Schmutziger Deal zwischen Moskau und Ankara

Was passierte vor dem Bombenangriff auf Efrîn …?

Am 20. Januar 2018 begannen Kriegsflugzeuge des türkischen Militärs etliche Landkreise von Efrîn zu bombardieren. Dass dem als „Operation“ bezeichneten Besetzungs- und Zerstörungsversuch der Region der Name „Olivenzweig“ gegeben wurde zeigt, dass man sich sowohl über die Erfahrung der Bevölkerung, als auch der internationalen Öffentlichkeit lustig macht. Aus fast hundert Flugzeugen ließen sie Bomben über Efrîn Stadt und die Landkreise Şera, Şerawa, Raco, Bilbila, Şera auf die Zivilbevölkerung regnen. Nach ersten Informationen sind sechs Zivilisten und drei YPG-Kämpfer Opfer des Angriffs geworden. Während der Besetzungsversuch mit allen Mitteln der psychologischen Kriegsführung fortgesetzt wird, erklärte der bis 2010 amtierende 26. Generalstabsvorsitzende Ilker Başbuğ im Fernsehen: „Die Efrin-Operation ist notwendig. Die Türkei kann die Bildung einer PKK-Struktur in Syrien nicht zulassen. Wir sollten in diesem Rahmen auch mit der Zentralregierung Syriens zusammenarbeiten.“

Wie kommt es dazu? Eine solche Aussage hat es seit Jahren nicht gegeben, dass man eine Verständigung mit Syrien erzielen wolle. Eigentlich sprach hier nicht Başbuğ. Es ist ein Ausdruck der neuerlichen inoffiziellen Verständigung zwischen der Eurasischen-Ergenekon-Clique, den Ultranationalisten mit eurasischer Orientierung und Erdoğan. Natürlich, diese Aussage ist nur ein Ergebnis eines längeren Verhandlungsprozesses, der schon lange abgeschlossen war. Allerdings ist er fünf Tage vor der Bombardierung von Efrîn offiziell geworden.

Wenn wir uns die Situation vor den Luftangriffen auf Efrîn betrachten, wird offensichtlich, dass es über Efrîn auf internationales Ebene Widersprüche gegeben hat. Vier Punkte zeigen dies deutlich:

Erstens:

Am 15. Januar 2018 aktualisierte das britische Außenministerium seine Reisewarnung für die Türkei. In der auf der Seite des Außenministeriums verbreiteten Aktualisierung wurde empfohlen nicht nach Şırnak, Mardin, Urfa, Antep, Diyarbakır, Siirt, Dersim und Hakkâri zu reisen. Außerdem wurde die Flugsicherheit in die Türkei erhöht.

Warum ist also aus England eine Reisewarnung für die Städte in Kurdistan gerade jetzt gekommen; während des ganzen zerstörerischen Krieges in Nordkurdistan hatte es keine Warnung dieser Art gegeben. Warum wurde diese Warnung am 15. Januar aktualisiert? Die Antwort darauf können wir in den Namen von zwei weiteren Landkreisen, die auf der Liste erwähnt werden finden – Kilis und Hatay.

Kilis und Hatay sind Schlüsselstellungen für die Besetzung von Efrîn. Großbritannien sagte de facto folgendes: Einige Entwicklungen, die in Kilis und Hatay stattfinden werden, werden ihre Auswirkungen in den kurdischen Städten entfalten. Bleibt weg von dort! Daraus lässt sich schließen, dass Großbritannien über das bevorstehende Bombardement Bescheid wusste.

Zweitens:

Gegenüber Stêrk TV hatte es eine wichtige Erklärung des PKK-Vorstandsmitglied Murat Karayılan gegeben. Er hatte darauf hingewiesen, dass ein Angriff der Türkei mit Kriegsflugzeugen auf Efrîn nur mit russischer Erlaubnis erfolgen könne: „Wir hoffen, dass die russische Regierung sich nicht zum Teil von Erdoğans schmutzigen Ambitionen machen lässt. Das erwartet das kurdische Volk von ihr. Wenn es einen Angriff geben wird, dann ist das ein Verrat dieser großen Staaten. Im Moment sind dort russische Soldaten und haben auch geholfen. Sie haben den Kräften der YPG und der QSD geholfen. Wir können im Moment sagen, dass sie diese offiziell unterstützen. Wenn man vor diesem Hintergrund den türkischen Kriegsflugzeugen den Weg freimacht, dann ist das Verrat.“

Karayılan fügte noch hinzu: „Der türkische Staat kann nicht in Efrîn eindringen. Aber er wird kämpfen. Denn der türkische Staat sieht dies deutlich, wenn er nicht kämpft, so wird er vollständig verlieren. Denn der türkische Staat weiß eines genau, wenn er nicht kämpft, dann verliert er vollständig. Er möchte, wenn er die Möglichkeit findet und Russland es erlaubt, an einigen Punkten Krieg führen. Aber das bedeutet nicht, dass er nach Efrîn eindringen kann … In Efrîn leben eine Million Menschen und wir wissen sehr genau, dass die Türkei in Efrîn nicht eingreifen kann, wenn Russland es nicht erlaubt. Im Moment wird Efrîn mit Artillerie, mittleren und schweren Waffen angegriffen. Aber es gibt keine Bodenoperation. Das türkische Militär rückt bisher nicht vor. Aber der türkische Staat möchte die Luft ebenfalls nutzen, aus der Luft beobachten, zuschlagen und am Boden vorrücken. Denn ohne das kann er am Boden nicht vorwärtskommen. Aber unter wessen Kontrolle steht der Luftraum? Der Luftraum steht unter russischer Kontrolle. Das bedeutet, wenn Kriegsflugzeuge über Efrîn fliegen, dann tragen sie vielleicht eine türkische Fahne, aber es bedeutet, dass sie von Russland geschickt worden sind. Das heißt, das sind Russlands Kriegsflugzeuge. Das wird die Öffentlichkeit und das kurdische Volk so verstehen.“

