Türkei: Vollzugsbeamte drohen mit Corona

Im T-Typ-Gefängnis Aksaray haben Vollzugsbeamte politischen Gefangenen damit gedroht, einen mit dem Coronavirus infizierten „Kriminellen“ in ihre Zelle zu verlegen, wenn sie sich nicht an die Haftregeln halten.

Im T-Typ-Gefängnis Aksaray haben Vollzugsbeamte politischen Gefangenen damit gedroht, einen mit dem Coronavirus infizierten „Kriminellen“ in ihre Zelle zu verlegen, wenn sie sich nicht an die Haftregeln halten. Das geht aus einem Bericht der Gefangenenhilfsorganisation MED TUHAD-FED hervor.

Die Organisation erstellt jede Woche einen Bericht zur Situation in den türkischen Gefängnissen. In dem heute veröffentlichten Bericht geht es vor allem um die gesundheitliche Lage in der Coronakrise. Die Gefängnisse in der Türkei sind mit etwa 300.000 Insassen bei 233.000 Haftplätzen extrem überfüllt. MED TUHAD-FED hält fest, dass ein gesundes Leben unter den herrschenden Haftbedingungen ohnehin nicht möglich ist. Die Situation wird durch die Pandemie drastisch verschärft. In vielen Haftanstalten werden keine Reinigungsmittel verteilt, in anderen zu erhöhten Preisen angeboten. Die Vollzugsbeschäftigten treffen beim Betreten der Zellen keine Schutzmaßnahmen. Schwerkranke Gefangene, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht selbst versorgen können, werden in Einzelzellen isoliert.

Die Gefangenenhilfsorganisation fordert außerdem, dass auch politische Gefangene bei der geplanten „Corona-Amnestie“ berücksichtigt werden müssen. Im türkischen Parlament soll in der kommenden Woche ein Justizreformpaket verabschiedet werden, das eine Änderung des Strafvollzugsgesetzes beinhaltet. In Zeiten der weltweiten Covid-19-Pandemie, die auch die Türkei fest im Griff hat, wolle man die Gefängnisse entlasten und eine Amnestie erlassen, so die offizielle Version. Sollte der Entwurf angenommen werden, könnten bis zu 112.000 Strafgefangene entlassen werden. Von dem Gesetz profitieren würden nicht nur Kleinkriminelle, sondern auch Sexualstraftäter und wegen Drogendelikten oder organisierter Kriminalität verurteilte Personen. Lediglich sogenannte „Terrorstraftäter“, bei denen es sich größtenteils um politische Gefangene aus dem linken und kurdischen Spektrum handelt, sollen nicht berücksichtigt werden. Das Komitee der PKK/PAJK-Gefangenen warnt vor einem Massensterben in den türkischen Haftanstalten.