Revolutionärer Volkskrieg gegen die Besatzung von Rojava – Teil II

Das Rückgrat der Selbstverteidigung von Rojava sind die Gesellschaftlichen Verteidigungskräfte (HPC). Sie bilden sich aus den Verteidigungskommissionen der Basisräte und engagieren sich sowohl hinter der Front als auch im direkten Kampfeinsatz.

Die Gesellschaftlichen Verteidigungskräfte (Hêzên Parastina Civakê, HPC) wurden als direkte Selbstverteidigungskraft der Bevölkerung mit der Revolution von Rojava ins Leben gerufen. Sie bilden sich aus den Verteidigungskommissionen der Kommunen und stellen damit eine Form der direkten basisdemokratischen bewaffneten Selbstverteidigung dar. Ihre Geschichte war nicht einfach. Bekanntlich war die Beteiligung der Bevölkerung an der Verteidigung von Kobanê begrenzt, und auch in Efrîn, dann in Serêkaniyê und Girê Spî war es ähnlich. Die HPC wurden zwar in den ersten Jahren der Revolution gegründet, waren zu dieser Zeit aber eher als Kräfte zur Sicherheit hinter der Front eingesetzt.

In der Anfangszeit bestand die Arbeit der HPC hauptsächlich darin, die Verteidigungskräfte zu unterstützen, die Sicherheit in den Gebieten hinter der Front einigermaßen zu gewährleisten und den Nachschub sicherzustellen. Sie haben sich jedoch auch an etlichen revolutionären Operationen gegen den IS beteiligt und hatten Gefallene und Versehrte zu beklagen.

Die Rolle der HPC wandelte sich mit der Zeit. So nahmen sie später immer mehr aktiv an Angriffen teil, zum Beispiel wenn es darum ging, eine bestimmte Stellung zu halten, aber auch um für die Sicherheit von bestimmten Orten oder Kundgebungen und Versammlungen zu sorgen. Sie unterstützten die Kräfte der inneren Sicherheit (Asayîş) in den Städten und führten Patrouillen in den ländlichen Gebieten durch. Die HPC waren von nun an auch in einem wichtigen Ausmaß an der Gewährleistung der Sicherheit der Institutionen der Selbstverwaltung beteiligt.

Fokus zur Beteiligung der breiten Gesellschaft am Widerstand

Die HPC sind auf lokaler und kantonaler Ebene organisiert und arbeiten im Kontext der lokalen Selbstverwaltung. Ihre Organisierungsperspektive war auf die Breite der Gesellschaft angelegt. Diese Qualität der Organisierung versuchen die HPC heute weiter auszubauen und dafür zu sorgen, dass ihre Organisierung auf lokaler Ebene mit einer gemeinsamen Perspektive noch stärker im Geiste der radikaldemokratischen Selbstorganisierung stattfindet und so ihr gesellschaftlicher Charakter betont wird. So entwickeln sich die HPC mit ihrer Verteidigungsstruktur und ihrem sozialen Charakter zum Rückgrat des Konzepts des revolutionären Volkskriegs gegen eine türkische Invasion. Sie stellen den Fokus dar, durch den die breite Gesellschaft Anteil am Widerstand nimmt.

Die HPC beschränken ihre Arbeit nicht nur auf diesen Bereich. Sie versuchen, die zivile Verteidigung zu organisieren, um mit gesellschaftlichen oder ökologischen Problemen umzugehen. So organisieren sich die HPC zum Beispiel zum Schutz von landwirtschaftlichen Flächen vor Bränden und zur Bekämpfung möglicher Naturkatastrophen. Die HPC sind eine demokratische Kraft, die entschlossen ist, in alle Fragen der Verteidigung der Bevölkerung einbezogen zu werden.

