Trotz Erdoğan und Ausnahmezustand: HDP bleibt im Parlament

Noch sind nicht alle Stimmen ausgezählt, aber Erdoğan hat sich bereits zum Wahlsieger erklärt.

Während die Auszählung der Stimmen noch andauert, hat sich Erdoğan bereits zum Sieger der Präsidentenwahl erklärt. „Demnach hat unser Volk meiner Person den Auftrag der Präsidentschaft und der Regierung gegeben“, sagte Erdoğan am Abend in Istanbul.

Nach Auszählung von mehr als 90 Prozent der Stimmen lag Erdoğan während der Ansprache bei 52,88 Prozent, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu. Damit hätte er die Präsidentschaftswahl bereits in der ersten Runde gewonnen. Die von der AKP geführte „Volksallianz“ könnte nach den vorliegenden Teilergebnissen mit deutlich mehr als 340 der 600 Sitze im Parlament rechnen. Sowohl die HDP als auch die CHP erhoben schwere Manipulationsvorwürfe. Die HDP-Zentrale meldete, die Zahlen von Anadolu seien ein Versuch, die Öffentlichkeit zu demoralisieren. CHP-Sprecher Bülent Tezcan sagte vor Journalisten in Ankara, dass nach den seiner Partei vorliegenden Teilergebnissen Erdoğan zu keiner Zeit 48 Prozent der Stimmen überschritten habe.

HDP erreicht fast 12 Prozent der Stimmen

Trotz systematischen Regelverstößen und Unregelmäßigkeiten während der Abstimmung ist der Demokratischen Partei der Völker (HDP) mit bisher fast 12 Prozent der Stimmen der Sprung über die Zehnprozenthürde gelungen. Die HDP wird somit mit 74 Sitzen im Parlament weiterhin vertreten sein.

Laut der Nachrichtenagentur IHA sind bisher etwa 93 Prozent der Stimmen für die Parlamentswahlen ausgezählt. In mindestens elf Städten in Nordkurdistan liegt die HDP dabei vorn. In der Provinz Amed (Diyarbakir), einer der Hochburgen der HDP, wird bereits ausgiebig gefeiert und getanzt.

Hohe Wahlbeteiligung

Die Wahlbeteiligung lag mit 87,3 Prozent etwas über der Beteiligung bei den Parlamentswahlen vom November 2015, als 85,2 Prozent der Wahlberechtigten abstimmten. Insgesamt waren 59,35 Millionen Wähler zur Stimmabgabe aufgerufen, davon rund drei Millionen Auslandswähler.

Wahlen unter dem Ausnahmezustand

Die Parlaments-und Präsidentschaftswahlen fanden unter dem Ausnahmezustand statt, der nach dem sogenannten Putschversuch vom 15. Juli 2016 verhängt worden war, für den die türkische Regierung den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen verantwortlich macht. Unter dem Ausnahmezustand waren Grundrechte bisher ohnehin schon weitestgehend eingeschränkt. Erdoğan konnte per Dekret regieren, die nicht vor dem Verfassungsgericht anfechtbar sind. Mit seiner „Wiederwahl“ ist der Wandel der Türkei in ein Ein-Mann-Regime besiegelt. Dabei wird Erdoğan von den erweiterten Befugnissen unter dem Präsidialsystem profitieren, das bei dem umstrittenen Verfassungsreferendum im April 2017 mit knapper Mehrheit gebilligt worden war und nach der Wahl voll in Kraft tritt. Somit wird Erdoğan das Land in eine noch dunklere Zeit führen.