Selbstverwaltung: Keinen Kniefall vor der Türkei machen

In der Debatte um das mögliche Veto gegen den Nato-Beitritt Finnlands und Schwedens, unter anderem wegen Zusammenarbeit mit den YPG, hat sich nun auch die Selbstverwaltung zu Wort gemeldet. Sie fordert vom Westen, keinen Kniefall vor der Türkei zu machen.

Seit Tagen wird die internationale Agenda von den Erpressungen des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan gegenüber der NATO beherrscht. Schweden und Finnland wollen dem westlichen Militärbündnis unter dem Eindruck des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine beitreten, die Türkei droht allerdings mit einem Veto – unter anderem unter Verweis auf Zusammenarbeit mit den Volksverteidigungseinheiten (YPG) beziehungsweise den Demokratischen Kräften Syriens (QSD). Erdoğan versucht sich vom Westen Zugeständnisse in verschiedenen Angelegenheiten zu erpressen. Hinter seinem Vorgehen dürften hauptsächlich die Aufhebung von Rüstungsembargos sowie neue Waffengeschäfte, aber auch innenpolitische Motive eine Rolle spielen. Die Umfragewerte von Erdoğan und seiner AKP sinken und Forderungen nach einem härteren Vorgehen gegen „kurdische Terroristen“ finden traditionell im nationalistischen Wählerklientel Anklang.

Altbewährte Praxis der politischen Erpressung

Die Autonomieverwaltung von Nord- und Ostsyrien zeigte sich wenig überrascht von Erdoğans Drohgebärden in der Debatte um einen Nato-Beitritt Finnlands und Schwedens. Die angedrohte Blockade sei ein klarer Beweis für die Versuche des türkischen Diktators, „die Weltpolitik nach seinen eigenen Interessen zu gestalten“, erklärte die Selbstverwaltung am Samstag. „Und es ist ein Beweis für die Praxis der politischen Erpressung von Ländern, die sich positiv an den internationalen Bemühungen zur Bekämpfung des Terrorismus vom IS an der Seite der Demokratischen Kräfte Syriens beteiligt haben. Es ist auch ein Versuch, den Kampf der Völker der Region, insbesondere des kurdischen Volkes, und ihre Bewegung zur Erlangung ihrer legitimen Rechte auf der Grundlage der Menschenrechte und des Rechts auf Selbstbestimmung zu untergraben“, hieß es weiter.

Wer ist der Terrorist?

Erdoğans Sichtweise stehe im Einklang mit der „chauvinistischen und islamistischen Politik“ seiner Partei, so die Selbstverwaltung. Diese ziele sowohl darauf ab, die Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) wiederzubeleben – indem die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft von der Bekämpfung des globalen Terrorismus abgelenkt wird – als auch eine Veränderung der Bevölkerungsstruktur in der Region durch den Bau von Siedlungen. „Der breiten Öffentlichkeit ist klar geworden, in welchem Ausmaß die AKP-Regierung eine rassistische und chauvinistische Politik gegenüber den Bestrebungen der Völker der Region, ihre Zukunft in Freiheit und Würde zu gestalten, betreibt – insbesondere gegenüber dem kurdischen Volk. Was von internationalen Menschenrechtsorganisationen dokumentiert und veröffentlicht wurde, ist der beste Beweis für die vom türkischen Staat und den dschihadistischen und salafistischen Gruppen begangenen Gräueltaten. Diese Verbrechen gegen die Völker der Region kommen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gleich. Sie zeigen das Ausmaß der engen Verbindung zwischen dem türkischen Staat und terroristischen Gruppen im Mittleren Osten, insbesondere mit dem IS, der Al-Nusra-Front, Haiat Tahrir al-Scham und anderen. Der türkische Staat nutzt diese Gruppen, um die Region im Sinne seiner rassistischen und expansionistischen Politik zu gestalten und Nordostsyrien und die Welt in langfristige, katastrophale Kriege zu stürzen“, erklärte die Autonomieverwaltung mit Blick auf die Handlungen der Besatzungsmacht Türkei in Teilen von Syrien und ihrer Unterstützung für Terrorgruppen.

Keinen Kniefall vor Erdoğan

Gerade deshalb dürfe der Westen keinen Kniefall vor Erdoğan und seiner Türkei machen, lautet die Forderung Rojavas. „Wir, die Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien mit all ihren Völkern, streben gemeinsam mit der internationalen Gemeinschaft danach, den IS und andere terroristische Organisationen dauerhaft zu eliminieren und nachhaltige Lösungen für die Syrien-Krise in Übereinstimmung mit internationalen Resolutionen, insbesondere der Resolution 2254 des UN-Sicherheitsrates, zu finden. Wir appellieren an die internationale Gemeinschaft, sich nicht in diese Politik des türkischen Staates hineinziehen zu lassen, die darauf abzielt, dieses Bündnis zu kontrollieren und die Völker der Region zu schädigen. Wir bekräftigen auch das Recht aller Völker, für ihre Freiheit im Einklang mit internationalen Gesetzen und Verträgen zu kämpfen.“