Stuttgart: Kurdischer Politiker zu Haftstrafe verurteilt

Der Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart hat den kurdischen Politiker Salih K. in einem 129b-Verfahren zu einer Haftstrafe von drei Jahren verurteilt.

Der Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart hat am Mittwoch den kurdischen Politiker Salih K. zu drei Jahren Haft verurteilt. Ihm wurde vorgeworfen, Mitglied einer „terroristischen Vereinigung im Ausland” gemäß Paragraph 129 b gewesen zu sein, weil er sich zwischen 2016 und 2018 in Freiburg als „Gebietsverantwortlicher” der Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkerên Kurdistanê, PKK) betätigt habe. Die Bundesanwaltschaft hatte eine Haftstrafe von drei Jahren und sechs Monaten gefordert, der Angeklagte Freispruch. Seine Verteidigerin, Rechtsanwältin Anna Busl, plädierte bereits zuvor aufgrund der gesundheitlichen Probleme ihres Mandanten auf Haftentlassung. Der Politiker hat Herzprobleme und leidet an einer Knieerkrankung. Eine geplante Operation musste aufgrund seiner Verhaftung verschoben werden.

Der 63-jährige Salih K. war in der Türkei über zehn Jahre hinweg in leitender Funktion für den linken Gewerkschaftsbund KESK tätig. Später leitete er eine Zeit lang für den Menschenrechtsverein IHD die Zweigstelle Ankara. Weil es in der Türkei keine Möglichkeit mehr gab, aktiv Politik zu betreiben, ging der dreifache Familienvater nach Deutschland. Seit seiner Festnahme am 21. Juni 2018 befindet er sich in Untersuchungshaft in der JVA Schwäbisch-Hall.

Keine individuelle Straftat

Eine individuelle Straftat wurde dem Politiker in dem Prozess nicht vorgeworfen. Vielmehr machte ihm die Anklage Spendensammlungen und die Mitorganisation von Demonstrationen, Veranstaltungen wie Newroz-Feiern, Kundgebungen und Mahnwachen zum Vorwurf.

In seinem Abschlussplädoyer hatte Salih K. zuvor deutlich gemacht, dass in der Türkei Menschenrechtsverbrechen gegen die kurdische Bevölkerung an der Tagesordnung stehen und er als politischer Aktivist nicht die Augen davor verschließen könne. „In Kurdistan werden die Menschen in Kellern verbrannt, Kinder werden ermordet. Ich habe über Jahre hinweg im Land und von hier aus für Frieden und Demokratie gekämpft. Mein Problem ist das faschistische und despotische Gedankengut, das unserem Denken einen Riegel vorschieben will.” Das Urteil gegen Salih K. ist noch nicht rechtskräftig.

„Terrorparagraph” 129a/b

Der Paragraph 129b wurde 2002 nach den Anschlägen vom 11. September 2001 geschaffen und kriminalisiert eine Vielzahl politischer Organisationen als „terroristische Vereinigung im Ausland”. Überwiegend handelt es sich um Bewegungen, die nationale Befreiungskämpfe führen. Unter ihnen ist nach wie vor auch die PKK. Der „Terrorparagraph”, so wie er in antifaschitischen und linken Kreisen genannt wird, entpuppt sich immer wieder als reines Ermittlungs- und politisches Einschüchterungsinstrument der deutschen Justiz.

Mit dem Paragraphen 129b wurde der bis dato existierende, 1976 im Zuge der Aufstandsbekämpfung in der Bundesrepublik eingeführte Straftatbestand nach Paragraph 129a („Bildung einer terroristischen Vereinigung”) erweitert, um im Ausland agierende Organisationen auch auf deutschem Staatsgebiet strafrechtlich verfolgen zu können. Schon mit Hilfe des 1871 geschaffenen Paragraphen 129 („Bildung einer kriminellen Vereinigung”) im damaligen deutschen Reichsstrafgesetzbuch wurden insbesondere Linke und Sozialisten kriminalisiert.