Keine Luft zum Atmen vor lauter Militärbasen

In der nordkurdischen Provinz Colemêrg, insbesondere im Landkreis Çelê (Çukurca), der an Südkurdistan grenzt, sprießen türkische Militärstützpunkte wie Pilze aus dem Boden.

Um die Kontrolle über Südkurdistan auszudehnen, baut die türkische Armee ihre Militärstützpunkte auf südkurdischem Boden immer weiter aus. Weder die irakische Zentralregierung noch die autonome Regionalregierung gehen gegen die Verletzung der territorialen Integrität des Irak vor. Täglich werden zivile Siedlungsgebiete Südkurdistans angegriffen, Zivilist*innen durch die türkische Armee getötet und hoher Sachschaden verursacht.

Im Zuge der Absicht des türkischen Staates, Südkurdistan als Kolonie an die Türkei zu binden, wird auch im nordkurdischen Grenzgebiet die Zahl der Militärbasen erhöht.

In der an Südkurdistan grenzenden Region Şirnex (Şırnak), insbesondere im Landkreis Çelê (Çukurca), wurden in den vergangenen zwei Jahren Dutzende neue Stützpunkte errichtet. Um die Bevölkerung zu unterdrücken und eine kurdische Einheit zu verhindern, hat die türkische Armee in jedem Dorf einen Kontrollpunkt errichtet. Die Bewohner*innen der Region beklagen, dass ihnen vor lauter Militärbasen kaum noch Luft zum Atmen bleibt. Unzählige Orte in der Provinz wurden bereits zu sogenannten Sondersicherheitsgebieten erklärt. Ländlicher Lebensraum für Zivilist*innen ist zur Rarität geworden. Allein auf der Strecke zwischen Çelê und dem Zentrum von Colemêrg (Hakkari), die lediglich 79 Kilometer beträgt, hat der Staat mehrere Stützpunkte errichtet. Darüber hinaus hat die türkische Provinzverwaltung angekündigt, im Laufe des Jahres eine Ausschreibung für 23 weitere Militärbasen abzugeben.

Steigende Zahl der Basen auf dem Berg Meskan

2014 begonnene Vorbereitungen für eine Militärbasis und eine Wache auf dem 2.600 Meter hohen Berg Meskan, etwa 60 Kilometer vom Zentrum Colemêrgs, sind trotz heftiger Proteste abgeschlossen worden. Wie sich jetzt herausstellte, hat die türkische Armee in dem Gebiet um den Berg auch mehrere Kontrollpunkte errichtet. Der Bau der Militärbasis im Dorf Maronis (Kavaklı), der 2016 ins Rollen kam, hält noch an. Der Startschuss für die Militärbasis am Meskan sowie einen weiteren Kontrollpunkt auf der Brücke Şinê ist gefallen.

Militärbasis in Rindikê 

Etwa 16 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt sind in den Dörfern Tal (Oğul) und Dizê (Üzümcü) bereits in den vergangenen Jahren Kontrollpunkte errichtet worden. Im Dorf Rindikê (Geçimli) hat das türkische Militär 2017 den Grundstein für einen Stützpunkt gelegt. Da die Basis auf einem strategisch wichtigen Hügel gebaut wird, ist eine Fläche von drei Kilometern zu militärischem Sperrgebiet erklärt worden. Aufgrund dessen ist es den Bauern der Region nicht mehr möglich, die Weidehaltung ihrer Tiere zu gewährleisten. Zudem wurden im Zuge der Bauarbeiten mehrere Hundert Bäume gefällt, die für Sicherheitswege herhalten mussten.

Zwei Stützpunkte in einem Dorf

Im Dorf Aşût (Çığlı) werden gleich zwei Militärstützpunkte errichtet. Das Dorf im Landkreis Çelê liegt direkt an der Grenze nach Südkurdistan. Die Basen werden auf zwei strategisch wichtigen Anhöhen errichtet. Den Bewohner*innen des Dorfes ist der Zugang in das Gebiet verboten. Auch in dem nächsten Dorf Zawite (Ormanlı) baut das türkische Militär eine Basis. Im Dorf Deştan (Üzümlü) wird sich ein dritter Stützpunkt zu den bereits vor Jahren auf dem Gîrê Hindireş errichteten zwei Stützpunkten gesellen. Die Bauarbeiten laufen bereits auf Hochtouren. Auch im Zentrum von Çelê sprießen laufend weitere Kontrollpunkte und Basen wie Pilze aus dem Boden.

‚Bekommen kaum noch Luft‘

Hamdullah Keskin sagt, dass der gesamte Landkreis Çelê faktisch eine offene Vollzugsanstalt sei. Auf jedem Hügel und jedem Berg seien vom türkischen Staat Kontrollpunkte errichtet worden. Die Situation, in der sich die Bewohner*innen befinden, sei unerträglich. „Wir können uns keinen Fußbreit aus Çelê entfernen. Alle Gebiete wurden zu Verbotszonen deklariert. Ich lebe zwar im Dorf, aber unsere Dörfer sind nicht mehr so, wie sie es mal waren. Warum werden so viele Wachposten errichtet? Was tun diese ganzen Soldaten hier? Ziehen wir etwa in einen Krieg? Wir flehen quasi nach Frieden, aber überall in unseren Lebensräumen werden Stützpunkte errichtet. Wir haben keine Ruhe mehr. Insbesondere Verbote, die im Zuge des Ausnahmezustands erteilt wurden, zermürben uns. Schauen Sie doch selbst, auf jedem Hügel wird ein Kontrollpunkt aufgezogen. Wie lange soll das noch weitergehen? Die Menschen hier wollen in Frieden leben und ihre Äcker bearbeiten. All die Verbote führen nicht zu einem friedvollen Leben, ganz im Gegenteil“, klagt Keskin.