Haftstrafe für Mehmet Burun wegen KCD-Aktivitäten

Der 2016 auf Grundlage fadenscheiniger Terrorvorwürfe inhaftierte Interims-Bürgermeister von Wêranşar, Mehmet Burun, ist wegen Aktivitäten für die zivilgesellschaftliche Vereinigung KCD zu mehr als acht Jahren Haft verurteilt worden.

Ein türkisches Gericht in der nordkurdischen Provinzhauptstadt Riha (türk. Urfa) hat den Politiker Mehmet Burun wegen „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation” zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von acht Jahren und einem Monat verurteilt. Grundlage seien Aktivitäten für die zivilgesellschaftliche Vereinigung „Demokratischer Gesellschaftskongress“ (KCD). Einen Antrag auf vorzeitige Haftentlassung lehnte das Gericht ab. Burun muss die volle Strafe absitzen.

Mehmet Burun ist seit mehr als vier Jahren Gefängnis. Der kurdische Politiker war im November 2016 wegen einer durch türkische Sicherheitsbehörden konstruierten Mittäterschaft bei einem Bombenanschlag auf eine Militärwache in Riha verhaftet worden. Zuvor war er Interims-Bürgermeister im Rathaus von Wêranşar, nachdem die eigentliche Amtsträgerin Leyla Güven im Zuge der sogenannten KCK-Operationen verhaftet worden war. Vom Vorwurf einer Beteiligung beim Angriff auf die Wache Karakuzu im Oktober 2016 sprach das Gericht Burun frei.

Hintergrund: Was will die Regierung vom KCD?

Der Demokratische Gesellschaftskongress fungiert als Dachverband politischer Parteien, zivilgesellschaftlicher Organisationen, religiöser Gemeinden sowie Frauen- und Jugendorganisationen. Er versteht sich als gesellschaftlicher Gegenentwurf zu staatlichen Strukturen, der – gestützt auf Räte- und Basisdemokratie – Konzepte zur Selbstorganisierung der Bevölkerung und Alternativen der kommunalen Selbstverwaltung erarbeitet. Der KCD besteht aus etwa 1000 Delegierten, von denen 60 Prozent durch die Bevölkerung direkt gewählt und 40 Prozent aus zivilgesellschaftlichen Organisationen benannt werden, und ist in Kommissionen gegliedert. Sowohl innerhalb des Dachverbands wie auch in den Stadtteilräten und Stadträten gibt es keine Frauenquote, sondern eine Geschlechterquote. Das bedeutet, dass der Anteil von Frauen beziehungsweise Männern 40 Prozent nicht unterschreiten darf.

Von Öcalan für demokratische Gesellschaftsorganisierung vorgeschlagen

Bereits im Jahr 2005 von Abdullah Öcalan als Projekt für die demokratische Organisierung der Gesellschaft vorgeschlagen, wurden zunächst große Diskussionsveranstaltungen durchgeführt, bis im Folgejahr die erste Vollversammlung organisiert wurde. Am 14. Juli 2011 fand in Amed ein Kongress mit über 800 Teilnehmenden aller ethnischen, politischen und religiösen Strukturen in Kurdistan statt. An die gemeinsame Erklärung der Versammlung anschließend wurde die Demokratische Autonomie ausgerufen. In dem veröffentlichten Modellentwurf werden acht Dimensionen aufgeführt: die politische, die juristische, die der Selbstverteidigung, die kulturelle, die soziale, die wirtschaftliche, die ökologische und die diplomatische. Die Satzung richtet sich nicht nach den Gesetzen der Türkei, sondern nimmt die demokratische Teilhabe der Bevölkerung als Grundlage.

Langjährige Zusammenarbeit der Regierung mit KCD beim Lösungsprozess

Obwohl der KCD als höchstes Gremium der Demokratischen Autonomie unmittelbar nach seinem Gründungskongress kriminalisiert und mit Ermittlungsverfahren überzogen wurde, arbeitete die türkische Regierung zwischen 2005 und 2014 intensiv mit dem Dachverband zusammen, um gemeinsam den damals möglichen Friedensprozess zu verhandeln. Der KCD wurde von der AKP sogar gebeten, an einer neuen Verfassung für die Türkei mitzuarbeiten. Der damalige Ko-Vorsitzende Hatip Dicle gehörte zudem zur sogenannten „Imrali-Delegation“, die im Rahmen des Lösungsprozesses eine Vermittlerrolle zwischen Abdullah Öcalan und der türkischen Regierung eingenommen hatte. Auch nachdem der damalige Ministerpräsident und heutige Staatschef Recep Tayyip Erdoğan im Sommer 2015 die Friedensverhandlungen einseitig abbrach, wurde der KCD nicht verboten. Aktuell sieht die türkische Führung den KCD als sogenannten Ableger der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK).