MXDŞ verurteilt Angriffe auf Şengal

Der Demokratische Autonomierat Şengals hat den türkischen Drohnenangriff von Donnerstagabend auf das Vertriebenenlager Serdeşt verurteilt und fordert den Irak auf, seiner Schutzverpflichtung gegenüber der Bevölkerung nachzukommen.

Der völkerrechtswidrige Drohnenangriff der Türkei auf Şengal vom Donnerstag hat keine menschlichen Verluste gefordert. Das teilte das Pressebüro der Widerstandseinheiten YBŞ am Freitag in einer Mitteilung mit. Damit widersprechen die ezidischen Selbstverteidigungskräfte der Direktion für Terrorismusbekämpfung der Kurdistan-Region Irak (KRI), die von mehreren Toten und Verletzten durch den Luftschlag berichtete, der sich gegen ein Basislager der YBŞ gerichtet hätte. Getroffen worden sei ausschließlich das Umland des Lagers für ezidische Vertriebene in der Hochebene Serdeşt. Die Bombardierung habe jedoch zu „massiven Sachschäden“ in Anbauflächen und Feldern der Zivilbevölkerung geführt.

„Der neuerliche Angriff auf Şengal verdeutlicht ein weiteres Mal, dass der faschistisch agierende türkische Staat den vom sogenannten IS und dessen Söldnern begonnenen Genozid an der ezidischen Gemeinschaft vollenden will“, kommentieren die YBŞ den neuerlichen Drohnenangriff. Die „Aggressoren und ihre Kollaborateure sollten jedoch wissen, dass unser Volk, das sich gegen die Verfolgung verteidigt, seinen Widerstand für Freiheit entschlossen fortsetzen wird.“

„Maßlose Ignoranz” gegenüber dem Leid am Volk Şengals

Der Demokratische Autonomierat Şengals (MXDŞ) hat sich ebenfalls geäußert und den Luftangriff auf Camp Serdeşt verurteilt. Für das Gremium erklärte der Ko-Vorsitzende des Volksrates der Gemeinde Digurê, Heci Hecem: „Der Terror der Türkei gegen das ezidische Hauptsiedlungsgebiet dauert faktisch ununterbrochen an. Der jüngste Drohnenangriff ist nur der letzte Akt in einer seit Jahren sich ständig steigernden Aggression, die sich gleichermaßen gegen weite Teile der Kurdistan-Region Irak und Rojava richtet.” Scharfe Kritik formulierte Hecem in Richtung Bagdad und sprach von einer „maßlosen Ignoranz” der irakischen Regierung gegenüber dem türkischen Staatsterror gegen die Bevölkerung Şengals. „Staaten haben eine Schutzverpflichtung allen Personen gegenüber, die auf ihrem Territorium leben. Auch der Irak trägt eine völkerrechtliche Verantwortung, die Menschenrechte zu schützen und umzusetzen. Doch mit Blick auf den Umgang mit der Bevölkerung in Şengal müssen wir feststellen, dass der irakische Staat uns nicht als Bürger:innen dieses Landes behandelt und unsere Rechte entzieht”, sagte Hecem.

MXDŞ: Irak soll Verpflichtungen erfüllen und Landesgrenzen verteidigen

Der MXDŞ bemängelt, dass es de facto „keine ernstzunehmenden Reaktionen“ der Regierung in Bagdad zu Angriffen der Türkei im Irak und Südkurdistan gebe und Bemühungen, den Expansionsbestrebungen Ankaras entgegenzuwirken, trotz gezielter Gewalt gegen die Zivilbevölkerung und permanenten Verstößen gegen die territoriale Integrität des Landes noch immer ausblieben. „Das ezidische Volk ist vor den Augen der Welt zum Opfer eines Völkermords geworden, weil es allein gelassen wurde. Unter diesem Eindruck haben wir uns reorganisiert und Verteidigungsstrukturen aufgebaut, um unsere Existenz zu schützen. Weil wir dieses Recht nicht aufgeben wollen, sind wir im Fokus des türkischen Staates. Wir fordern den Irak auf, seine Verpflichtungen zu erfüllen, die territoriale Integrität des Landes und seine Menschen zu verteidigen  und ernsthafte Schritte zu unternehmen, die ein Ende der Aggression gegen das ezidische Volk und Şengal bedeuten.”

Staatsterror gegen Genozid-Überlebende

Unter dem Vorwand der „Bekämpfung der PKK“ kommt es seit 2017 vermehrt zu Luftschlägen durch türkische Kampfflugzeuge und Drohnen auf Şengal. Konkrete Ziele sind hierbei zumeist Einrichtungen, die unter dem Eindruck des IS-Genozids gegründet wurden – wie etwa der MXDŞ oder die Selbstverteidigungseinheiten – und ihre Repräsentant:innen. Bei den Todesopfern handelt es sich hauptsächlich um Menschen aus der Zivilbevölkerung – oftmals sind es Überlebende des Völkermords von 2014. Im September war es mehrfach zu gezielten Luftangriffen der Türkei gegen die YBŞ und ihre autonome Frauenorganisierung YJŞ gekommen, die unter anderem zur Verwüstung einer Wohnsiedlung im Dorf Til Ezer geführt hatten. Ende August waren zwei Kämpfer der Widerstandseinheiten bei einem Drohnenschlag des türkischen NATO-Staates in Şengal verletzt worden. Das gestern bombardierte Serdeşt-Camp war in der Vergangenheit ebenfalls zum Ziel von Killerdrohnen aus Ankara geworden.