Und während diese Reportage noch in der Übersetzung war, fing schon das Bombardement an.

Das bedeutete Russland erlaubte den Angriff, Russland und die Türkei haben sich verständigt … Russland, das eine starke Position in Syrien haben möchte und ausreichende Erfahrung mit „kurzfristiger Politik“ hat schlägt der YPG folgendes vor: Gebt Efrîn auf. Es will nicht nur Efrîn, sondern auch das Öl von Dêra Zor.

In diesem Fall wird die Türkei gestoppt und das Regime kommt als Profiteur heraus, es hat sich dann nicht in einen Krieg gegen die YPG hineinziehen lassen, solche Berechnungen werden angestellt. Das Hauptziel ist es die YPG als Kraft zu stürzen. Es ist offensichtlich, dass die einzige Partei, die keinen Nutzen aus solch einem Deal zieht die YPG sein würde.

Ein anderer Punkt ist der Besuch des türkischen Generalstabschefs Akar und des Geheimdienstchefs Fidan in Russland und der dort geschlossene Deal im Sinne einer Verständigung mit dem syrischen Regime. Das war eine Bedingung, damit die Flugzeuge starten konnten. Es ist offensichtlich, dass der türkische Staat das tut, was Başbuğ ankündigt. Das Bombardement zeigt uns Folgendes: Russland und die Türkei haben sich verständigt. Russland hat den Kurd*innen den Rücken zugewandt und noch übler, sie haben versucht den Willen der Kurd*innen als Hypothek einzusetzen. Einerseits fanden Treffen auf höchster Ebene mit YPG-Vertreter*innen statt, sie wurden in ihren Palästen empfangen, und gerade mal einen Monat später gehen sie solch ein Bündnis ein. Wenn man ihre Beziehung zu den Kurd*innen bedenkt, kann man von einer „win-win“ Politik sprechen, man erlaubt der Türkei kurzfristig genug Operationen durchzuführen, um ihre chauvinistische Welle zu befriedigen und es besteht die Möglichkeit, dass sie später wieder zurückgepfiffen werden.

Aber es gibt noch einen anderen Nutzen, der General der türkischen Streitkräfte Akar hatte sich am 16. Januar auf dem Brüsseler NATO-Treffen mit dem US-General Joseph Dunford unter vier Augen getroffen, aber er hatte nicht erhalten, was er sich von dem Treffen erhofft hatte. Die ambivalente Haltung der USA ist immer noch unklar.

Die Einigung mit Russland bezüglich Efrîn, lässt sich weiterhin sehr deutlich an den ökonomischen Entwicklungen ablesen. Wenige Stunden bevor die Bomben abgeworfen wurden, tauchte folgende Nachricht in den Agenturen auf: Der Präsident von Gazprom Aleksey Miller hatte erklärt, dass die Türkei alle Zustimmungen für die Errichtung von zwei Pipelines gegeben habe und dass diese bis Ende 2019 gebaut würden. Am Tag des Angriffs auf Efrîn hatte Gazprom die Erlaubnis für eine zweite Pipeline erhalten.

Drittens:

Es ist herausgekommen, dass der MIT schon am 4. Januar seine Vorbereitungen für den Angriff getroffen hatte. Aufgrund der Ermittlungen der Sicherheitskräfte des Kantons Efrîn konnte eine Person festgenommen werden, die an vielen Orten von Efrîn Sprengstoffanschläge vorbereitete. Als Ergebnis wurde in einem Haus am Eingang von Efrîn eine Person mit C-4 Antipanzerminen und Sprengstoffen erwischt, die über Reyhanli in Hatay nach Efrîn aus der Türkei eingereist war. Der Staat wollte durch solche Agenten die Gesellschaft noch einfacher manipulieren.

Viertens:

Durch die in den vergangenen Tagen auf ANF veröffentlichten Dokumente belegte Zusammenarbeit der Türkei mit dem IS zeigt sich erneut. Die paramilitärische Struktur, die als FSA bezeichnet wird, wird als besonderer Trumpf an der Front eingesetzt. Zunächst wurden Bilder bekannt, wie sie in Bussen vom türkischen Militär transportiert wurden und dann nach dem Bombardement als Bodentruppen über die Grenze an die Front gebracht worden waren. Das alles fand vor den Augen der Weltöffentlichkeit statt. Der türkische Staat, der den IS unterstützte, hatte mehr als zwei Jahre lang seine Grenzen für die Angriffe des IS geöffnet. Jetzt versucht die Türkei erneut den IS und die anderen bewaffneten Gruppen zu stärken.