Die Invasion von Efrîn wird eine Prüfung für die Menschheit sein

Das PKK-Exekutivratsmitglied Mustafa Karasu stellte fest: „Ohne sich gegen die Invasion Efrîns zu behaupten, ist es unmöglich, Tayyip Erdoğans Präsidentschaft und die Errichtung eines religiösen Machtsystems in der Türkei zu verhindern."

Nach monatelanger Propaganda der AKP-MHP-Regierung hat die Invasion in Efrîn begonnen. Diese Angriffe stellen eine neue Stufe in der Praxis der feindlichen Politik der AKP und MHP gegenüber den Kurd*innen dar. Der Faschismus der AKP und MHP sieht Efrîn, ein Ort auf der Welt an dem sich Kurd*innen selbst organisieren und ihr Leben selbst gestalten, als Angriffsziel an.

Efrîn, als Kanton und Stadt an der Grenze zur Türkei, in der die kurdische Bevölkerung ein organisiertes freies und demokratisches Leben aufgebaut hat, stellt für die faschistische AKP-MHP-Regierung eine Bedrohung ihrer Völkermordpolitik dar. Dies ist der Hauptgrund für den Angriff der Türkei auf Efrîn.

2014 hat Tayyip Erdoğan den Islamischen Staat (IS) zum Angriff auf Kobanê genutzt. Sie wollten Kobanê und die Rojava-Revolution durch die Hände des IS ersticken. Damals wollte er die Oasen von Freiheit und Demokratie durch den IS vernichten, heute versucht es das türkische Miläitr selbst. Begriffe wie „Kurdischer Korridor" oder „Terrorkorridor" bezeichnen ihre Feindseligkeit gegenüber Kurd*innenen.

Als der IS an der türkischen Grenze zu Syrien präsent war, betrachtete die türkische Regierung ihn nicht etwa als Terroristen oder gar als Bedrohung. Im Gegenteil, sie unterstützten den IS. Sie hatten nie Schwierigkeiten mit dem IS. Der IS war ein willkommenes Druckmittel, um die eigenen Interessen in der Welt durchzusetzen. Aber ihre Pläne wurden, durch den Sieg der Revolutionär*innen von Rojava und der Syrisch Demokratischen Kräfte über den IS, vereitelt.

Aber jetzt wissen wir, dass die Türkei die Milizen, die sie im Westen des Euphrat und um Aleppo aufgebaut und gestärkt hat als Handelsware für das syrische Regime und Russland benutzt. Die Türkei marschierte in Cerablus und al-Bab als Gegenleistung für den Verkauf der Milizen in Aleppo ein. Jetzt marschiert das Regime in die Gebiete der Milizen in Idlib ein.

Es ist deprimierend und eine Schande, dass Russland und das syrische Regime sich an solch schmutzigen Deals beteiligen. Anstatt die AKP-Regierung für all die Zerstörung in Syrien mit verantwortlich zu machen, belohnen sie sie. Bashar al-Assad und Russland geben Tayyip Erdoğan den ultimativen Preis. Sie verhelfen ihm zur Macht. Während ein Feind wie Erdoğan belohnt wird, wird Efrîn und die kurdische Bevölkerung, die sich den Dschihadisten widersetzte, dem Feind auf dem Silbertablett serviert.

Russland und das Regime öffnen den Luftraum für die Türkei und damit für die Angriffe gegen die Bevölkerung Efrîns.

Das Assad-Regime und Russland sollten wissen: Wenn die kurdischen und demokratischen Kräfte Aleppo nicht gegen die Dschihadisten verteidigt hätten, wäre Aleppo gefallen, von den anderen Teilen des Landes gar nicht zu reden. Auch die Tore von Damaskus und Latakia hätten dann offen gestanden. Das strategisch wichtigste Viertel von Aleppo wurde von den kurdischen Kämpfer*innen gehalten. Hätten die Milizen den kurdischen Widerstand gebrochen, hätten sich die Regierungstruppen niemals widersetzen können. Der Widerstand der Kurd*innen hatte auch den Regierungstruppen Mut gemacht. Die kurdische Bevölkerung in Aleppo besteht überwiegend aus Einwander*innen aus Efrîn.

Russland und das syrische Regime haben das Volk von Efrîn verraten

Erst vor kurzem hat Russland behauptet, dass es einen Angriff auf Efrîn nicht zulassen würde. Während russische Soldaten in Efrîn stationiert waren, verkaufte Russland die dortige Bevölkerung. Dieses schmutzige Geschäft wird in die Geschichte als eine der schändlichsten Beziehungen eingehen.

Ohne Zweifel gibt es in der Politik Freundschaft und Feindschaft. Aber was Russland und Syrien getan haben, kann nicht mit diesen Begriffen beschrieben werden – es war Verrat.

Wenn sich jemand feindlich verhält sollte es Gründe dafür geben. Die AKP-MHP-Regierung steht den Kurd*innen feindlich gegenüber und versucht so ihre Macht zu retten. Aber warum muss Russland feindselig gegen die Kurd*innen vorgehen? Wenn dies das ehrenwerte russische Volk, das damals die Revolution gemacht hat sehen würde, würde es rot anlaufen. Keine Regierung hat das Recht, eine solche Schuld, dem russischen Volk, das eine Revolution gemacht hat und die Freiheitskämpfe weltweit unterstützt hat, aufzubürden.

