IS-Propagandistin in QSD-Gewahrsam

Die IS-Propagandistin Defne Bayrak befindet sich in Nordsyrien im Gewahrsam der QSD. Die studierte Journalistin erklärt: „Meine erste Enttäuschung war der IS, meine zweite die Türkei.“

Defne Bayrak war eine Propagandaverantwortliche der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) in der Türkei. Die türkische Journalistin trat 2015 dem sogenannten IS bei und befindet sich heute im Gewahrsam der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD). Vor ihrem Beitritt zum IS war Bayrak unter anderem für Zeitungen wie Hürriyet, Vakit, TimeTürk, İnkaNews und Küresel Haber tätig. Später arbeitete sie offen für IS-Publikationen. 2015 gab sie über Twitter bekannt, sich mit ihren beiden Töchtern dem IS angeschlossen zu haben.

Öffentliche Verteidigerin des IS

Als Bayrak an der Universität Istanbul Journalismus studierte, lernte sie den jordanischen Staatsbürger Humam Khalil Abu-Mulal al-Balawi kennen. Sie heiratete ihn und zog nach Jordanien. Nachdem sich ihr Ehemann am 20. Dezember 2009 bei einem Selbstmordanschlag auf eine US-Basis in Afghanistan in die Luft sprengte, zog sie wieder in die Türkei. Als sich der IS und al-Qaida spalteten, arbeitete Defne Bayrak bei IS-nahen Medien in der Türkei und trat dort als leidenschaftliche Verteidigerin des IS auf. Im April 2015 zog sie dann gemeinsam mit ihren Töchtern über Dîlok (Antep) nach Syrien in den „Islamischen Staat“ und arbeitete dort in der Propagandaabteilung.

USA warnten schon 2010 vor Bayrak

Aus einer diplomatischen Korrespondenz zwischen der US-Botschaft und dem US-Außenministerium vom 13. Januar 2010 geht hervor, dass CIA und FBI Defne Bayrak als „gefährlich“ einstuften: „Wir schlagen vor, dass die in diesem Bericht benannte Person - da sie für den zivilen Luftverkehr innerhalb der USA oder auch im Ausland eine Gefahr darstellen könnte - ein Flugverbot durch die amerikanische Luftsicherheitsbehörde erhält.“


Al-Balawi: Doppelagent und Dschihadist

Am 30.Dezember 2009, also zwei Wochen vor dieser Korrespondenz, war Bayraks jordanischer Ehemann unter dem Vorwand, wichtige Informationen über den al-Qaida-Führer Aiman al-Zawahiri zu haben, in eine US-Basis eingedrungen und hatte sieben CIA-Agenten und einen jordanischen Agenten bei einem Selbstmordattentat getötet.

Al-Balawi war nach seiner Eheschließung nach Jordanien zurückgekehrt und arbeitete dort als Agent für den jordanischen Geheimdienst. Er stieg schnell innerhalb von al-Qaida auf und übermittelte viele wichtige Informationen über den jordanischen Geheimdienst der CIA. Vor seinem Anschlag in Afghanistan brachte al-Balawi Frau und Kinder in die Türkei.

Defne Bayrak berichtet über ihre Zeit beim IS

ANF hatte die Gelegenheit, Defne Bayrak im Gewahrsam bei den QSD zu interviewen. Sie war nach Jahren der IS-Propagandatätigkeit in der Türkei vor vier Jahren zum IS ausgereist. Sie sagt: „Ich war davon überzeugt, dass hier ein wahrhaftig islamischer Staat aufgebaut wurde und fasste den Entschluss, mit meinen beiden Töchtern in dieses Land auszuwandern. Ich hatte ohnehin schon Verbindungen zur Organisation, als ich für verschiedene Medien arbeitete.

Festnahme in Dîlok

Nachdem ich mich zum Beitritt entschieden hatte, ging ich erstmal nach Antep. Dort wurde ich festgenommen, aber kurz darauf wieder freigelassen. In derselben Nacht überquerte ich die Grenze zum IS. Danach befand ich mich eine Weile in Gästehäusern des IS [in „Gästehäusern“ wurden Neuankömmlinge untergebracht und überprüft, Anm.d.Red.] in Tabqa und Mayadin. Ich wollte meine Kinder an der Schule anmelden, konnte dies aber nicht, da ich nicht verheiratet war. Daraufhin heiratete ich durch Vermittlung der Schwestern im Gästehaus einen Ägypter.

