Polizeiübergriff nach Straßenmusikkonzert

Mit einem öffentlichkeitswirksamen Straßenmusikkonzert protestierten im norddeutschen Hitzacker mehr als 80 Sänger*innen gegen die zunehmende Repression.

Am Freitagabend gegen 20.00 Uhr kamen mehr als 80 Personen vor dem Haus eines Staatsschutzbeamten im norddeutschen Hitzacker zu einem Straßenmusikkonzert zusammen. Unterstützt wurde das spontane Konzert von den Straßenmusiker*innen der RotzfrechenAsphaltKultur (RAK).

Die Protestaktion richte sich gegen die „repressiven Aktivitäten des übermotivierten Staatsschutzbeamten, der seit Monaten linke Projekte im Landkreis Lüchow-Dannenberg malträtiert“, heißt es in einer später veröffentlichten Erklärung der „Sänger*innen“.

Es war nur ein kurzes Konzert. Als die Protestierenden sich zurückzogen und bereits auf dem Rückweg waren, wurden sie gegen 20.45 Uhr von einer Hundertschaft der Oldenburger Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit gestoppt. Ohne Vorwarnung seien sie sofort gegen die sich auf dem Heimweg befindlichen Menschen vorgegangen. 10 Personen wurden bei dem Einsatz verletzt. „Die haben mich einfach umgerissen und dann weiter auf mich eingeschlagen, als ich schon da lag,“ erklärte Andreas „dann schleppten die mich noch mit Schmerzgriffen an die Stelle an der alle gesammelt wurden.“

Etwa 60 Personen wurden von der Hundertschaft eingekesselt und unter dem Vorwurf des Haus- und Landfriedensbruches nach und nach Erkennungsdienstlich behandelt. Die Maßnahme dauerte bis in die tiefe Nacht hinein. Die Betroffenen der Polizeigewalt erwägen nun, rechtliche Schritte gegen den Einsatz einzulegen. „Das Vorgehen der Polizei war absolut unverhältnismäßig, der Kessel in meinen Augen gesetzeswidrig. Selbst heute tun mir noch die Hände weh von den zu engen Fesseln“, erklärte die Musikerin Sylvia im Rückblick auf den Einsatz.

Wir dokumentieren die gesamte Erklärung der „solidarischen Sänger*innen“ im Wortlaut:

Am 18. Mai gegen 20 Uhr haben sich mehr als 80 Sänger*innen auf dem Autowendeplatz vor dem Haus des Staatsschutzbeamten Olaf Hupp eingefunden und gaben ein spontanes Straßenmusikkonzert mit Unterstützung der „Rotzfrechen Asphaltkultur“ (RAK). Zudem wurde auf der Wiese vor seinem Grundstück eine „YPG“-Fahne gehisst und an seinem Carport weitere Flaggen der kurdischen Freiheitsbewegung angebracht. Nach ungefähr 15 Minuten tauchte ein Streifenwagen mit zwei Polizeibeamten auf, die das Geschehen beobachteten. 10 Minuten später verließen die Teilnehmer*innen den Ort des Geschehens.

Die Protestaktion richtet sich gegen die Vorgehensweise/repressiven Aktivitäten des übermotivierten Staatsschutzbeamten, der seit Monaten linke Projekte im Landkreis Lüchow-Dannenberg malträtiert. Diese solidarisieren sich seit Langem mit der kurdischen Freiheitsbewegung.

Um ca. 20:45 Uhr überfiel eine Hundertschaft der Oldenburger Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) die abziehenden Menschen. Unter ihnen war auch Staatsschutzkommissar Olaf Hupp. Diese Beamt*innen schlugen ohne Vorwarnung auf die Menschen ein und zwangen sie zu Boden. Dadurch wurden etwa 10 Personen verletzt. Von den Beamten war nur Herr Hupp unvermummt und erkenntlich und trat in Rage auf am Boden liegende Personen ein. 60 der Sänger*innen wurden anschließend von der Polizei am Bahnübergang Hitzacker Richtung Sarenseck gekesselt und ab ca. 23:30 Uhr, nach einer erkennungsdienstlichen Behandlung, einem Platzverweis und dem Vorwurf des Haus- und Landfriedensbruches auf freien Fuß gesetzt. Die Maßnahme dauerte bis ca. 03:00 Uhr des Folgetages an. Vier Personen, unter ihnen auch die am schwersten verletzte Person, wurden in Polizeigewahrsam nach Lüchow gebracht. Zwei Personen wurden am Mittag des 19. Mai dem Haftrichter vorgeführt und zum Zeitpunkt des Verfassens dieser Pressemitteilung war noch eine Person in Gewahrsam.

Die Betroffenen der Polizeigewalt erwägen nun, rechtliche Schritte gegen den Einsatz einzulegen. Die Beteiligten bewerteten den Auftritt vor dem Grundstück des Beamten äußerst positiv – Sängerin Mike zum Konzert: „Wir haben fröhlich und bestimmt vor seiner Hütte gesungen. Sogar Kinder aus der Nachbar*innenschaft stimmten mit ein und klatschten zur Musik“.

Auch positiv wurde das Überbringen der Botschaft in die Nachbar*innenschaft bewertet. Mike weiter: „Wir denken, dass er verstanden hat, dass wir unseren Protest überall hintragen, auch an Stellen, an denen es wohl am wichtigsten ist, dass er Gehör findet.“

Den anschließenden Einsatz der Beamt*innen bewerteten die Betroffenen äußerst kritisch und viele konnten die unvermittelte Gewalt nicht verstehen, die gegen sie angewandt wurde. Andreas, der selbst verletzt wurde, verlor einige Worte im Nachgang des Geschehens: „Die haben mich einfach umgerissen und dann weiter auf mich eingeschlagen, als ich schon da lag – ich wusste ja nicht, dass Singen in der Öffentlichkeit verboten ist.[…] Dann schleppten die mich noch mit Schmerzgriffen an die Stelle an der alle gesammelt wurden.“ Auch, dass der Gang zur Toilette in dem gebildeten Kessel in den ersten Stunden verwehrt wurde, entbehrt jeglicher gesetzlicher Grundlage. Ein Rückblick der Musikerin Sylvia auf den Einsatz: „Das Vorgehen der Polizei war absolut unverhältnismäßig, der Kessel in meinen Augen gesetzeswidrig. Selbst heute tun mir noch die Hände weh von den zu engen Fesseln.“

Andreas abschließend zu den Vorkommnissen: „Dieser brutale Polizeieinsatz aufgrund eines Straßenkonzerts ist nicht zu rechtfertigen. Das grundlos gewaltsame Verhalten von Olaf Hupp und seinen Kolleg*innen ist aufs Schärfste zu verurteilen. Das muss rechtliche Konsequenzen für die Polizei haben!“