, das bei dem umstrittenen Verfassungsreferendum im April 2017 mit knapper Mehrheit gebilligt worden war. Zu den erweiterten Befugnissen Erdoğans gehört damit auch der Erlass von Präsidialdekreten, für die keine parlamentarische Grundlage oder Ermächtigung nötig ist. Mit dem jüngst erlassenen Präsidialdekret (Nummer 4) ist die Befürchtung vieler zur Gewissheit geworden: Der Präsident bekommt eine eigene TV-Sendung.

Ab demnächst wird in der Türkei jeden Monat eine 30-minütige Sendung ausgestrahlt, in der die Aktivitäten des Präsidenten angekündigt werden. Die Sendung mit dem Titel „İcraatın içinden“, was soviel bedeutet wie ‚Am Ort des Geschehens‘, soll auch in allen staatlichen Radiosendern laufen. Ziel sei es, die Bevölkerung über die „Gründe und Vorteile der Aktivitäten Erdoğans” zu informieren und „Aufklärungsarbeit über die Pflichten und Grundsätze des Präsidenten“ zu leisten. Raum für Gegendarstellungsrecht sei für die Sendung, die im türkischen Staatsfernsehen TRT ausgestrahlt werden soll, nicht vorgesehen. Auch sollen mit der Sendung „keine politischen Interessen“ angestrebt werden, heißt es weiter.

Obwohl Erdoğan mittlerweile über 90 Prozent der Medien kontrolliert, fühlt er sich offenbar noch immer nicht sicher. Und das, obwohl sogar Krankenhauseröffnungen, an denen der Präsident teilnimmt, live übertragen werden. Unabhängiger Journalismus wird von der Regierung generell als kriminell betrachtet, aufmüpfige Journalist*innen werden festgenommen oder verhaftet, oppositionelle Medienanstalten verboten und geschlossen, nicht regierungstreue Medienunternehmer*innen enteignet. Hinter dem Belagerungsfeldzug gegen die Medien des Landes scheint sich auch ein anderes Phänomen zu verbergen.

Im Dezember 1998, einige Zeit nachdem Erdoğan in die islamistische „Tugendpartei“ eingetreten war, trug er während einer Rede im nordkurdischen Sêrt (Siirt) ein Gedicht vor: „Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind. Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten.“ Wenige Monate später wurde Erdoğan wegen „Volksverhetzung“ zu zehn Monaten Haft verurteilt. Außerdem wurde ein lebenslanges Politikverbot über ihn verhängt. Erdoğan musste daraufhin seinen Bürgermeistersessel räumen und ging ins Gefängnis, auch wenn er noch vor Verbüßung seiner Haftstrafe vorzeitig entlassen wurde. Die türkische Tageszeitung Hürriyet hatte nach der Urteilsverkündung im Verfahren gegen Erdoğan getitelt: „Er wird nicht einmal mehr Ortsvorsteher werden können.“ Erdoğan, der große politische Ambitionen hegte, würde somit selbst das geringste aller politischen Ämter verschlossen bleiben. Mit Unterstützung der damaligen Opposition wurde das Politikverbot aufgehoben. Auf jeder Stufe seiner Karriereleiter erklärte er später: „Man hat über mich gesagt, ich könne nicht einmal mehr Ortsvorsteher werden“. Dies macht deutlich, dass er die Überschrift von damals nicht verziehen hat.

Heute führt Erdoğan das Land in eine islamofaschistische Diktatur. Vielleicht wird er im Rahmen seiner Fernsehsendung darauf eingehen, was es mit seinem Groll auf die Medien auf sich hat.