Ein Lehrer als Hirte

Der Literaturlehrer Halil Eren arbeitet in seinem Dorf in der nordkurdischen Provinz Bedlîs als Hirte, weil ihm keine Lehrstelle zugeteilt wurde.

Im neuen Schuljahr können zahlreiche Lehrerinnen und Lehrer in der Türkei keine Stelle antreten, weil gegen sie ermittelt wird oder ihnen einfach keine Schule zugeteilt wird. Einer dieser Lehrer ist Halil Eren aus dem Dorf Oneq bei Tetwan.

Eren hat eine vierjährige Lehrerausbildung absolviert, aber keinen Arbeitsplatz gefunden. Daher ist er in sein Dorf zurückgekehrt und hütet Schafe und Ziegen, wie er es schon als Kind getan hat. „Ich bin in diesem Dorf geboren“, sagt er, „Als Kinder sind wir in einem anderen Dorf zur Schule gegangen und haben nach Schulschluss das Vieh geweidet. Ich hatte nie die Möglichkeit, wie andere Schüler Förderung zu erhalten. Auf die Prüfungen habe ich mich auf den Felsen sitzend vorbereitet, während ich Schafe und Ziegen gehütet habe.“

Vor fünf Jahren noch habe Bedarf an Lehrkräften für Literatur bestanden, erzählt er. „Der Lehrerberuf ist in der Türkei wie der Schwarzmarkt. Eine Zeitlang ist etwas angesehen und ein paar Jahre später stellst du fest, dass du eigentlich umsonst studiert hast. Den Menschen wird sozusagen das Träumen verboten.“

Das ganze Bildungssystem in der Türkei ist auf einen Wettbewerb ausgelegt, den niemand gewinnen kann, meint Halil Eren: „Das Hirtenleben hat natürlich viele gute Seiten. Es ist nicht so, dass ich es nicht mag, aber ich habe jahrelang gebüffelt, weil ich Schüler haben und ihnen Literatur nahebringen wollte. Jetzt lebe ich wieder in dem Dorf, in dem ich auf die Welt gekommen bin.“