Er wurde mit von den Frauen empfohlen - so hatte ich es vorgezogen -, ich wurde aber schnell enttäuscht. Der Ägypter schlug mich andauernd und bedrohte sowohl mich als auch meine Kinder. Als wir fliehen wollten, sagte er es dem IS-Gouverneur und drohte, uns umbringen zu lassen. Es war ohnehin eine Dummheit. Ich war drei Jahre mit ihm verheiratet. Er drohte, ‚wenn du zum Gericht gehst, werde ich dich als Lügnerin dastehen lassen. Ich werde dich fertig machen.‘ Es war sehr schwer, aber Gott sei Dank wurde ich geschieden. Als wir heirateten, hatte er keine weitere Frau, aber da ich keine Kinder bekam, heiratete er ein sechzehnjähriges syrisches Mädchen.“

„Intelligente Frauen kochen zuhause“

Nach ihrer Scheidung von dem ägyptischen IS-Dschihadisten reiste Defne Bayrak von Mayadin nach Tabqa. „Dort hatte ich große Schwierigkeiten. Meine Töchter litten sehr. Es war für mich desillusionierend. Diejenigen, die sich selbst als Staat bezeichneten und uns einluden, dachten gegenüber Frauen immer nur ans Heiraten. Als ich mit dem Ägypter verheiratet war, hatte ich ein paar Mal gesagt, dass ich arbeiten wolle. Er sagte, er werde mich fertig machen und hat mir keine Erlaubnis erteilt. Einmal sagte er: ‚Intelligente Frauen legen zu Hause Gemüse ein.‘ Verstehst du, so dachten sie über Frauen.

„Ich wollte ein Buch über den IS schreiben“

Nach meiner Scheidung habe ich eine Weile als Übersetzerin für den IS gearbeitet. Ich wollte ein Buch über das Leben, die ökonomische Struktur und den Islamischen Staat schreiben, aber niemand hörte mir zu. Ich wollte auch weitere Bücher schreiben, doch man hat mir keine Gelegenheit dazu gegeben.
Wenn eine Frau nicht verheiratet ist, dann kann sie beim IS überhaupt nichts machen. Deswegen entschied ich mich, erneut zu heiraten. Er war ein Kurde aus Kilis und hieß Abdullah. Wir waren zwei Monate verheiratet, als ich schwanger wurde, trennte ich mich von ihm.
Danach entschloss ich mich, mit meinen Kindern in die Türkei zu fliehen. Wir brachen von Raqqa aus auf. Aber als wir den Euphrat überquerten, wurde ich von den YPG festgenommen. Ich befand mich zwei Monate im Gefängnis und bin nun mit meinen Kindern zusammen in diesem Lager. Mein Kind von meinem Ehemann aus Kilis brachte ich in Hesekê zur Welt.“

„Die Türkei hat uns verraten“

Defne Bayrak erklärt, in der Türkei sei bekannt gewesen, dass sie in Verbindung mit dem IS stand. Auch als sie in Antep festgenommen wurde, waren die Behörden darüber in Kenntnis, dass sie zum IS reisen werde. Bayrak beschwert sich darüber, nicht vom türkischen Staat gewarnt worden zu sein und fühlt sich verraten: „Meine erste Enttäuschung war der IS. Meine zweite Enttäuschung war die Türkei. Alle benutzen den Islam. Von überall aus der Welt, aus Afrika, Europa und Asien kamen Menschen und traten über die Türkei dem IS bei, die Grenzübergänge waren offen. Aber jetzt, wo alles zusammengebrochen ist, sind die Grenzübergänge geschlossen.“

Sie möchte in der Türkei vor Gericht gestellt werden

Bayrak sagt: „Wir wurden benutzt.“ Wir fragen nach: „Gab es mit den Personen oder den Institutionen, von denen Sie glauben, benutzt worden zu sein, irgendein Abkommen?“ Sie weigert sich jedoch, auf diese Frage zu antworten. Die IS-Propagandistin lehnt es ab, vor einen internationalen Gerichtshof gestellt zu werden. Stattdessen will sie lieber ein Verfahren in der Türkei: „Wenn ich vor Gericht gestellt werde, möchte ich, dass dies in der Türkei passiert. Ich weigere mich zu akzeptieren, dass nur wir an diesen Dingen schuld sein sollen. Ich möchte sie mit der Sache konfrontieren. Ich will, dass sie meine Fragen beantworten, wenn sie mich verurteilen.“ Die Frage, wen sie denn „konfrontieren“ wolle, lässt Bayrak unbeantwortet. Auch nach den Fragen gefragt, die sie stellen will, weicht sie aus.

„Meine erste Enttäuschung war der IS, meine zweite die Türkei“

Bayrak fordert: „Sie müssen meine Fragen beantworten. Eine Abrechnung ist notwendig. Auch wenn ich eine Durchschnittsbürgerin wäre, hätte ich Rechte. Als ich hierherkam, haben sie mich über die Grenze gelassen. Warum ist die Grenze nun, da ich zurückkehren möchte, zu? Das akzeptiere ich nicht. Ich bin sehr enttäuscht. Meine erste Enttäuschung war der IS, meine zweite die Türkei.“