Syrien erkennt Völkermord an Armeniern an

Vor 105 Jahren wurden im Osmanischen Reich mehr als 1,5 Millionen Armenier und andere Christen systematisch bei Massakern getötet. Jetzt hat Syrien als zweites Land in der „Arabischen Welt“ die Ereignisse als Völkermord anerkannt.

Das syrische Parlament hat den Genozid an den Armeniern im Ersten Weltkrieg offiziell als Völkermord eingestuft. Der Volksrat in Damaskus beschloss am Donnerstag einstimmig eine entsprechende Resolution, die von der Kommission der armenisch-syrischen Freundschaftsgruppe eingebracht wurde. Syrien ist nach dem Libanon somit das zweite Land in der „Arabischen Welt“, das den Völkermord an den Armeniern auch als solchen anerkennt. Boutros Morjana, Vorsitzender des Auswärtigen Auschusses im syrischen Parlament, sagte: „Es ist schon lange an der Zeit, menschenverachtende Ereignisse wie den Genozid an den Armeniern als solchen einzustufen, ihn zu verurteilen und zu handeln, damit so etwas nie wieder passiert.“

Zwischen 1915 und 1918 wurden unter Verantwortung der jungtürkischen Regierung mehr als 1,5 Millionen christliche Armenier, Pontos-Griechen und andere Christen ermordet. Mittlerweile haben mehr als 20 Staaten das Geschehen als Genozid offiziell anerkannt, darunter auch Deutschland. Papst Franziskus nannte den Genozid, den die Armenier Aghet („Katastrophe“) nennen, den „ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts”. Die Türkei spricht hingegen nur von Massenvertreibungen und von gewalttätigen Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit dem Ersten Weltkrieg.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts lebten noch rund zwei Millionen Armenier im Osmanischen Reich. Dieses befand sich im Niedergang, in Europa sprach man vom „kranken Mann am Bosporus“. Im Gegenzug wuchs der Nationalismus, der sich nicht zuletzt gegen die Armenier richtete. Sie waren häufig wohlhabender und gebildeter als ihre türkischen Landsleute. Zwischen 1894 und 1896 kam es zu Pogromen, bei denen bis zu 300.000 Menschen getötet wurden.

1908 übernahmen die sogenannten Jungtürken die Macht in Konstantinopel, dem heutigen Istanbul, und setzten den bisherigen Sultan ab. An seiner Stelle wurde ein Marionettenherrscher als Nachfolger installiert. 1913 putschte sich ein Triumvirat an die Spitze des Staates, bestehend aus Innenminister Talat Pascha (Mehmed Talaat Bey), Kriegsminister Ismail Enver und Marineminister Ahmed Cemal. Sie regierten das Reich faktisch als Diktatur.

Ab März 1915 wurden die armenischen Soldaten der osmanischen Armee entwaffnet, ein großer Teil von ihnen wurde umgebracht. Am 24. April 1915 verfügte Innenminister Talat Pascha die Verhaftung der armenischen Elite aus der osmanischen Hauptstadt Istanbul. Dieser Tag gilt als eigentlicher Auftakt des Genozids. Den anschließenden Massakern, Todesmärschen, der Hungersnot und Massendeportation in die syrische Wüste fielen mehr als 1,5 Millionen Menschen zum Opfer.

Zuletzt hatte der US-Senat vergangenen Dezember einstimmig beschlossen, den Genozid an den Armeniern durch das Osmanische Reich als Akt des Völkermords anzuerkennen. Seit 50 Jahren kämpfen Armenierinnen und Armenier in den USA um Anerkennung des Genozids.

Als erstes großes europäisches Land stufte Frankreich 2001 die Massaker offiziell als Genozid ein. Der deutsche Bundestag tat dies erst 2016.