Russland und das Regime werden für jeden in Efrîn getöteten Menschen mit verantwortlich sein. Die ganze Welt sah, dass der türkische Generalstabschef Hulusi Akar und der Staatssekretär des türkischen Geheimdienstes, Hakan Fidan, nach Russland reisten, um die Erlaubnis zu erhalten den syrischen Luftraum zu nutzen. Nach einem Treffen wurde der syrische Luftraum für türkische Kampfflugzeuge geöffnet.

Wie werden die Kurden nach all dem auf Russland und Assad blicken?

Russland und das Assad-Regime schossen sich selbst in den Fuß. Diejenigen, die sich als syrisches legitimes Regime verstehen und sich mit Kurd*innen treffen wollen, um die Krise im Land zu lösen, haben den Luftraum für den AKP-MHP-Faschismus geöffnet.

Wie wird das Assad-Regime jetzt noch sagen können: „Kommt und wir werden die Probleme unter uns lösen." Während die Kurd*innen immer die Haltung zeigen die Probleme mit dem Regime politisch zu lösen, bedeutet die Vorgehensweise des Regimes nichts anderes als die Brücken zum kurdischen Volk niederzureißen. Kann ein Politiker, der bei Verstand ist einen solchen Schritt zu einer Konfrontation mit den Kurd*innen machen? Das ist eine vollkommen falsche Politik. Es scheint, dass sie die Kurd*innen mit Hilfe des Türkei-Knüppels erziehen wollen. Dies wird aber nur Feindseligkeit hervorrufen. Wenn sie ernsthaft glauben, dass sie die Kurd*innen durch den Verkauf von Efrîn disziplinieren können, werden sie von einem gegenteiligen Ergebnis überrascht werden. Zehntausende sind im kurdischen Freiheitskampf gefallen. Das kurdische Volk leistet seit hundert Jahren Widerstand gegen völkermörderische Kräfte. Und seit vierzig Jahren findet ein ununterbrochener, organisierter Widerstand statt. Während die Kurd*innen für ihre eigene Freiheit kämpfen, kämpfen sie auch für die Freiheit der Menschen im ganzen Mittleren Osten und der gesamten Menschheit. Fünftausend Kurd*innen sind während des Kampfes gegen den IS in Nordsyrien, Şengal und anderen Regionen gefallen. Die Kurd*innen haben die Menschen des Mittleren Osten vom IS befreit.

Die Kurd*innen sind die stärkste Kraft der von den USA gegründeten Anti-IS Koalition. Zu behaupten „Efrîn ist nicht das Operationsgebiet gegen des IS“, und damit den Einmarsch des türkischen Militärs zu fördern ist eine unmoralische Herangehensweise. Die Leute von Efrîn widersetzten sich dem IS und al-Nusra. Dass der IS und al-Nusra nicht ganz Syrien erobert haben, ist zu einem großen Teil auch auf den Widerstand der Bevölkerung von Efrîn zurückzuführen.

Es kann verschiedene Gründe geben, die hinter den Erklärungen der USA stehen, die Efrîn zum „nicht operativen Gebiet gegen den IS" erklären und die Türkei ermutigten, in die Region einzumarschieren. Vielleicht wollten sie Kurd*innen und Russland gegeneinander positionieren und davon profitieren. Wie ein chinesisches Sprichwort sagt: „Große Länder haben große Pläne.“

Der Hauptgrund für den Angriff auf Efrîn ist die Kurdenfeindlichkeit

Indem sie den Weg für die Invasion in Efrîn ebneten, wurden Russland, das syrische Regime und die USA Partner des AKP-MHP-Faschismus. Sie sind jetzt in der Situation der Unterstützer der Kurdenfeinde.

Der zweite Grund, warum der AKP-MHP Faschismus in Efrîn einzumarschieren versucht, ist der Wunsch sich an der Macht zu halten. Die faschistische Regierung fürchtet, die Macht in der Türkei zu verlieren.

Für Tayyip Erdoğan ist ein Krieg der einzige Weg, seinen Posten zu halten. Es gibt keine andere Möglichkeit mehr für Erdoğan, das Land weiterhin zu regieren. Die Unterstützung der Invasion in Efrîn bedeutet, ein weiteres Jahrzehnt Erdoğans Herrschaft zu unterstützen. Es bedeutet Unterstützung für eine religiös-nationalistische Staats- und Sozialstruktur.

Diejenigen, die den Einmarsch der AKP-MHP auf Efrîn unterstützen, haben Erdoğan den Weg geebnet an der Macht zu bleiben. Die Öffnung des syrischen Luftraums durch Russland und das Regime ist der entscheidende Schritt, Tayyip Erdoğan im Amt zu halten. Wir wissen, dass Assad und Erdoğan wieder Brüder werden. Erdoğan, der Russland nach dem Abschuss des Kampfflugzeugs noch beleidigte und dachte, er bekäme Unterstützung von den USA und der EU, setzt sich von nun auf den Schoß Russlands.

