Kerem Schamberger verklagt Facebook

Vor dem Landgericht München hat heute ein Prozess gegen Facebook stattgefunden, den Kerem Schamberger angestrengt hatte. Hintergrund war die Löschung einer Pressemitteilung von Azadî zum PKK-Verbot auf Schambergers Facebook-Account.

Anfang Januar hat der Münchner Kommunikationswissenschaftler Kerem Schamberger mit seinem Rechtsanwalt Mathes Breuer gegen „Facebook Ireland Limited“ geklagt, weil eine offizielle Pressemitteilung des Rechtshilfefonds Azadî e.V. zum 25. Jahrestag des PKK-Verbots Ende November 2018, die Schamberger als Post in Auszügen geteilt hatte, gelöscht und sein Profil für mehrere Tage gesperrt wurde. In der Pressemitteilung ging es um die politische Forderung nach Aufhebung des PKK-Verbots, laut Schamberger „eine Aussage, die von der Meinungsfreiheit gedeckt und legitimer Teil des öffentlichen Debattenraums ist“.

Heute fand vor dem Landgericht München der Prozess gegen Facebook statt. Kerem Schamberger berichtet von der Verhandlung, das Unternehmen habe „eine Prada-Tasche tragende Verteidigerin der Anwaltskanzlei White & Case LLP aus Frankfurt am Main“ nach München geschickt. „Immerhin schön zu sehen, dass sie auf der Seite der ‚Beklagten‘ Platz nehmen musste. Bei mir ist das ja sonst immer andersherum“, kommentiert Schamberger auf seiner Facebook-Seite:

„Gestritten wurde vor allem um zwei Dinge: Dringlichkeit und Unterstützung. Wir hatten einen Dringlichkeitsantrag gestellt, der erreichen sollte, dass die Thematik nicht erst in einigen Monaten/Jahren in einer Hauptverhandlung behandelt wird, sondern zeitnah. Immerhin sind nun auch fünf Monate vergangen seit Einreichung am Amtsgericht. Begründet haben wir das u.a. mit der politisch sehr angespannten Situation in der Türkei seit Januar, also zum Beispiel der andauernden Hungerstreik-Bewegung und dem Jahrestag des Angriffskrieges auf Afrin.

Wichtiger ist der Punkt ‚Unterstützung‘. Die Facebook-Anwältin und ihre Kanzlei argumentierten in einem mehr als 30-seitigen Schreiben, warum die PKK eine terroristische Vereinigung sei und ging dabei u.a. auf Aktionen der PKK aus dem Jahr 1993, also vor 26 Jahren ein, um ihre Argumentationslinie zu stützen. Das Teilen einer solchen Pressemitteilung sei damit ein Verstoß gegen die ominösen ‚Gemeinschaftsrichtlinien‘ Facebooks und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung.“

Aufhebung des PKK-Verbots als legitime politische Forderung

Auch der Richter war unsicher, ob ein solcher Post nicht Unterstützung einer terroristischen Organisation sei, schreibt Kerem Schamberger: „Setzen Sie sich doch für das kurdische Volk ein und schreiben nichts zur PKK", sagte er. Wobei er den Text der Pressemitteilung als solchen ‚nicht beanstanden‘ würde. Erstaunt war er, als ich auf seine Nachfrage antwortete, dass ich kein Kurde, sondern halb Türke, halb Deutscher sei und als Demokrat in dieser Sache aktiv bin. Nun ging es immer wieder hin und her, was Unterstützung einer ‚terroristischen Organisation‘ sei und was nicht. Wir stellten uns auf den eindeutigen Standpunkt, dass die Forderung nach Aufhebung des PKK-Verbots eine legitime politische Forderung sei, die einen Friedensprozess in der Türkei begünstigen würde, weil die Krieg führenden Parteien in Deutschland auf Augenhöhe gestellt werden würden.“

Urteilsverkündung im Juni

Die Urteilsverkündung findet am 24. Juni um 9 Uhr statt. Für Kerem Schamberger ist offen, wie der Richter entscheiden wird: „Klar ist, dass ich mir keine Illusionen mache und nicht glaube, letztendlich gegen einen solch riesigen Konzern wie Facebook eine Chance zu haben. Es trägt aber zumindest ein weiteres kleines Puzzleteil dazu bei, wenn es darum geht die unglaubliche Macht, die diese Datenkonzerne haben und die sie auch zur Einschränkung von öffentlichen, herrschaftskritischen Debatten nutzen, offen zu legen und zu skandalisieren. Immer mehr Menschen merken, dass Facebook & Co keine Orte der Freiheit, sondern durch und durch vermachtet sind.“