Die erste Kugel beim Aufstand in Südkurdistan

Vor dreißig Jahren begann in Südkurdistan der Raperîn, der Aufstand gegen das Saddam-Regime. Die erste Kugel wurde in Ranya von Elî Nebî abgefeuert. Sein Sohn Şoreş erinnert an den Peschmerga-Kämpfer.

Vor dreißig Jahren, am 5. März 1991, begann in Ranya im Gouvernement Silêmanî in Südkurdistan ein von einer Gruppe junger Menschen angeführter Aufstand (ku. Raperîn) gegen die Diktatur von Saddam Hussein. Die Rebellion wurde von den Peschmerga aus den Bergen unterstützt. Am 21. März wurde Kerkûk eingenommen und der Aufstand breitete sich auf alle Dörfer und Städte aus. Behörden und Einrichtungen des Baath-Regimes wurden besetzt, die irakische Armee aus Südkurdistan zurückgedrängt. Am 27. März ging die Armee zum Angriff über und nahm am selben Tag Kerkûk wieder ein. Am 31. März wurde Hewlêr (Erbil) erneut besetzt. Danach setzte eine riesige Fluchtwelle ein, Hunderttausende Menschen gingen nach Nordkurdistan (Türkei).

Auf Forderung von Frankreich und Belgien entschied der UN-Sicherheitsrat am 5. April 1991 die Einrichtung einer Sicherheitszone in Südkurdistan. Die Kurden sollten vor den Angriffen der irakischen Armee geschützt und mit humanitärer Hilfe unterstützt werden, die Geflüchteten sollten zurückkehren können. Den Kräften des Baath-Regimes wurde der Zutritt in den Norden über den 36. Breitengrad hinaus verboten, es wurde eine Flugverbotszone eingerichtet. Dieser UN-Beschluss Nr. 688 war nach der Mosul-Entscheidung von 1925 die erste Anerkennung der Kurden. Durch die Flugverbotszone wurde Südkurdistan faktisch zum Autonomiegebiet. Die Geflüchteten begannen zurückzukehren.

Der Raperîn führte auch an der politischen Front zu einer Einheit. Im Dezember 1991 beschloss die von PDK und YNK angeführte Kurdistan-Front Parlamentswahlen. Am 7. Juli 1992 wurde ein Ministerrat gebildet, am 4. Oktober 1992 deklarierte das Parlament eine föderale Regierung Südkurdistans innerhalb des Irak. Diese Regionalregierung bestand bis zum Sturz des Saddam-Regimes im Jahr 2003.

Peschmerga in Ranya

Einer der Kurden, die den ersten Funken des Aufstands in Ranya auslösten, war Elî Nebî. Sein Sohn Şoreş Elî Nebî hat gegenüber ANF von der Geschichte seines Vaters berichtet.

Die Familie ist aus Şemzînan nach Ranya migriert. Elî Nebî wurde 1953 im Dorf Medera bei Ranya geboren. Seine Eltern waren Bauern. Er wurde Peschmerga-Kämpfer, kehrte 1975 nach dem Algerien-Abkommen nach Hause zurück, ergab sich jedoch niemals dem Baath-Regime. 1985 gab er seine Tätigkeit als Peschmerga auf, hielt jedoch den Kontakt zur YNK. Während der Anfal-Operation spielte er eine aktive Rolle bei der Rettung der Bevölkerung von Xoşnav, Şawre und Rêwandiz und führte die Menschen zur iranischen Grenze.

Der Beginn des Raperîn von 1991 war eigentlich für den 7. März geplant. Elî Nebî hatte Erfahrung im Peschmerga-Kampf und war maßgeblich an der Planung zur Einnahme der Regierungseinrichtungen in Ranya beteiligt. Die Jugend ging bereits am 5. März auf die Straßen. Das Baath-Regime hatte Vorbereitungen im Stützpunkt zwischen Ranya und Çakurna getroffen und Truppen stationiert. In Ranya waren Agenten aktiv.

Die erste Kugel des Raperîn

Elî Nebî fielen diese Vorbereitungen auf und er traf in Ranya auf drei Agenten des Baath-Regimes. Er feuerte die erste Kugel des Raperîn ab. Bei dem Gefecht wurde ein Agent getötet, ein weiterer wurde verletzt. Auf einem Platz in der Stadt versammelte sich die Bevölkerung und Elî Nebî informierte die Menschen über den Aufstand. So begann der Raperîn zwei Tage früher als geplant. Alle Kräfte des Regimes wurden an diesem Tag aus Ranya vertrieben. Es folgte Haci Awa, am nächsten Tag wurde Çakurna befreit. Elî Nebî und seine Mitstreiter führten die Bevölkerung an und befreiten die Stadt in Eigeninitiative. Am 7. März kamen Peschmerga in die Stadt.

Im Zuge des Aufstands wurde Elî Nebî erneut Peschmerga-Kämpfer. 1994 kam es in Qaladizê zu einem Gefecht zwischen YNK und PDK. Elî Nebî ging dorthin, um den Konflikt zu befrieden. Am 2. Mai 1994 geriet er mit weiteren Mitstreitern in einen Hinterhalt der PDK und kam ums Leben.

Ein guter Vater

Sein Sohn Şoreş sagt über Elî Nebî: „Er liebte sein Volk und wurde in der Bevölkerung respektiert. Als Vater war er vernarrt in seine Familie und ließ uns Kinder seine Liebe immer spüren. Während seiner Zeit als Peschmerga kam er manchmal vier bis fünf Monate nicht nach Hause. Aufgrund seiner Tätigkeit lebten wir nicht dauerhaft an einem Ort. Wir waren manchmal im Dorf, manchmal in den Bergen und manchmal in der Stadt.

Wir sind stolz auf ihn, sowohl als seine Kinder als auch wegen seines Kampfes für Kurdistan. Er hat nicht nur für den Süden gekämpft, sondern auch für Ostkurdistan. Als die PKK nach Südkurdistan kam, hat er sie unterstützt. Sein ganzes Leben lang hat er dem kurdischen Volk gedient.“