Einsatz chemischer Waffen: Türkische Regierung gehört auf die Anklagebank

Die türkische Regierung darf nicht länger als politischer Partner gehandelt werden, denn sie gehört auf die Anklagebank, fordert die KCK angesichts des dauerhaften Einsatzes von C-Waffen in Südkurdistan durch die Türkei.

Trotz dauerhaftem Einsatz chemischer Waffen und Giftgas durch die türkische Armee in Südkurdistan seit Beginn der Invasion vor fünf Monaten hüllen sich die Vereinten Nationen, Europa und die USA weiterhin in Schweigen. Der Ko-Vorsitz des Exekutivrats der Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK) sieht in der Ignoranz gegenüber dem Einsatz solcher Kampfstoffe gegen die Guerilla, die durch das auch von der Türkei unterzeichnete Übereinkommen über das Verbot chemischer Waffen von 1997 völkerrechtlich geächtet werden, als Komplizenschaft mit der Besatzung. „Statt schnell und unmissverständlich den Berichten über Giftgaseinsätze nachzugehen und die Vorwürfe zu untersuchen, begnügt sich die internationale Staatengemeinschaft damit, die Geschehnisse schlicht mit Schweigen hinzunehmen“, kritisiert der Dachverband der kurdischen Befreiungsbewegung. Diese Haltung sei äußerst schwerwiegend und käme einer Mittäterschaft gleich. „Die türkische Regierung darf nicht länger als politischer Partner gehandelt werden, denn sie gehört auf die Anklagebank.“

Wo die Besatzer nicht weiterkommen, setzen sie Chemiewaffen ein

Seit Ende April versucht die türkische Armee sich in den Regionen Avaşîn, Metîna und Zap festzusetzen, der Guerillawiderstand dagegen dauert ungebrochen an. Die Volksverteidigungskräfte (HPG) wiesen mehrfach darauf hin, dass es bei der Invasion regelmäßig zu Einsätzen von C-Waffen kommt. Mehrere Kämpferinnen und Kämpfer sind durch solche Waffen bereits ums Leben gekommen, zuletzt waren am letzten Mittwoch die Identitäten von drei Gefallenen bekanntgegeben worden. „Dort, wo die Besatzer nicht weiterkommen, setzen sie chemische Kampfstoffe ein“, so die KCK. Besonders umkämpft sind die Tunnelanlagen und unterirdischen Verteidigungsstellungen in Avaşîn. Die C-Waffen-Angriffe richten sich punktgenau gegen die Höhlen, einige Attacken wurden von den HPG auf Video festgehalten.

„Kein einziger Staat ist aktiv geworden

„Dennoch ist bisher kein einziger Staat und keine einzige verantwortliche internationale Organisation aktiv geworden. Geht es um Regierungen, die von Europa, den USA und den UN abgelehnt werden, überschreitet bereits die Vorbereitung eines Einsatzes dieser Waffen eine ‚rote Linie‘. Sind es dagegen Verbündete, die sich Kriegsverbrechen verantwortlich machen, werden Giftgaseinsätze ignoriert. Dies ist ein unmissverständliches Indiz dafür, dass eine entschiedene und konsequente Haltung gegen chemische Waffen nicht existiert“, hält die KCK fest.

„Brutalität der Diktatur für internationale Mächte nicht relevant“

Obgleich die Türkei seit Jahren als eine brutale Autokratie ohne demokratische Rechte oder Freiheiten regiert wird, wird ihre Führung als wichtiger Bündnispartner betrachtet. „Für die EU-Staaten, die UN und die USA ist es nicht von Bedeutung, dass der türkische Staat einen Völkermord an den Kurdinnen und Kurden begeht, die eigene Bevölkerung einer vollständigen Diktatur unterwirft und Unterdrückung sowie Tyrannei unvergleichlichen Ausmaßes herrschen“, so die KCK. Einzig die eigenen Interessen würden zählen. Aber eben diese Haltung ermutige Ankara dazu, alle denkbaren Formen von Unterdrückung und menschenverachtenden Maßnahmen gegen die kurdische Gesellschaft einzusetzen. „In der Türkei finden mehr Verhaftungen statt als in irgendeinem anderen Land der Welt. Es scheint fast so, als wolle man alle Personen, die zu ihrer kurdischen Identität stehen und gegen die Türkisierungs- und Assimilationspolitik Widerstand leisten, ins Gefängnis werfen. Zahlreiche demokratisch gewählte Abgeordnete, Bürgermeister:innen und Mitglieder von Stadtverwaltungen wurden verhaftet, weil sie die Forderung des kurdischen Volkes nach einem freien und demokratischen Leben teilen. Die Untersuchungshaft wurde überall in einen Ort für Unterdrückung, Folter und Vergewaltigungen verwandelt. Durch die Drohung, sie zu tyrannisieren oder ins Gefängnis zu werfen, werden viele Menschen heute dazu gezwungen, als Agenten zu arbeiten und ihr eigenes Volk zu verraten.“

„Türkischer Regierung muss jede Legitimität entzogen werden“

Statt an der Türkei weiter als militärischer, politischer und diplomatischer Partner festzuhalten, müsse ihrer Regierung jegliche Legitimität entzogen werden, fordert die KCK. „Gegen den türkischen Staat, der chemische Waffen einsetzt, Wälder in Brand setzt und das kurdische Volk und die Völker der Türkei unterdrückt, muss aktiv vorgegangen werden, um ihn zu stoppen. Europa, die USA und die UN können ihre aktuelle Verlogenheit, fehlende Haltung, Moral- und Gewissenslosigkeit nicht damit verschleiern, dass sie nur gegen die ungerechte Behandlung einiger Einzelpersonen protestieren.

„Türkei muss auf die Anklagebank"

Wir rufen das gesamte kurdische Volk, alle Völker der Türkei, Europa, die USA, alle demokratischen Kräfte weltweit und alle  Demokrat:innen mit Moral und Gewissen in den UN dazu auf, überall gegen den Einsatz chemischer Waffen gegen die Guerilla zu protestieren und den türkischen Staat für seine Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor Gericht zu bringen. Wir sind fest davon überzeugt, dass das Internationale Tribunal (Permanent People`s Tribunal) diesbezüglich wichtige Schritte unternehmen wird. Die AKP/MHP-Regierung verübt Verbrechen am kurdischen Volk und der gesamten Menschheit. Sie muss dafür vor Gericht gebracht und zur Verantwortung gezogen werden.“