Gever: 12.000 Jahre alte Malereien werden vernichtet

12.000 Jahre alte Wandmalereien an den Felswänden der Berge Cilo und Sat im nordkurdischen Landkreis Gever sollen Minenprojekten weichen.

An Felswänden des Bergs Cilo im nordkurdischen Landkreis Gever (türk. Yüksekova) in der Provinz Colemêrg (Hakkari) befinden sich einmalige prähistorische Malereien. Auch wenn sie auf das Jahr 12.000 vor unserer Zeitrechnung datiert werden, ist nicht viel mehr über sie bekannt. Das kulturelle Erbe der Region ist archäologisch und historisch kaum erfasst, denn die unzugängliche Gebirgsregion ist vom Krieg geprägt. Nun sollen die Felsmalereien dem Profitstreben weichen. Das Ministerium für Ressourcen und Energiequellen und die Behörde für Ölgewinnung haben damit begonnen, am Berg Cilo, dem Berg Govend, dem Dorf Korgan, der Schlucht beim Dorf Kotranîs und auf der Nebirnav-Alm Minen und Tagebaue zu errichten. In den Gebieten sollen Blei und Zink abgebaut werden. Die am 4.135 Meter hohen Berg Cilo befindlichen Felsmalereien werden dabei vernichtet.

Colemêrg – Brennpunkt paläolithischer Zivilisation

Die Geschichte der Region Colemêrg ist uralt. Schon im Paläolithikum begannen erste Wellen der nomadischen Besiedlung der Region. Die fruchtbare Region mit ihrem Reichtum an Flora und Fauna bot ideale Bedingungen zum Sammeln und zum Jagen. Daher fanden dort bereits in der Altsteinzeit entscheidende gesellschaftliche Entwicklungen statt, und viele Innovationen gingen von der Bergregion mit ihren reichhaltigen Obsidianvorkommen aus. Obsidian machte die Region zur Drehscheibe des Handels. In den Höhlen der Region und an deren Eingängen befinden sich tausende Malereien längst vergangener Zeiten. Die Malereien bilden das Leben in der Region ab und stellen Kaiserkronen, Schlangen, Steinböcke, Bergziegen, Wildschafe, Hasen, Wölfe und Füchse, aber auch Menschen auf symbolische Weise dar. Trotz Krieg und Zerstörung beherbergt die Region auch heute noch eine einmalige Tier- und Pflanzenwelt.

Vor Jahren begann bereits die Zerstörung

Die Zerstörung der Region begann vor Jahren. Zunächst wurden um die weltweit für seine Schönheit berühmten Sat-Gletscherseen Straßen errichtet und die Zwischenräume der Seen mit Steinen und Erde verfüllt. Nun sollen die prähistorischen Höhlenmalereien durch Minenprojekte zerstört werden.

Nutzlos, tragisch und schädlich“

Der ehemalige Ko-Vorsitzende des per Ausnahmezustandsverfügung geschlossenen Ökologievereins Mesopotamien (MED), Fatih Şahin, warnt sowohl vor der Zerstörung der historischen Werte wie auch der Natur. Er beschreibt die Felsmalereien als lebendigen Ausdruck des Lebens, der Weltanschauungen, der Ängste und Geschichten der Menschen vor 12.000 Jahren in der Region. Er sagt: „Die Minen, die nun neu eingerichtet werden, werden die Hinterlassenschaften vergangener Zivilisationen vernichten. Die Bilder in Gevarok, Tirşin und in der Warfale-Schlucht in Gever, die Burgen in Gurgum (Maraş), die Türme und Karawanenstraßen sind nur einige Opfer dieser Vernichtung von Geschichte. Diese Zerstörung von Natur und Geschichte ist so nutzlos wie die Errichtung der militärischen Staudämme. Es ist tragisch wie die Zerstörung von Heskîf (Hasankeyf) und schädlich wie die Zerstörung historischer Objekte durch den IS in Syrien und im Irak.“