Bis vor kurzem haben die EU und die Vereinigten Staaten Erdoğan als Faschisten angesehen, nun sind sie mit dafür verantwortlich, diesen Fluch für die Menschen in der Türkei fortdauern zu lassen. Jetzt verstehen wir, dass die Aussagen verschiedener Kreise, die Erdoğan als faschistisch bezeichneten, nicht ernst gemeint waren. Sie sind mit der AKP-Regierung zufrieden. Die Vertreter der USA und der EU sagen, dass sie „die Sorgen der Türkei verstehen" und dass sie ihre schmutzigen Beziehungen mit dem faschistischen Regierungschef und seinem Kabinett fortsetzen, anstatt die Sorgen der Völker der Türkei und der Kurd*innen zu verstehen. Sie haben gezeigt, dass sie Erdoğan den Völkern in der Türkei vorziehen.

Wir müssen dies noch einmal betonen: Wenn Tayyip Erdoğan und die AKP-MHP-Regierung zum Fluch für die ganze Menschheit werden, dann werden die, die bei ihnen gestanden haben, dafür verantwortlich sein. Insbesondere die Politik der USA und der EU ermutigt Tayyip Erdoğan und sein faschistisches AKP-MHP Regime. Deshalb kann Erdoğan diese Mächte auch beleidigen, wenn er denkt, es sei die Zeit dafür. Er weiß nämlich, dass diese Mächte seine Beleidigungen aufgrund ihrer kapitalistischen Profitinteressen schlucken werden.

Auch viele in der Türkei, die von sich sagen „ich bin Kurde“, „ich bin Demokrat“, „ich bin gegen die AKP“, zeigen keine klare Haltung gegen die Invasion in Efrîn. Niemand kann gegen den AKP-MHP-Faschismus sein, wenn er nicht gegen die Invasion von Efrîn ist. Das ist sogar noch wichtiger als die Kurdenfeindschaft. Denn die Besetzung Efrîns bringt weder einen Vorteil für die Türkei, noch für ihre Völker. Einzig und allein dem AKP-MHP-Faschismus verschafft es einen Vorteil. Deshalb sollten sich alle demokratischen Kräfte gegen die Invasion Efrîns stellen und in diesem Sinne auch Druck auf die CHP ausüben. Diejenigen, die die AKP-Regierung unterstützen, werden dies sehr bedauern. Tayyip Erdoğan wird die Invasion Efrîns nutzen, um eine religiös-autoritäre Türkei zu schaffen. Er wird jede Opposition gegen das von ihm vorgesehene System vernichten. Die Opposition gegen die AKP, die die Invasion in Efrîn unterstützt, ist eine Pseudoopposition. Es ist unmöglich ein autoritär-religiöses System zu verhindern, ohne gegen die Besatzung von Efrîn aufzustehen.

Linke Gruppen wie die ÖDP haben mit ihrer sehr sachten Haltung gegen die Invasion von Efrîn ebenfalls eine Haltung bezogen, die dem Erdoğan-Regime den Weg frei macht. Ohne gegen die Besatzung von Efrîn zu sein, ohne die Bedeutung dieser Besetzung zu verstehen, kann man in der Türkei kein Oppositioneller und schon gar kein Linker sein. Diejenigen, die die Besatzung unterstützen oder nicht ernsthaft gegen sie eintreten, tappen in die Falle der AKP. In diesem Sinne sollte die ÖDP eine stärkere und entschlossenere Haltung gegenüber der Kriegspolitik der AKP und der Besatzung von Efrîn an den Tag legen. Sie sollten herausstellen, dass die Besatzung von Efrîn Feindschaft gegenüber den Völkern der Türkei bedeutet. Prinzipienlose und pragmatische Politik mit Ideologie zu verbrämen bringt gar nichts, das schwächt den Widerstand gegen den Faschismus und die Herrschaft. Wenn die ÖDP in dieser sehr kritischen Phase für die Türkei ihre demokratische, revolutionäre und sozialistische Rolle nicht spielt, wird sie als Kraft in die Geschichte eingehen, die zu der Zeit als es noch möglich und vor allem notwendig war, keine Anstrengungen unternommen hat die Bildung des religiös-autoritären Systems zu verhindern.

Die Linke in der Türkei hat sich in den 1970er Jahren mit ihrer Opposition gegen die Besatzung Zyperns hervorgehoben. Und es gibt tausendmal weniger Grund Efrîn zu besetzen, als damals Zypern. Die Haltung gegenüber Efrîn ist eine Prüfung für alle sozialistischen und demokratischen Kräfte. Sie wird den Unterschied zwischen einer linken und sozialistischen und einer kolonialistischen, völkermörderischen Haltung zeigen. Alle Versuche der Herrschenden, die linken und sozialistischen Kräfte zu vergiften werden verhindert werden, alle politische Spiele gegen die Linke werden scheitern. In diesem Sinne rufen wir alle sozialistischen und demokratischen Kräfte dazu auf eine Front gegen die Besatzung von Efrîn zu bilden.

YENİ ÖZGÜR POLİTİKA