Türkei sperrt Zugang zu Deutsche Welle und Voice of America

Auf die Webseiten der Auslandssender Deutsche Welle und Voice of America kann in der Türkei aufgrund eines Gerichtsurteils nicht mehr zugegriffen werden. Hintergrund ist die Nicht-Beantragung einer Lizenz für On-Demand-Angebote.

Die türkische Rundfunkbehörde RTÜK hat das Online-Angebot der internationalen Medienhäuser Deutsche Welle (DW) und Voice of America (VOA) gesperrt. Die Webseiten beider Auslandssender können seit gestern in der Türkei nicht mehr aufgerufen werden. Der türkischsprachige Dienst der amerikanischen VOA wurde durch einen kurzen Hinweis auf ein am Donnerstag ergangenes Gerichtsurteil (Az. 2022/7982) der 1. Strafabteilung des Amtsgerichts Ankara ersetzt. Als Grund gab RTÜK eine fehlende Sendelizenz an.

Die Sperrung der Internetangebote war erwartet worden, sie droht der DW, VOA und anderen Auslandssendern schon seit Monaten. Im Februar hatte die türkische Rundfunkbehörde unter Verweis auf das Medienregulierungsgesetz der Türkei bekannt gegeben, dass die Sender Lizenzen für On-Demand-Angebote beantragen müssten. Oppositionelle Medien sehen in der Regelung einen Zensurmechanismus, durch den auch die verbliebene unabhängige Presselandschaft verstummen soll.

Die DW hatte damals angekündigt, gegen die geforderte Lizenz gerichtlich vorzugehen. VOA hatte kritisiert, dass die Bemühungen der Regierung, Medienorganisationen zum Schweigen zu bringen, einen Grundpfeiler demokratischer Gesellschaften untergraben würden – nämlich die Pressefreiheit. Außerdem gab der Auslandssender bekannt, keine Betriebslizenz für ihre türkischsprachige Webseite beantragen zu wollen. Seit die türkische Ausgabe in der Türkei blockiert ist, informiert VOA im Netz über Software zur Umgehung von Internet-Zensur.

Mindestens 95 Prozent der Medien sind gleichgeschaltet, auch Inhalte im Internet unterliegen starker Regulierung. Durch Websperren versucht die islamistisch-nationalistische Regierungskoalition aus AKP und MHP, die Informationsmöglichkeiten der Bevölkerung auf staatliche Propaganda zu reduzieren. Die Aufforderung zur Lizenzbeantragung beruht auf einer 2019 in Kraft getretenen Regelung. Damit wurde eine weitreichende Kontrolle von Internet-Plattformen eingeführt, die Filme, Videos oder Radioinhalte verbreiten. RTÜK kann Inhalte auch entfernen lassen. Vertreter der Regierung haben eine Mehrheit in dem Gremium.

Besonders hart trifft die Repression des Regimes die kurdische Presse, die eine Avantgarderolle für freie und oppositionelle Medien in der Türkei spielt. Allein die in Amed (tr. Diyarbakır) beheimatete Frauennachrichtenagentur JinNews wurde in den vergangenen achtzehn Monaten 53-mal mit Sperrungen ihrer Webseiten belegt. Die alternative türkische Onlinezeitung Sendika.org ist seit ihrem Bestehen 63-mal gesperrt worden. Es ist das erste Mal, dass die Regelung nun gegen ausländische Nachrichtenplattformen angewandt wird.

Türkei – größtes Gefängnis für Journalisten

Die Türkei gehört schon länger weltweit zu den repressivsten Staaten gegenüber kritischem Journalismus. Nach Angaben des kurdischen Journalistenvereins DFG befinden sich aktuell 74 Medienschaffende in türkischen Gefängnissen. Auf der Rangliste der Pressefreiheit der Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) rangiert die Türkei auf Platz 149 von 180.