Die HPC sind die eigene Verteidigungskraft der Gesellschaft

Die HPC unterscheiden sich von Institutionen wie den YPG, YPJ und Asayîş, auch wenn sich diese ebenfalls als Verteidigungskräfte definieren. YPG und YPJ sind voll bewaffnete, professionelle militärische Verbände. Die Asayîş ist für die innere Sicherheit zuständig. Ohne Zweifel hat die Asayiş auch eine Rolle in der Verteidigung, aber der Schwerpunkt der Asayîş ist ein anderer als der von YPG und YPJ. Die Aufgabenbereiche, die Organisation und Kompetenzen sind in ihren Statuten sowie in Gesetzen festgelegt. So dürfen militärische Einheiten beispielsweise nicht bewaffnet die Städte betreten. Während die YPG und die YPJ voll professionell organisiert sind, arbeitet Asayîş nach einem Teilzeitprinzip. Dennoch setzt die Arbeit der Asayîş ebenfalls eine hohe Professionalität voraus. Das bedeutet, dass eine Person, die der Asayîş angehört, die Hälfte ihrer Zeit mit dieser Arbeit verbringt und ansonsten Zivilperson ist. In Notsituationen beteiligt sich die Asayîş allerdings Vollzeit an der Verteidigung an der Seite der militärischen Kräfte. Die YPG- und die YPJ-Mitglieder sind Vollzeit in ihren Einheiten aktiv.

Das Vorhandensein dieser Kräfte macht die Existenz der HPC nicht überflüssig oder zu einer konkurrierenden Alternative. Jeder Bereich hat seine Aufgabe. Die HPC aber bestehen aus Menschen, die voll im zivilen Leben stehen. Sie haben weder einen professionellen Charakter wie die Asayîş noch ein institutionelles, vollprofessionelles Selbstverständnis wie YPG und YPJ. Die Arbeit der HPC basiert auf der Entschlossenheit zur Verteidigung der Region und der Revolution. Insofern ist sie nicht spezialisiert. Stattdessen haben die HPC die Perspektive, überall dort zu kämpfen, wo sie gebraucht werden. Der wichtigste Grundsatz dabei ist, dass das Recht auf Verteidigung heilig ist und nicht aufgeschoben, übertragen oder anderen überlassen werden kann. In diesem Sinne kann die Gesellschaft nur von der Gesellschaft selbst verteidigt werden. Selbst wenn es professionelle Institutionen gibt, braucht die Bevölkerung Institutionen oder Mechanismen, um sich verteidigen zu können. Was nicht delegiert werden kann, tun die Menschen selbst.

Alle sind natürliches Mitglied der HPC

Die HPC haben keine Mitgliedschaft im klassischen Sinne. Menschen aus allen ethnischen und sozialen Strukturen, die im Autonomiegebiet Nord- und Ostsyrien leben, sind natürliche Mitglieder der HPC. Jede Person, die bereit ist, die Region und die Errungenschaften der Revolution zu verteidigen, kann Teil der HPC sein.

Die HPC verwalten sich selbst als Institution. Gleichzeitig gibt es Tausende von aktiven Mitgliedern aus der Bevölkerung, die täglich ihre Arbeit verrichten. Außerdem gibt es ein breiteres Spektrum von Mitgliedern, die jederzeit kurzfristig aktiviert werden können. Jedes HPC-Mitglied durchläuft einen Schulungsprozess. Diese Ausbildungsprozesse unterscheiden sich je nach ihren Tätigkeiten und Aktivitäten. Aktive Mitglieder werden in Akademien ausgebildet.

Die HPC werden sich direkt am Krieg beteiligen

Der HPC beteiligen sich aktiv an den Vorbereitungen für den revolutionären Volkskrieg gegen die türkische Invasion und werden sich direkt am Kampf an der Seite von YPG und YPJ an der Front, aber auch hinter der Front beteiligen. Im Falle eines Invasionsangriffs besteht die einzige Aufgabe der HPC und ihrer Mitglieder in der Verteidigung des Landes und des Volkes, alle anderen Aufgaben sind zweitrangig.